Meinungen zu Amazon Vendor: „aktives in die Taschen der Lieferanten greifen“

Veröffentlicht: 27.01.2016 | Geschrieben von: Julia Ptock | Letzte Aktualisierung: 29.02.2016

Wenn man Händler auf Amazon Vendor anspricht, rutscht die Stimmung in den Keller. Vor allem das neue Programm für Ausgleichszahlungen erzürnt die Gemüter. Es ist von aktivem in die Tasche der Lieferanten greifen die Rede. Wir haben uns einmal umgehört, was die Gemüter der Amazon Vendor-Teilnehmer am meisten bewegt. Ein Stimmungsbild.

Gruppe von Geschäftsleuten am Tisch beim Diskutieren

(Bildquelle Diskussion: Rawpixel.com via Shutterstock)

Mit Amazon Vendor können Händler und Hersteller zu Lieferanten von Amazon werden. Die Vorteile davon werden von Amazon auf der entsprechenden Landingpage prominent kommuniziert, doch scheint nicht alles so reibungslos zu laufen, wie es im ersten Augenblick scheint. Vor allem mit dem neuen Programm für Ausgleichszahlungen scheint sich Amazon enorm viel Unmut zuziehen. Doch die Probleme scheinen tatsächlich viel tiefer zu liegen und vor allem von struktureller Natur zu sein.

Klagen schwer gemacht: hier greift luxemburgisches Recht

Die Reaktionen auf das neue Programm für Ausgleichszahlungen sind vielfältig, lassen jedoch einen durchgehenden Ton erkennen. Denn auch wenn Ausgleichs- und Strafzahlungen in der Industrie laut Mark Steier von wortfilter.de üblich sind, ist das neue Programm vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen ein herber Schlag. Denn wie in unserem Beitrag bereits erklärt, ist ein pauschaler und völlig aus der Luft gegriffener Beitrag zumindest nach deutschem Recht nicht zulässig. So dürfen zum Beispiel „für Personal- und IT-Kosten anfallende Kosten als Bestandteil des regulären Geschäftsbetriebes nicht pauschal in Abzug gebracht werden“. Fraglich also, ob „Kosten pro Kundenkontakt an unseren (A.d.R.: Amazons) Kundenservice“ tatsächlich berechnet werden dürfen. Aber wie bereits erklärt, vereinbart Amazon mit seinen Vertragspartnern luxemburgisches Recht, weswegen an dieser Stelle nicht weiter auf die rechtlichen Rahmenbedingungen eingegangen werden kann.

Transparente Kommunikation sieht anders aus

Was Amazon von seinen Vendor-Teilnehmern in erster Linie angekreidet wird, ist die Tatsache, dass es keine Kommunikation gibt. Und das gleich auf mehreren Ebenen. Händler erklärten uns zum Beispiel, dass sie erst durch unseren Artikel von dem neuen Programm für Ausgleichszahlungen erfahren haben. Scheinbar hat Amazon die E-Mail bisher nur an einen ausgewählten Teil seiner Lieferanten versendet.

Aber auch sonst ist der Informationsfluss eher spärlicher Natur. So berichteten Händler, dass Amazon gern Neuerungen in Tests ausprobiert, die damit einhergehenden Konditionen jedoch kaum kommuniziert – ähnlich wie im aktuellen Fall. Wenn Amazon mit den Ergebnissen der Tests jedoch zufrieden ist, werden diese für alle verpflichtend. Tatsächlich erhebt Amazon schon jetzt Ausgleichszahlungen. Diese liegen laut einigen Händlern aktuell bei 10 Prozent pro Produkt auf den Warenwert – also Amazons Einkaufspreis. Bei Produkten mit niedrigen Margen ohnehin schon nicht gerade wenig, können die neuen Strafzahlungen ganz schnell das Aus für kleine und mittelständische Lieferanten bedeuten. Zudem stellt sich die Frage: Löst das neue Programm die alten Konditionen ab? Darauf wird in der E-Mail von Amazon Vendor Central nicht eingegangen.

Probleme bei der Warenannahme

Problematisch scheint auch die Logistik an sich zu sein. Sehr viele Händler werfen Amazon vor, die eigene Logistik nicht im Griff zu haben. Egal ob es sich dabei um Multi-PO-Lieferungen oder normale Lieferungen handelt, irgendwas scheint immer schief zu gehen. So erklärte ein Händler, dass gerade „bei Multi-PO-Lieferungen regelmäßig Warenbestände auf eine falsche PO gebucht werden, so dass es bei einer PO zu Fehllieferungen kommt, während andere PO´s dann überbucht werden, was wieder eine Ausgleichszahlung nach sich zieht.“ Klingt fast schon nach Masche. In Kombination mit dem neuen Programm für Ausgleichszahlungen empfindet das so mancher Händler als „aktives in die Tasche der Lieferanten greifen“.

