Kolumne: Eine Steuer auf das Internet? Wehrt euch!

Veröffentlicht: 24.10.2014 | Geschrieben von: Julia Ptock | Letzte Aktualisierung: 24.10.2014

Als ich das erste Mal die Überschrift „Ungarn will Internetsteuer einführen“ las, dachte ich: Das ist doch ein Witz. Fast schon panisch suchte ich nach dem Stichwort Satire – fand es nur leider nicht. Ungarns Regierung meint das also ernst. Aber wie kommt man auf Idee? Sollte das Internet nicht eigentlich frei und für alle verfügbar sein?

An sich wird mit dem Vorschlag der national-konservativen Regierung unter Viktor Mihály Orbán die Freiheit des Internets erstmal nicht direkt eingeschränkt. Die Kosten von 150 Forint – ca. 50 Cent – pro Gigabyte sollen die Provider bezahlen. Na ja – wie wahrscheinlich ist es, dass diese die Mehrkosten nicht an die Verbraucher weitergeben?

Mehr Steuern sind super – zumindest für den Staat

Die Internetsteuer wurde im Rahmen der Steuerpläne für das Haushaltsjahr 2015 vorgestellt. Der Wirtschaftsminister Mihály Varga gliedert diese in die bereits bestehende Telekommunikationssteuer ein. Dabei hat die Europäische Kommission bereits im September 2011 Ungarn zur Rücknahme der Steuer, die im Herbst 2010 eingeführt wurde, aufgefordert. Wie compresspr berichtete, widerspreche diese der EU-Richtlinien bezüglich der Telekommunikation. Die Reaktion aus Budapest fiel nüchtern aus: Es gäbe keinen Grund, die Sondersteuer für Telekommunikationsunternehmen zu verändern.

Ungarn fühlt sich demnach schon recht frei in der Zulassung der Steuern. Und Ungarn ist alles andere als ein Steuerparadies: Mit 27 Prozent Mehrwertsteuer bildet Ungarn die Europäischen Spitze. Die Flat-Tax (Einheitssteuer) auf Löhne und Gehälter beträgt zudem 16 Prozent – man merkt schon, dass Kleinverdiener ordentlich zur Kasse gebeten werden. Wenn dann auch noch extra für das Internet bezahlt werden soll – wer soll sich das dann noch leisten? Der Regierung ist das vielleicht egal – solange deren Kassen voll sind. Oder zumindest voller.

Ungarn ist nicht das erste Land mit der Idee

Übrigens: Ungarn kommt nicht als erstes europäisches Land auf die Idee, das Internet zu besteuern. Sowohl die Niederlande als auch England sorgten für Kopfschütteln, als sie 2009 eine Internetsteuer planten.

Die Niederlande führten als Grund für die Einführung die notleidenden Zeitungen ins Feld. Mit zwei Euro im Jahr sollten die Niederländer die Zeitungen zwangsunterstützen. Denn diese würden im Internet kaum etwas verdienen und das, obwohl sie einen Teil der Artikel dort veröffentlichen. Die Idee von einer durch den Minister für Medien eingesetzte Kommission stieß allerdings auch bei den Ressortverantwortlichen und Zeitungsverlagen auf Skepsis.

Die Briten hingegen wollten 6 Pfund pro Anschluss für den Ausbau der Infrastruktur verwenden. Das Ziel war es, bis 2017 rund 90 Prozent der Bevölkerung an "superschnelle" Breitbandnetze anzuschließen – daher übrigens auch der Name „Breitbandsteuer“. Allerdings zeigte sich auch in Großbritannien keine wirkliche Begeisterung für die Idee.

Könnte es sich um eine versteckte Medien-Kontrolle handeln?

Fragt man sich doch, was eigentlich der Grund für die Einführung der Steuer in Ungarn ist. Geht es wirklich um mehr Geld in der Staatskasse? Die Taz gibt zu bedenken, dass sich der Teil der Bevölkerung, der der Regierung kritisch gegenüber steht, eher über das Internet informiert als über Radio oder Fernsehen. So sind zum Beispiel die oppositionellen Radiosender Tilos oder Klubrádió außerhalb von Budapest nur über das Internet zu empfangen. Wer sich also eine differenzierte Meinung bilden will, ist auf das Netz angewiesen.

Die sozialen Netzwerke dienen wie gewohnt dem schnellen Austausch von Informationen und zur Sammlung von Proteststimmen. Bisher haben sich Hunderttausende für eine Demonstration am kommenden Sonntag in Budapest angemeldet – ob die aber alle kommen? Wer weiß. Aber es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass sich die Ungarn gegen die Besteuerung des Internets wehren.

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