Anhängliche Konkurrenz – Die Krux mit dem Anhängen

Veröffentlicht: 25.09.2024
imgAktualisierung: 25.09.2024
Geschrieben von: Yvonne Bachmann
Lesezeit: ca. 8 Min.
25.09.2024
img 25.09.2024
ca. 8 Min.
Kleine Pappkartons mit dem Amazon-Logo stehen übereinandergestapelt da
bloomua / DEpositphotos.com
Das „Anhängen“ an bestehende Produktlistings auf Amazon ist für viele Händler Alltag – doch was zunächst als einfache Verkaufsstrategie erscheint, birgt auch rechtliche Risiken.


Das „Anhängen“ bei Amazon – obwohl es in vielen Fällen der einzige Weg ist – führt zu einer Vielzahl rechtlicher Herausforderungen. Von Markenrechtsverletzungen über Urheberrechtsprobleme bis hin zu unlauterem Wettbewerb: Im Auftakt unserer Themenreihe rund um den Handel bei Amazon erfährt man, welche rechtlichen Herausforderungen und Konflikte durch das Anhängen entstehen können, wie sich Seller rechtssicher auf Amazon bewegen und welche Alternativen es gibt.

Was bedeutet „Anhängen“ bei Amazon?

Was für die Profis im Geschäft längst zum Alltag gehört, ist für Neuling vielleicht noch ein Fremdwort. Für alle, die mit dem Gedanken spielen, bei Amazon einzusteigen, wollen wir daher noch einmal kurz erklären, was es mit dem Anhängen auf sich hat.

Bei Amazon gibt es für ein Produkt in der Regel nur eine Produktseite (Listing), die von verschiedenen Sellern genutzt werden kann, wenn sie dasselbe Produkt verkaufen. Händlerinnen und Händler „hängen“ sich also an ein bestehendes Listing an, statt wie bei Ebay oder anderen Marktplätzen einfach ein neues Produkt zu inserieren. Dieses System basiert auf der Idee, dass jedes physische Produkt nur einmal gelistet sein soll, auch wenn es von mehreren Unternehmen angeboten wird. Dies führt dazu, dass alle Shops, die dasselbe Produkt verkaufen, sich das gleiche Produktlisting teilen – und schließlich hart um die Kundschaft konkurrieren. Das Anhängen an identische Artikel selbst ist auch aus rechtlicher Sicht erlaubt und kann als solches nicht abgemahnt werden.

Allerdings führt genau das trotzdem immer wieder zu Streitigkeiten, denn zum einen steht die Frage im Raum, welche Produkte als identisch anzusehen sind, wer für die getätigten Aussagen haftet und ob man Fotos oder andere Materialien überhaupt mitnutzen darf, oder es sich beispielsweise um eine Urheberrechtsverletzung handeln würde.

Wann ist ein Produkt als identisch anzusehen?

Amazon verlangt, dass sich Händler an bestehende Listings anhängen, wenn sie dasselbe Produkt verkaufen. Doch was bedeutet „identisch“ genau, und wann darf ein eigenes Listing eröffnet werden? Hier sind (in Abhängigkeit vom Einzelfall) die entscheidenden Indizien:

  • Ein Produkt gilt als identisch, wenn es dieselbe EAN (European Article Number) oder UPC (Universal Product Code) wie das bestehende Produkt besitzt. Diese Nummer ist ein eindeutiger Identifikator für das Produkt.
  • Das Produkt muss von derselben Marke und demselben Hersteller sein und dieselbe Modellnummer oder Version aufweisen. Es darf sich nicht um eine leicht abweichende Version oder ein ähnliches Produkt handeln.
  • Alle wesentlichen Produktmerkmale, wie Größe, Farbe, Material, Funktionen und Zubehör, müssen identisch sein. Selbst geringfügige Abweichungen, wie eine leicht andere Verpackung oder eine kleinere Menge, können aus dem Produkt ein anderes machen und es ist „nicht identisch“.
  • Das Produkt darf nicht gefälscht oder nachgeahmt sein. Nur Originalprodukte, die den Angaben im Listing entsprechen, dürfen verwendet werden.

Juristische Fragen und Probleme

Markenrecht

Wenn ein Seller sich an ein bereits bestehendes Listing für ein markenrechtlich geschütztes Produkt anhängt, kann es zu Konflikten kommen, wenn man nicht die Originalware, sondern eine Fälschung oder ein minderwertiges Produkt verkauft (sogenanntes „Listing Hijacking“).

„Listing Hijacking“: Listing Hijacking bezeichnet die Praxis, bei der sich ein anderer Verkäufer an ein bestehendes Produktlisting anhängt, aber eine minderwertige oder sogar gefälschte Version des Produkts verkauft. Dies kann die Produktbewertung und den Ruf des Listings erheblich schädigen und dazu führen, dass der ursprüngliche Verkäufer oder Hersteller Umsatzeinbußen erleidet.

