Verbraucher debattieren im Moment über ihre Einstellung zu dem US-Konzern Amazon. Ist man als Kunde automatisch mitverantwortlich für all das, was Amazon auszeichnet?

Spiegel Online-Kolumnist Jan Fleischhauer kritisiert in seiner Kolumne Amazon und die Haltung vieler Menschen gegenüber dem Unternehmen. Zudem ruft Spiegel Online Leser dazu auf, das gleiche in einem Forum zu tun. Inzwischen ist eine rege Diskussion zu der Fragestellung „Wie böse ist Amazon?“ entstanden. Und sie zeigt: In Sachen Amazon herrscht in Deutschland eine Doppelmoral.

Die meisten Kritiker sind nicht konsequent

Im Prinzip lässt sich die Diskussion rund um Amazon in Deutschland auf eine einfache Erkenntnis runterbrechen: Man kritisiert alles an Amazon, was irgendwie politisch und wirtschaftlich politisch unkorrekt ist und profitiert gleichzeitig von Amazon. Jan Fleischhauer, der Spiegel-Kolumnist, kritisiert Amazon, gleichzeitig aber verkauft er seine Bücher über den Online-Händler. Konsequent ist das nicht.

Der einfache Konsument in Deutschland kritisiert Amazon, dessen Steuerverhalten, Haltung gegenüber den Mitarbeitern, Konkurrenten, etc. und bestellt gleichzeitig längst nicht mehr nur Bücher über Amazon. Und wer nicht bei Amazon bestellt, der nutzt die Suchfunktion samt Rezensionen des Online-Händlers, um sich über den nächsten Einkauf zu informieren. Auch wenn diese Kunden ihre Produkte dann woanders kaufen, auch das ist nicht konsequent.

Hier haben wir eine Auswahl an Kommentaren aus dem Spiegel-Forum zum Thema „Wie böse ist Amazon?“ zusammengestellt. Entscheiden Sie selbst, welche davon konsequent und welche es nicht sind:

Nutzer Boesor: „Klar kaufe ich mal bei Amazon, aber wenn es geht lieber beim Einzelhändler in der Stadt. Das sichert lokale Arbeitsplätze und im Gegensatz zu Amazon auch hiesige Steuereinnahmen.“

Nutzer Iggy Rock: „Wir Bürger könnten diese Riesen noch immer sehr schnell in den Bankrott treiben, wenn wir nur alle wollten.
Aber scheinbar ist uns die eigene Bequemlichkeit deutlich wichtiger, wie unser Rechtsstaat, unsere persönlichen Daten, unsere Wahlfreiheiten im Alltag, höhere Steuereinnahmen für die Allgemeinheit und das freie Denken. Wir versklaven uns durch die Nutzung selber, und finden das auch noch ganz toll.

Mein letzter Amazoneinkauf liegt inzwischen schon Jahre zurück... von Google bin ich noch nicht ganz losgekommen.“

Die Verbraucher positionieren sich

Nutzer I.augenstein: „Ich glaube, Sie irren gewaltig! Amazon ist doch noch lange nicht der billigste Anbieter. Was Amazon von fast allen anderen Händlern gewaltig unterscheidet ist, dass man bei Amazon weiß, was das Wort "Service" bedeutet und es konsequent praktiziert! Und das ist etwas, was ich bei vielen Einzelhändlern, Märkten usw. vermisse.“

Nutzer Modern times: „Wir unterstützen eine Firma, die durch ihre Marktmacht den Verlagen Konditionen abpresst, die zur Folge haben, dass die Verlage ihre Mitarbeiter nicht mehr angemessen bezahlen können. Noch ärmer dran sind die Autoren und Übersetzer, gerade die Personen, ohne die es diese vielen wunderbaren Bücher gar nicht gäbe.

Es geht weiter: Schlecht bezahlte Amazonmitarbeiter packen die bestellten Bücher meistens einzeln, in viel zu große Pappkartons, die dann wiederum von außerordentlich schlecht bezahlten Paketfahrern in stinkenden Kleinlastern auf Straßen an deren Finanzierung Amazon durchaus nicht beteiligt war (die bekannte Steuervermeidung), zum Kunden gefahren werden. Der Kunde ist dann meistens nicht zu Hause, so dass der arme Paketfahrer nochmals vorbeikommen muss.

Tage später – der Kunde reißt unter Mühen den Pappkarton auf, hält kurzfristig das Objekt der Begierde in seinen Händen, legt es aber gleich wieder zur Seite, denn: der Pappkarton muss jetzt säuberlich zerrissen werden, damit er auch gut in den Papiercontainer passt, der natürlich hundert Meter entfernt steht und mal wieder voll ist. Dolle Sache, die der Herr Bezos da erfunden hat."