Natürlich – und das sei hier zur Verteidigung von Amazon gesagt – arbeiten in der Warenannahme auch nur Menschen. Und Menschen machen Fehler. Das ist zwar ärgerlich, aber soweit auch nur bedingt das Problem. Was die Händler verärgert, ist auch hier die nicht stattfindende Kommunikation von seitens Amazon. Obwohl nach Aussage der Händler in mehreren Fällen einwandfrei nachgewiesen werden konnte, dass alle Einheiten geliefert wurden, besteht Amazon weiterhin auf seine Aussage und verhängt entsprechende Strafen. Wer die Probleme direkt klären will, stößt bei Amazon jedoch auf taube Ohren. Auch wenn es die sogenannten „Vendor Manager“ gibt, sind diese nur in seltenen Fällen erreichbar und dann meist „ahnungslose Leute“. Problemlösungsorientiertes Arbeiten scheint hier ein Fremdwort zu sein.

Amazon sitzt am längeren Hebel

Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass Amazon überhaupt nicht an einer Kommunikation oder an einem Austausch mit seinen Vendor-Teilnehmern gelegen ist. In den Rahmenverträgen bzw. Jahresvereinbarungen werden Konditionen festgelegt, an die sich sowohl Amazon als auch die Händler halten müssen. Natürlich hat man als Händler bzw. als Lieferant die Wahl, ob man Amazon beliefert oder nicht. Doch sollte man dabei immer bedenken, dass Amazon am längeren Hebel sitzt und man wahrscheinlich nur einmal eine Bestellung aus dem Hause Amazon nicht annimmt.

 

Kommentare  

#11 Vendor Händler 2019-05-23 11:48
Wir beliefern Amazon.
Immer wieder verschwindet Ware, die aber nachweislich verpackt und mit Paketdienst zugestellt wurde.
Das komische dabei, einige Waren die mit in dem Paket verpackt sind, werden eingebucht als erhalten und dann fehlen aber oft ganze Positionen eines anderen Artikels oder einzelne Artikel.

Ich bin der Meinung, dass dies System hat bei Amazon. Wenn das bei tausenden anderen Händlern auch so läuft, werden hier Millionenwerte kostenlos von Amazon vereinnahmt und somit mit 100% Gewinn vermarket!
Denn der Wahnsinn ist enorm einen fehlenden Artikel von Amazon nachträglich bezahlt zu bekommen. Amazon storniert immer gleich nach Ablauf der Lieferfrist die Artikel, die angeblich nicht geliefert wurden und somit bekommt man als Händler kein Geld, wenn man NICHT aktiv wird.
Man muss einen Fall eröffnen, dann prüft Amazon meistens mit der Antwort die Ware sei nicht auffindbar und man solle nach Ablauf einer weiteren 90 Tage Frist nach spätestem Lieferdatum erneut prüfen, ob die Ware immernoch verschwunden ist und wenn dem so ist (95% der Fälle!) dann soll man wieder einen Fall eröffnen und eine Rechnung einreichen.
Dann wird wieder massiv mit Amazon hin und her geschrieben bis oftmals nach 6-18 Monaten endlich die Rechnung ausgeglichen wird. In letzter Zeit fordert Amazon aber einen gültigen Abliefernachwei s mit Amazon-Stempel und verknüpft mit ASN, Tracking-ID oder Rechnungsnummer . Sowas bekommt man aber nicht vom Paketdienst! Es ist so eine Sauerei was hier abläuft...
Wir können Amazon Vendor NICHT mehr empfehlen - höchstens man hat so hohe Deckungsbeiträg e einkalkuliert (was bei Amazon aber kaum möglich ist), das sich ständig verschwundene Ware nicht marginal auf diesen DB auswirkt...
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#10 Claudia 2016-09-27 20:08
Retouren sind auch mit Vorsicht zu genießen. Oft schaut man nur nach, wer diesen Artikel irgendwann mal geliefert hat und schickt die Ware einfach zurück, egal ob es der wirkliche Lieferant ist oder auch nicht. Lieferungen angemeldet, werden erst Tage später vereinnahmt und dann als zu spät geliefert deklariert und dem Lieferanten angekreidet. So gibt es noch viele Widrigkeiten. ICH KAUFE NICHTS BEI AMAZON, WEIL ICH DAS NICHT AUCH NOCH UNTERSTÜTZEN WERDE.
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#9 Claudia 2016-09-27 19:55
Mich hat Amazon meinen Job gekostet. Es war der reinste Horror! Preise runter funktioniert bei Amazon immer. Wenn dann aber plötzlich 2/3 der Bestellungen nach Polen und Tschechien geliefert werden müssen, ist die Marge im Eimer! Ich kann niemandem empfehlen, Amazon direkt zu beliefern!
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#8 Katrin...... 2016-08-26 10:54
Sehr gut geschrieben! Ich finde nicht das hier Pro Amazon geschrieben wurde.

Die kritischen Punkte kann ich vollstens bestätigen! Der Aufwand mit Amazon ist einfach riesig und man sollte sich dessen vorher bewusst werden.
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#7 Rainer 2016-01-29 11:43
Hallo Fake-Fischer,

Florian zu unterstellen er sei gekauft ist unfair und unprofessionell . Im Prinzip hat er Recht, auch wir sind sehr zufrieden mit Amazon. Natürlich ist nicht alles Gold, aber wo ist es das schon. Und auch wir haben durchweg positive Erfahrungen gemacht, die Negativen werden unter Erfahrung abgebucht.

