Noah 2017: Einhörner, Digitalstrategien und Samwer-Audienz

Veröffentlicht: 26.06.2017 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 26.06.2017

Die jährliche Noah-Konferenz in Berlin versammelte auch 2017 so viele Entscheider wie kaum eine Konferenz-Veranstaltung. Die Big Player wollen nun auch endlich digitalisieren – indem sie die Einhörner und solche, die es werden wollen, kaufen.

Noah 17, Oliver Samwer

© Händlerbund

„Do you have bitcoins?“ Das war die Lieblingsfrage von Marco Rodzynek, der durch die Noah Conference 2017 in Berlin führte und die jeder Interview-Partner auf der Hauptbühne zum Abschluss beantworten musste. Es war wohl das einzige Thema, bei dem man ein wenig Dissens in die Branche hineinlesen konnte, denn diejenigen, die die Kryptowährung besitzen und jene, die sie lieber nicht anfassen, hielten sich ungefähr die Waage. Ansonsten hat man wohl selten derart viel Konsens in der digitalen Welt gesehen. Kaum ein StartUp-Konzept etwa, kaum eine Digitalstrategie für die kommenden Jahre kommt ohne die Buzz-Wörter Big Data und Customer Experience aus. Um im dichten Internetgeschäft Erfolg zu haben, braucht man zufriedene Kunden. Um Kunden zufriedenzustellen, muss man sie kennen. Das geht nicht ohne Daten.

Überraschend dabei: Beim Nutzer hat offenbar ein Gewöhnungsprozess bzgl. der Preisgabe seiner persönlichen Daten eingesetzt. Hat man früher noch damit gehadert, im Internet zu gläsern zu werden, ist man nun offenbar kompromissbereiter. Das bestätigt etwa Josef Korte, Co-Founder von Bonify. Das StartUp  hilft seinen Nutzern dabei, die eigene Bonität zu kennen und zu optimieren. Dafür muss dieser freilich eine Menge preisgeben. Korte zeigt sich selbst überrascht, wie offen die Nutzer dabei tatsächlich sind, denn mittlerweile wissen sie: Tue ich das nicht, kann ich auch keinen vollständigen Service bekommen.

Digital-Strategien? Kaufen!

Vor allem für StartUps wie Bonify ist die Noah eine Pflichtveranstaltung geworden, denn wo sonst kann man sein Unternehmen derart vielen, spendablen Investoren pitchen? Investoren und Konzerne wiederum nutzen die Veranstaltung, um mögliche Zukäufe zu eruieren und die Unicorns, die erfolgreichsten Einhörner, unter den Digital-Unternehmen zu begutachten. In diesem Jahr präsentierten Schwergewichte wie die Lufthansa, die Bahn, Metro oder Karstadt ihre Zukunftsstrategien und eines muss man den lange Zeit trägen Dampfern lassen: Sie haben verstanden, dass nicht nur die Zukunft, sondern auch die Gegenwart längst digital ist. Dass sie dafür eine Weile gebraucht haben, ist freilich ebenfalls offensichtlich und dabei zeigt man sich sogar selbstkritisch. „Wir mussten auf harte Weise erfahren, was Digitale Transformation bedeutet und haben dabei auch die ein oder andere Chance verpasst“, sagte etwa Bahn-Chef Richard Lutz.

Die Strategien ähneln sich dabei teilweise frappierend, denn in der Regel lassen sie sich herunterbrechen auf: Know-how einkaufen. Die Bahn etwa hat das Accelerator-Programm Beyond 1435 gestartet und mit DB Digital Ventures einen 100 Millionen Euro schweren (für die nächsten zwei Jahre) Investitionsfonds eingerichtet. Metro und Karstadt sammeln ein Unternehmen nach dem anderen ein, um es ins eigene Portfolio zu integrieren – Karstadt erst ganz frisch etwa mit dem Online-Marktplatz Hood.de. Siemens will mit „next47“ in fünf Jahren eine Milliarde Euro investieren. Auf der Noah schauen die Konzerne ganz genau hin, was die StartUps aus Logistik, Infrastruktur und Fintech zu bieten haben. Selbst Axel Springer, Veranstalter der Noah, das sich laut Mathias Döpfner längst als digitales Unternehmen sieht, hat die Zeichen der Zeit erkannt und arbeitet, zusammen mit anderen deutschen Wirtschaftsschwergewichten an einem „Generalschlüssel“, einem Universal-Login für im besten Fall alle Online-Zugänge eines Nutzers – eine hervorragende und eigentlich längst überfällige Idee.

Der jährliche Samwer

Was auf keiner Noah fehlen darf, ist der jährliche Pflichtauftritt des sonst eher medienscheuen Rocket-Internet-Chefs Oliver Samwer. Der Informationsgehalt hielt sich dabei in vergleichsweise engen Grenzen. Samwer freut sich über den anstehenden Börsengang von Delivery Hero, er will sich künftig nicht auf eine Branche konzentrieren, sondern streuen: „Ich will keinen sehr guten Entrepeneur verpassen, nur weil er ein Business macht, mit dem wir vorher nichts zu tun hatten.“ Mit einem Lächeln zeigte er sich sogar selbstkritisch. Auf die Frage nach seinem größten Fehler seit dem Rocket-IPO antwortete er süffisant: „Ich hätte mehr Geld verdient, wenn ich Ja zu allem gesagt hätte, anstatt wählerisch zu sein.“ An der in der Rocket-DNA verankerten Strategie des schnellen Wachstums will er weiter festhalten. „Setze alles daran, zu wachsen. Es ist egal, ob du in vier, sechs oder neun Jahren Break-Even bist, wenn du die Nummer 1 bist.“ Wie viele Investments er sich möglicherweise auf der Noah geangelt hat, ist bislang nicht bekannt.

 

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