Markeninhaber werden dies erwartungsgemäß als Verletzung ihrer Markenrechte betrachten, da der Ruf ihrer Marke durch minderwertige Produkte geschädigt wird. Es ist also nicht gestattet, sich an ein Angebot anzuhängen, wenn man nicht das identische Original-Produkt verkauft. Selbst wenn es sich nicht um Fälschungen handelt, können Seller Produkte verkaufen, die dem Listing zwar entsprechen, aber aufgrund von schlechteren Lagerungs- oder Versandbedingungen in minderer Qualität verkauft werden. Dies kann zu rechtlichen Streitigkeiten führen, wenn der Originalhersteller auf die schlechte Qualität aufmerksam wird und darin einen Verstoß sieht. Darüber hinaus ist es auch ein Markenrechtsverstoß, wenn es sich zwar um ein Original handelt, dieses aber nicht für den europäischen oder deutschen Markt bestimmt war, sondern aus einer Kollektion stammt, die beispielsweise für den US-amerikanischen Markt gedacht war. Auch solche Verkäufe können und werden große Brands verhindern.

Urheberrecht

Aber auch das Urheberrecht führte in der Vergangenheit immer wieder zu Abmahnungen. Das ist zum Teil auch nachvollziehbar, denn diejenigen, die die Fotos erstellt haben, wollten logischerweise nicht, dass andere von ihrer Arbeit profitieren und die Fotos sorglos und ohne Bezahlung mitnutzen dürfen. Die Folge waren Abmahnungen wegen Urheberrechtsverstößen. Allerdings ist aber gerade das System von Amazon darauf ausgelegt, dass alle die gleiche Artikelbeschreibung und demzufolge auch die Produktbilder mitnutzen. Wie kann man dieses Dilemma in der Praxis lösen?

Auch die Konkurrenz darf die hochgeladenen Produktfotos zum Leidwesen der anderen mitverwenden. Die Mitbenutzung von hochgeladenen Produktfotos bei Amazon durch sich im Nachhinein anhängende Seller stellt keine Urheberrechtsverletzung dar (u. a. Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 19.12.2014, Az.: 6 U 51/14). Ein Anhängen verhindern kann man als Amazon-Shop auch nicht, indem Wasserzeichen oder eine Beschriftung (beispielsweise mit dem Copyright-Vermerk) einfügt werden, da Amazons Richtlinien für Produktdetailseiten eine solche Vorgehensweise verbieten.

Wettbewerbsrechtliche Fragen

Das Wettbewerbsrecht spielt beim Anhängen an bestehende Amazon-Listings ebenfalls eine zentrale Rolle. Gemäß dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ist es verboten, durch irreführende oder täuschende Handlungen einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen. Seller, die sich an ein bestehendes Listing anhängen, ohne das identische Produkt anzubieten, verstoßen gegen das Wettbewerbsrecht, da dies Verbraucherinnen und Verbraucher täuscht. Diese erwarten nämlich, dass das Produkt, das sie kaufen, dem im Listing beschriebenen Produkt entspricht. Abweichungen in Qualität, Aussehen oder Herkunft des Produkts führen zu einer Irreführung und können von der Konkurrenz oder Verbraucherschutzverbänden rechtlich verfolgt werden.

Mit dem System des Anhängens gehen jedoch noch weitere Probleme einher. Getreu dem Motto: „Einer für alle, alle für einen“, löst das Anhängen jedoch aus, dass alle Beteiligten für die gemeinsam genutzte Artikelbeschreibung haften. Für die auf Amazon Angehängten muss man also mit einstehen. Marketplace-Seller, die bei Amazon-Marketplace Produkte zum Verkauf anbieten, trifft eine Überwachungs- und Prüfungspflicht auf mögliche Veränderungen der Produktbeschreibungen ihrer Angebote – auch wenn die Änderungen unbemerkt und von Dritten vorgenommen werden (Urteil des Bundesgerichtshofes vom 03.03.2016, Az.: I ZR 140/14). Seller müssen – zumindest in der Theorie – daher prüfen und überwachen, ob rechtswidrige Inhalte vorhanden sind. Um einer Haftung zu entgehen, müssen die Angebote regelmäßig kontrolliert werden. Händlerinnen und Händler, die ihre Angebote, beispielsweise auf unrichtige UVPs, einmal pro Wochenarbeitstag (Montag bis Freitag) kontrollieren, tun laut Gericht ihr Möglichstes.

Ich geh meinen eigenen Weg: Wann darf man ein eigenes Listing eröffnen?

Händlerinnen und Händler müssen sich an ein bestehendes Listing anhängen, wenn das Produkt objektiv identisch ist, d. h. gleiche Marke, Modellnummer, Spezifikationen und EAN hat. Allerdings schmeckt das vielen nicht und es wird (aufgrund der oben erwähnten Gründe) immer wieder nach Mitteln und Wegen gesucht, sein eigenes Süppchen zu kochen.