Und da wir nur durch den Fullfillment Service verkaufen, hat sich unsere unnütze Arbeit weitesgehend reduziert, alle Kommunikation wird gut und schnell von Amazon erledigt.

Und wenn du jetzt vermutest auch wir bekommen Geld von Amazon: leider nein, aber wenn du weißt wo es das gibt, sag Bescheid, dann schreibe ich meine Meinung auch gegen Bezahlung noch mal.
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#6 Fitz 2016-01-28 17:23
@Fake-Fischer: Weshalb darf Florian seine Meinung nicht kundtun, ohne dass ihm Korruption unterstellt wird? Ich kann den Großteil seiner Thesen nur bestätigen. Wer sich an die Regeln hält und sich um seinen Amazon-Shop kümmert, hat nur einen Bruchteil der Probleme, die überall laut hinausposaunt werden. Wenn man bei denen, die sich lauthals über ihre Probleme mit Amazon beschweren, aber mal ganz genau hinschaut, sind alle Probleme i.d.R. hausgemacht und gehen definitiv nicht zu Lasten von Amazon.

Zum Artikel: Ich denke, dass sich jeder Unternehmer, der von Amazon zum Vendor-Programm eingeladen wird, sich diese Einladung wie jeden anderen Vertrag auch stets sehr gut durchlesen und durchrechnen sollte. Letztendlich lohnt es sich sicherlich nicht in jedem Fall. Denn was nützt einem ein einzelner Großeinkäufer, der die Preise stark nach unten drückt und damit andere Einkäufer daran hindert ebenfalls die Artikel ebenfalls anzubieten? Ich kenne zumindest ein konkretes Beispiel, wo der umworbene Hersteller langfristig damit besser fährt, auf die Teilnahme am Vendor-Programm zu verzichten. Denn er würde sehr viele kleine Unternehmer verlieren und müsste sich gleichzeitig mit dem Preisdruck seitens Amazon beugen. Für diejenigen, die allerdings nur kurz- bzw. mittelfristig kalkulieren, kann die Rechnung, vielleicht noch positiv aussehen!
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#5 Fake-Fischer 2016-01-28 11:54
Hallo Florian, dein Beitrag sieht zu sehr nach einem bezahltem Pro-Amazon-Beit rag aus. Und genau solche Beiträge wie deine zeigen, daß die vielen Negativ-Beiträg e über Amazon stimmen und sicher noch untertrieben sind. alles, aber auch alles relativierst du, redest klein oder versuchst du weg zu wische. In einer Art und Weise die zeigt, daß da dafür bezahlt wirst, sonst würde niemand solche unrealstischen Lobeshymnen schreiben...
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#4 baer 2016-01-28 09:35
Vielen Dank für den Artikel. Amazon umwirbt uns gerade für den Einstieg ins Vendor-Programm , wobei unsere Skepsis bereits vorher groß war und die von uns gesehenen kritischen Punkte im Artikel bestätigt werden. Wir werden jetzt die Finger vom Vendor-Programm lassen.
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#3 Florian 2016-01-28 09:25
Ich glaube das Problem ist eher, dass man gerne über die negativen Dinge diskutiert, statt die positiven mehr wahrzunehmen. Natürlich ist da nicht alles perfekt und kann sich über diese und jene Vorgabe oder Richtlinie ärgern - wenn man sich aber an die Spielregeln hält, hat man eben auch Erfolg bei Amazon. Es gibt tausende Händler auf Amazon die sehr viel Umsatz generieren und mit Amazon zufrieden sind, genauso auch auf Ebay & Co. Aber bei so vielen Händlern gibt es eben auch Negativ-Beispie le und die posaunen es dann am lautesten hinaus. Jedem kann man es eben nicht recht machen und Amazon muss irgendwo seine Richtlinien festlegen die nicht immer jedem gefallen können. Kann ja jeder selbst entscheiden ob er besser nur auf einen eigenen Onlineshop setzt aber dann hier 10 x mehr Theater, Aufwand, Kosten usw. hat und oft weniger Ertrag, weil nun mal Traffic und der ganze Support & Co. deutlich teurer und zeitaufwendiger sind.
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#2 Marc 2016-01-27 16:27
Was die Kommunikation angeht ist es bei Amazon manchmal durchwachsen. Manch Nachricht von den Mitarbeitern in gebrochenem Deutsch, unverständlich und ohen Signatur, kommt einem eher wie eine Phishing-Mail vor.
Im Großen und Ganzen klappt es aber einwandfrei, selbst Sonntag Nachts und an Feiertagen !
Ebenso die Einsendungen und Retouren klappen gut. Wenn tatsächlich mal 1 Artikel oder Einzelteile fehlten wurden diese nach entsprechendem Nachweis ohne Probleme gutgeschrieben.
Wenn aber dieses Vendor Programm mit solchen Ausgleichszahlu ngen daher kommt werde ich Amazon bei der nächsten Anfrage freundlichst auf dieses No-Go hinweisen und ablehnen.
Mal sehen was als Antwort kommt, man kann ja miteinander reden :-)
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