Wo gehobelt wird, da fallen Späne. So kommt es immer wieder zu Preisfehlern, die Kunden auszunutzen versuchen.
Die Drohung „Dann klage ich es ein!“ geht schnell über die Lippen, wenn man mal ein echtes Schnäppchen gemacht. Sei es der Staubsauger für 39 Euro statt 139 Euro oder das Tablet für 299 Euro statt 399 Euro. Verkäufern fällt diese Misere meist erst auf, wenn es zu spät ist und womöglich sogar der komplette Warenbestand – zum falschen Preis – verkauft wurde.
Einige Plattformen spezialisieren sich sogar auf solche Fehler (auch „error fares“ genannt) und teilen ihre Fundstücke, beispielsweise bei Flügen, freudig mit ihrer Community. Wie ist die Rechtslage, wenn ein Produkt bei Amazon zu einem falschem, meist (zu) niedrigen Preis angeboten wurde und der Kunde nun auf Lieferung besteht?
Hat Amazon/der Händler eine Lieferpflicht?
Zunächst ist im Falle eines Falles die Frage zu beantworten, ob tatsächlich ein verbindlicher Kaufvertrag geschlossen wurde, der zur Lieferung verpflichtet. Aufschluss geben die AGB des Verkäufers. Hier muss also zunächst geschaut werden, wer überhaupt der Anbieter ist, wenn man etwas auf der Plattform Amazon bestellt hat.
a) Amazon als Verkäufer
Wie und wann der Vertragsschluss bei einem Kauf direkt von Amazon vonstattengeht, regeln die Verkaufsbedingungen. Dort heißt es:
„Ihre Bestellung stellt ein Angebot an Amazon zum Abschluss eines Kaufvertrages dar. Wenn Sie eine Bestellung an Amazon aufgeben, schicken wir Ihnen eine Nachricht, die den Eingang Ihrer Bestellung bei uns bestätigt und deren Einzelheiten aufführt (Bestellbestätigung). […] Diese Bestellbestätigung stellt keine Annahme Ihres Angebotes dar, sondern soll Sie nur darüber informieren, dass Ihre Bestellung bei uns eingegangen ist. Ein Kaufvertrag kommt erst dann zustande, wenn wir das bestellte Produkt an Sie versenden und den Versand an Sie mit einer zweiten E-Mail oder einer Nachricht in Ihr Message Center in Ihrem Kundenkonto (Versandbestätigung) bestätigen. […]”. (Hervorhebungen durch die Redaktion)
Alleine der Eingang einer Bestellung bedeutet also noch nicht, dass das Schnäppchen in trockenen Tüchern ist. Der Kunde muss bangen, dass Amazon der Fehler nicht auffällt und der Versand bestätigt wird. Das sollte für Zweifelsfälle dann auch per Screenshot gesichert werden.
b) Ein Marktplatz-Händler als Verkäufer
Auch beim Kauf von einem Händler, der seine Produkte bei Amazon anbietet, muss die individuelle Regelung begutachtet werden. Dazu sollten sich in dessen AGB und Kundeninformationen (zu erreichen mit Klick auf den Verkäufernamen) ebenfalls vergleichbare Regelungen finden.
Mit der Bestellung bzw. Bestellbestätigung des Kunden kommt aber auch dort, wohlweislich, meist noch kein Kaufvertrag zustande, da die Angebote unverbindlich sind. Mit Anklicken der Schaltfläche „Jetzt kaufen“ etc. gibt der Kunde ein verbindliches Angebot beim Anbieter ab. Die Annahme des Angebots (und damit der Vertragsabschluss) erfolgt meist erst durch eine E-Mail von Amazon, in welcher dem Kunden der Versand der Ware durch den Anbieter bestätigt wird. Erst jetzt gibt es kein Zurück mehr.
c) Antwort
Beantwortet man die Frage „Ist ein verbindlicher Vertrag geschlossen?” mit Ja, besteht rein rechtlich gesehen auch eine Lieferpflicht, egal wie hoch oder niedrig der Preis war.
