Grundsatzurteil: Kunden haben Recht auf anonyme Online-Bewertungen

Veröffentlicht: 02.07.2014 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 19.05.2015

Bewertungssysteme gehören zur grundlegenden Ausstattung im digitalen Handel, denn viele Kunden lassen sich vor ihrem Kauf von den Rezensionen ihrer Vorgänger inspirieren. Neben den positiven Einflüssen können solche Beurteilungen jedoch auch Streitigkeiten verursachen – so wie auch im vorliegenden Fall: Der BGH hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass anonyme Nutzer im Zuge ihrer Bewertungen auch anonym bleiben dürfen.

BGH stützt anonyme Bewertungen im Netz

(Bildquelle Anonym im Internet: ArtFamily via Shutterstock)

Nicht selten kommt es im E-Commerce vor, dass Händler oder Dienstleister mit ihrer Online-Bewertung nicht zufrieden sind – besonders, wenn die Bewerter ihre Identität dabei verbergen. So geschehen auch in einem aktuellen Fall vor dem Bundesgerichtshof: Hier hatte ein Patient auf dem Ärzte-Bewertungsportal Sanego einen Mediziner negativ bewertet, wobei er unerkannt blieb.

Der betroffene Arzt bemerkte im November 2011 erstmals eine schlechte Beurteilung über sich. Doch dabei blieb es nicht. Im Juni 2012 folgten weitere „verschiedene unwahre Behauptungen“. Auf die Forderung des Arztes, die entsprechenden Einträge vom Portal entfernen zu lassen, ging Sanego ein. Doch die Löschung ließ der unbekannte Patient nicht auf sich sitzen: Bereits im Juli 2012 verfasste er erneut eine negative Rezension und bemängelte darin genau jene Kriterien, die auch die gelöschten Inhalte aufwiesen.

Es folgte eine juristische Odyssee: In einem Unterlassungsurteil vom Januar 2013 bestimmt das Landgericht Stuttgart, dass Sanego die Verbreitung der beanstandeten Bewertungen bzw. Inhalte einzustellen habe (Az. 11 O 172/12). Darüber hinaus müsse das Portal die Identität des Verfassers (genauer gesagt dessen Name und Anschrift) offenlegen. Eine Berufung gegen dieses Urteil scheiterte vor dem OLG Stuttgart (Az. 4 U 28/13). Auch in dieser Instanz wurde bestätigt, dass Sanego die bewertenden Kommentare zeitnah (und immer wieder) zu löschen habe und dass der Anspruch auf Auskunft über die Identität des Urhebers rechtmäßig sei.

In der aktuellen Revisionsverhandlung sah der BGH nun den Fall jedoch anders. Er wies die Klage auf Auskunftserteilung ab (Az. VI ZR 345/13), wodurch die Anonymität des Verfassers schlussendlich doch gewahrt bleibt.

Nach Angaben der FAZ haben die Richter des BGH mit diesem Urteil ganz bewusst eine Lanze für die Anonymität im Internet gebrochen. Nur in wenigen Ausnahmen dürfe nach den Regelungen des Telemediengesetzes die Anonymität der User aufgehoben werden.

Aber auch die Möglichkeit der Identitätsverschleierung hat ihre Grenzen: So könne im Zuge einer Strafverfolgung auf die Offenlegung der persönlichen Daten bestanden werden. Dies hat zur Konsequenz, dass Opfer von Falschaussagen gegen die Verfasser der schwer ehrverletzenden Inhalte juristisch vorgehen und Strafanzeige gegen Unbekannt stellen können.

Kommentare  

#1 Caroline 2014-07-02 16:30
Es wird doch immer wieder gefordert, dass die Pöbelei im Internet endlich aufhören muss! Wenn jeder nur noch mit seinem Namen öffentlich seine Meinung verbreiten kann - wäre das Internet wahrscheinlich ein bessere Ort für alle. Bei Anbietern ist es so, dass auch systematisch Rufmord betrieben wird. Es werden Fantasieprofile erstellt um Jagd im Internet auf unliebsame Konkurenten machen zu können. Vor kurzem ist ein Streit wegen einer Bewertung auf einer goßen Plattform entbrannt. Das Ende vom Lied war, dass der schlecht bewertete Anbieter, der juristisch gegen die negative Bewertung des Kunden vorgegangen ist, von der Plattform ausgeschlossen wurde und seine immerhin über 30 Mitarbeitern daraufhin kündigen musste.
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