Kolumne: Googles K(r)ampf mit dem Recht auf Vergessen

Veröffentlicht: 17.10.2014 | Geschrieben von: Nadja Naumann | Letzte Aktualisierung: 17.10.2014

Am 14. Oktober traf sich der Google-Beirat für Löschanfragen in Berlin und diskutierte das Thema der Löschanträge in Hinblick auf Datenschutz, Presse- und Meinungsfreiheit, Persönlichkeitsrecht, öffentliches Interesse und vieles mehr. Dabei zeigte sich erst einmal die Bandbreite der Interessens- und Problemlagen bei diesem Thema und die Komplexität dahinter.

Das Recht auf Vergessen: Ein Recht ohne Regeln

Nach welchen Kriterien die Löschanträge bearbeitet werden sollen, scheint noch nicht klar zu sein. Der Beirat suchte nach Antworten, unter welchen Voraussetzungen einem Löschungsantrag stattzugeben ist. Doch dabei wurden eher noch mehr Fragen aufgeworfen.

Google hat zugegebenermaßen auch keinen leichten Job in Bezug auf das Recht auf Vergessen. Vielleicht ist das auch ein Grund dafür, dass Google sich lange Zeit gegen Linklöschungen sträubte. Neben der Tatsache, dass es dann nicht mehr allwissend wäre. Aber mal ganz im Ernst: Haben Sie sich schon einmal Gedanken über das Recht auf Vergessen gemacht? Da wird einem ganz schwummerig, wenn klar wird, was alles beachtet werden muss!

Da mag der Vorschlag von Verbraucherschützerin Michaela Zinke ein netter Ansatz sein – sie plädierte dafür, einen Kriterienkatalog als Abfragemaske den Löschanträgen voranzustellen, um eine erste Kategorisierung der Anfragen vornehmen zu können. Doch wo fängt man mit den Fragen an und hört mit den Kategorisierungen auf?

Es muss zwischen privaten Personen und öffentlichem Interesse balanciert, über den Grad der Sensibilität einer Information entschieden, Datenschutz und Meinungsfreiheit in Betracht gezogen und sich gegenübergestellt werden und mehr.

Google und der Europäische Gerichtshof sind sich ja selbst nicht einmal sicher, welche Kriterien für die Genehmigung eines Löschungsantrages erfüllt werden müssen, wie soll dann in den Einzelfällen entschieden werden? Und trotzdem löscht Google bereits pflichtbewusst, was bleibt dem Unternehmen auch übrig?

Klar, Rechtsprechungen aus anderen Bereichen wie dem Presserecht, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und anderen könnten in Betracht gezogen werden, doch viele Fälle sind zu individuell und komplex, um einfach die gängige Rechtsprechung anzuwenden. Außerdem ist das Untersuchungsfeld zu neu und Kriterien können bestenfalls eine Orientierung bieten, doch mehr nicht.

Das Recht auf Vergessen bedroht die Pressefreiheit

Komplett kritisiert wird die Entscheidung des EuGH zum Recht auf Vergessen von Matthias Spielkamp, dem Experten von Reporter ohne Grenzen. Er sieht diese sogar als Angriff auf die Pressefreiheit, da Reporter und Bürger in ihrer Möglichkeit, Informationen zu erlangen, eingeschränkt werden.

Genau mit diesem Problem fing auch das ganze Debakel an. 2009 hatte ein Mann geklagt, der 16 Jahre zuvor in einem digitalisierten Zeitungsartikel als Eigentümer einer gepfändeten Immobilie aufgeführt wurde. Er wollte nicht länger damit in Verbindung gebracht werden, doch Google weigerte sich, den Link zu löschen und der Streit ging vor Gericht. Somit wurde die Debatte um das Recht auf Vergessen losgetreten.

Das sagen Experten zum Recht auf Vergessen

Prof. Niko Härting, Rechtsanwalt bei HÄRTING Rechtsanwälte und auf der Seite der Experten, nannte das Recht auf Vergessen auf der Veranstaltung sogar ein „Hirngespinst“. Trotzdem gab er drei Empfehlungen an Google: Im Zweifel solle das Unternehmen Links löschen, doch Google sei kein Schiedsrichter und solle diese Rolle auch nicht annehmen. Außerdem soll der Suchmaschinen-Riese die Publisher nicht ohne weitere Regelungen über das De-listing informieren und Löschungsanträge nur lokal umsetzen, da zu große kulturelle Unterschiede bei Datenschutz und Privatsphäre existieren.

Dr. Moritz Karg, Referent beim Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, verdeutlicht nochmal worum es eigentlich geht. Es wird nur der Name der Person und der Link zu der Information gelöscht nicht die Information als solche. Der Datenschutzbeauftragte Karg möchte Google zur Löschung verpflichten, wenn zwei Kriterien gegeben sind: Ist der Sachverhalt von öffentlichem Interesse? Und gibt es eine Rechtsgrundlage für Zwang in § 35 BDSG zur Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten?

Die Politikwissenschaftlerin Lorena Jaume-Palasí kommt mit einer neuen Idee. Sie schlägt vor, die Löschungsanträge von einem Nutzer/innen-Rat entscheiden zu lassen. Derzeitige Regelungen und Entscheidungen würden nicht von Digital Natives getroffen, sondern von (alten) Menschen, die wenig bis kein Verständnis hätten.

Viele Meinungen, aber keine Einigung

Meinungen zum Recht auf Vergessen gibt es also viele, Einigungen auf Kriterien eher keine und die Löschanträge flattern weiter stetig bei Google ein. Laut einem kürzlich erschienenen Transparenzbericht gab es davon bereits knapp eine halbe Million, von denen 41,8 Prozent auch genehmigt und umgesetzt wurden. Nach welchen Richtlinien dabei vorgegangen wurde, weiß nur Google selbst.

Fest steht, dass die Frage der Linklöschung ein noch sehr junges Feld ist und juristisch erst noch erfasst werden muss. Außerdem ist es auch ständigen Veränderungen unterworfen. Somit kann damit gerechnet werden, dass uns dieses hochspannende Thema noch eine Weile begleiten wird.

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