Darf Amazon einfach den höheren Preis verlangen?
Nein. Verlangt Amazon nach einem bereits erfolgten Vertragsschluss plötzlich ein höheres Entgelt, ist dies ein Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrages mit höherer Vergütung oder auf Aufhebung des alten Vertrages. Darauf muss der Kunde nicht eingehen. Der alte Vertrag hat trotz Preisfehler zunächst Bestand.
Hat der Vertrag in jedem Fall Bestand?
Es gibt zwei Gründe, in denen sich der Kunde nicht auf eine Lieferung zum niedrigen Preis berufen kann. Zum einen ist das ein Verstoß gegen Treu und Glauben und zum anderen eine Anfechtung.
a) Verstoß gegen Treu und Glauben
Es ist missbräuchlich, wenn der Käufer die fehlerhafte Preisangabe erkennt, die Vertragsdurchführung für den Händler aufgrund des viel zu niedrigen Preises (beispielsweise 29,90 Euro statt 2.990,00 Euro) jedoch schlechthin unzumutbar ist. Das bewusste Ausnutzen einer offensichtlich irrtümlichen Preisangabe in einem Online-Buchungssystem kann schon für sich genommen rechtsmissbräuchlich sein. Amazon wäre wegen des Verstoßes des Kunden gegen den Grundsatz von Treu und Glauben an sich dann nicht zur Lieferung der Ware verpflichtet. Dann muss der Fall jedoch ganz gravierend sein, wie das Beispiel zeigt.
Für Fälle, in denen der Fehler nicht ganz so eindeutig ist, könnte sich Amazon jedoch wie folgt behelfen.
b) Anfechtung
Aber auch nach Vertragsschluss gibt es eine Lösung für Amazon/den Händler, sich aus der Misere zu befreien. Händler, die Produkte versehentlich zu einem falschen Preis angeboten haben, können von einem Anfechtungsrecht Gebrauch machen, wenn sie im Irrtum waren und das Produkt zu diesem Preis überhaupt nicht anbieten wollten. Das können beispielsweise Tipp- oder Softwarefehler sein. Nicht zur Anfechtung berechtigt folgender Fall: Amazon muss den Preis nachträglich anpassen, weil beispielsweise das Produkt im Preis gestiegen ist.
Auf das Anfechtungsrecht kann sich Amazon jedoch nur berufen, wenn die Plattform die Anfechtung auch tatsächlich geltend macht. Dafür bestehen folgende Pflichten:
- Die Anfechtung hat „unverzüglich“, nachdem Amazon/der Händler von der falschen Preisauszeichnung Kenntnis erlangt hat, zu erfolgen.
- Die Erklärung kann formlos erfolgen.
- Die Anfechtung muss gegenüber dem Käufer erklärt werden, beispielsweise durch eine Mail mit dem Text „Aufgrund einer Systemstörung können wir Ihre Online-Bestellung leider nicht ausführen und stornieren diesen Auftrag“.
Als Folge einer wirksamen Anfechtung wird der Kaufvertrag aufgelöst und gilt als von Anfang an nichtig. Der Kaufpreis ist mangels eines Vertrages natürlich nicht zu bezahlen beziehungsweise wird erstattet.
Haben Kunden Schadensersatzansprüche?
Ja. Kunden, denen gegenüber ein Vertrag angefochten wurde, können einen Anspruch auf Schadensersatz gegenüber Amazon/dem Händler haben, der dadurch entstanden ist, dass diese auf den Bestand des Vertrages vertraut haben, sog. „Vertrauensschaden“ bzw. „negatives Interesse“.
Das wären beispielsweise Ausgaben, die zum Zwecke der Ausführung des für gültig gehaltenen Vertrages gemacht wurden. Kauft ein Kunde beispielsweise einen durch einen Preisfehler sehr preiswerten Staubsauger und besorgt sich hier bereits die entsprechenden Staubsaugerbeutel, kann diese dem Verkäufer als Schadensersatz in Rechnung stellen, wenn er den Staubsauger aufgrund der Anfechtung nie geliefert bekommt.
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