Folgende Konstellationen berechtigten dazu, sich statt dem Anhängen eines eigenen Listings zu bedienen:

  • Es wird eine Variante eines Produkts verkauft, die sich in einem wesentlichen Punkt unterscheidet, wie z. B. andere Zusatzfunktionen, sofern es sich nicht um eine von Amazon vorgegebene Produktfamilie handelt, in der Variationen angeboten werden können (z. B. Kleidung).
  • Wer ein eigenes Produkt, eine Eigenmarke oder ein spezielles Bundle (z. B. mehrere Artikel in einer Verpackung) verkauft, darf ebenfalls ein eigenes Listing erstellen. Das Produkt muss sich jedoch deutlich von dem bestehenden unterscheiden und darf keine Verwirrung stiften. Es darf auch kein Bundle gebildet werden, welches die oben genannten Kriterien umgeht (z. B. Kaffeemaschine mit Gratis-Gummibärchen, da diese für den Kauf nicht wesentlich sind). Ansonsten liegt ein Verstoß gegen die Amazon-Richtlinien vor und das Produkt wird deaktiviert.
  • Bei Produkten, die exklusiv oder als Sonderedition angeboten werden, die sich durch Design, Verpackung oder zusätzliche Inhalte von einem bestehenden Produkt unterscheiden, kann ein eigenes Listing ebenfalls sinnvoll und zulässig sein.

Doch bei allen Aktivitäten auf dem Marktplatz sollte man immer vorsichtig sein und sowohl die Richtlinien des Konzerns im Blick halten als auch die allgemeinen Gesetze. Beispielsweise kann das doppelte Anlegen von eigentlich gleichen Artikeln auch nach hinten losgehen. Durch diese „Manipulation“ werden die Suchenden davon abgehalten, nach möglicherweise günstigeren Angeboten zu suchen und es liegt ein Wettbewerbsverstoß vor (OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 20.10.2016, Az.: I-4 U 80/16, bestätigt durch Urteil vom 12.01.2017).

Und umgekehrt: Wann kann man andere vom Anhängen abhalten?

Kommt man mit einem eigenen Listing durch, ist es nur folgerichtig, dass andere nichts von dem Kuchen abbekommen sollen. Die Shops haben in der Regel aber keinen Anspruch darauf, dass das von ihnen erstellte Listing ausschließlich von ihnen genutzt wird. Dies kann für Verkäuferinnen und Verkäufer, die viel Zeit und Geld in die Optimierung eines Listings investiert haben, frustrierend sein, wenn sich andere anhängen und von der Arbeit des ursprünglichen Erstellers profitieren. Allerdings gelten die eingangs erwähnten Grundsätze auch in umgekehrter Form. Hat man einen entsprechenden Artikel angelegt, kann man die Konkurrenz ausschließen, wenn es sich beispielsweise nicht um identische Produkte handelt.

Checkliste: Wann kann man andere Händler vom Anhängen abhalten?

  • Der angehängte Seller verkauft ein Produkt, das nicht identisch mit dem beschriebenen Artikel ist, was zu einer Irreführung führt.
  • Das Produkt ist durch eine eigene eingetragene Marke geschützt, und der anhängende Seller bietet das Produkt nicht unter dieser Marke an.
  • Es handelt sich um Fälschungen oder Nachahmungen.

Sanktionen

Seller, die sich auf Amazon registrieren, müssen die Geschäftsbedingungen und Richtlinien von Amazon akzeptieren. Wenn man gegen diese Richtlinien und Vorschriften der Plattform verstößt, kann dies schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen. Neben rechtlichen Schritten, wie Abmahnungen durch Konkurrenten oder Verbraucherschutzorganisationen, riskiert ein Unternehmen Schlimmeres: Sanktionen seitens Amazon. Diese reichen von temporären Verkaufssperren bis hin zur vollständigen Schließung des Verkäuferkontos. Verstöße gegen Amazons Vorschriften, etwa im Bereich Produktdarstellung, Kundenservice oder Markenrechte, werden streng geahndet, da Amazon großen Wert auf die Qualität und Sicherheit des Marktplatzes legt. Kontoschließungen können oft schwer rückgängig gemacht werden und bedeuten meist einen langwierigen oder dauerhaften Ausschluss vom Handel auf der Plattform.

Artikelbild: http://www.depositphotos.com

Veröffentlicht: 25.09.2024
img Letzte Aktualisierung: 25.09.2024
Lesezeit: ca. 8 Min.
Artikel weiterempfehlen
Yvonne Bachmann

Yvonne Bachmann

Expertin für IT-Recht

KOMMENTARE
1 Kommentare
Kommentar schreiben

Antiquariat Frank Dahms
01.10.2024

Antworten

Danke für diesen Beitrag. Die Theorie ist klar beschrieben, aber die Praxis sieht anders aus. Wir verkaufen auf Amazon gebrauchte Bücher und die Kunden lesen nicht immer, noch unsere Titelbeschreibung also den Zustand usw. Auch kommt es vor, dass der Ersteinstellende Fehler bei der Titelaufnahme hat und dieser dann auch bei unserem Buch steht. Bei anderen Plattformen, wo es kein "Anhägen" gibt, gibt es weniger Fehler und die Kunden sind zufriedener.