Amazon soll seine Marktmacht missbrauchen, um die Preise für Produkte zu diktieren. Marktplatz-Händler:innen würden unter Druck gesetzt, sodass sie ihre Produkte anderswo nicht günstiger verkaufen als bei Amazon. Gleichzeitig würden Hersteller mit eng gestrickten Verträgen dazu getrieben, Preise nach Amazons Vorstellungen zu gestalten und möglichst geringe Gewinnmargen in Kauf zu nehmen – in einem umfangreichen Bericht des Wirtschaftsmagazins Plusminus werden schwere Vorwürfe gegen Amazon Deutschland erhoben.
Das Magazin schildert den Fall des Händlers Christian Pietsch, der unter der Marke Gusti Leder Lederwaren in Deutschland verkauft. Einer der wichtigsten Vertriebskanäle ist dabei Amazon. Zufrieden ist er mit dem Marktplatz aber schon lange nicht mehr. Immer neue und höhere Gebühren, darüber hinaus steigende Ausgaben für Marketing, führen laut Pietsch dazu, dass der Verkauf auf Amazon für Händler:innen immer teurer werde.
Buy Box als Druckmittel
Gerade die Marketing-Ausgaben seien aber notwendig, denn Amazon erlaube es der Konkurrenz, Werbung auf den Suchbegriff „Gusti Leder“ zu schalten. Wer danach sucht, erhält also auch Suchergebnisse anderer Anbieter. „Das heißt, wir müssen jetzt Geld dafür bezahlen, dass, wenn man Gusti Leder sucht, man auch Gusti Leder findet“, so Pietsch. 56 Prozent des Erlöses für jedes verkaufte Produkt gehe laut Pietsch mittlerweile an Amazon. Um die Rentabilität zu erhöhen, müsse er also die Preise erhöhen.
Das große Problem: Wenn er das tut, dann müsste er auch die Preise auf anderen Kanälen – bei Gusti Leder sind das Zalando und Otto.de – erhöhen. Bietet er seine Produkte dort nämlich günstiger an als bei Amazon, dann werde er dort nicht mehr in der Buy Box gelistet, sagt er. Falls dieses Vorgehen wirklich zutrifft, könnte Amazon Probleme mit den Kartellbehörden bekommen. Früher hatte Amazon die Preisparitätsklausel, die es Händler:innen untersagte, Produkte woanders günstiger anzubieten. Um Sanktionen des Kartellamts zu entgehen, gab der Konzern diese Praxis auf. Wenn Amazon mit dem Entziehen der Buy Box nun aber wirklich dafür sorgt, dass der günstigste Preis nicht anderswo angeboten wird, dürfte sich das Kartellamt den Sachverhalt erneut anschauen.
Bestimmt Amazon den Preis?
Mit diesem Vorgehen würde Amazon letztlich dafür sorgen, die Preise künstlich hochzuhalten. Christian Pietsch beklagt, dass durch Amazons Druck das Produkt nicht zu dem Preis verkauft werden kann, zu dem man es theoretisch verkaufen könnte. Schon 2016 hat er damit begonnen, parallel zum Online-Geschäft auch stationäre Läden zu betreiben. Dort seien die Margen ohne den Druck von Amazon ungleich höher, sagt er.
Diese Methoden von Amazon bestätigt auch die Wirtschaftswissenschaftlerin Fiona Scott Morton von der Yale University in den USA. Wenn Händler:innen auf anderen Plattformen keine geringeren Preise anbieten können, bestimmt Amazon letztlich den Produktpreis – und verhindert damit günstigere Angebote. Eine ehemalige Amazon-Managerin bestätigt gegenüber Plusminus: „Amazon hat gar kein Interesse, dem Kunden einen guten Preis zu geben. Die haben nur ein Interesse, den Wettbewerbern das Geschäft wegzunehmen.“
Maßnahmenkatalog für Hersteller
Dem ARD-Magazin wurden darüber hinaus vertrauliche, interne Dokumente zugespielt, die verdeutlichen sollen, dass Amazon auch Hersteller unter Druck setzt. Diese müssen gewisse Prognosen oder Margen-Forderungen einhalten, ansonsten drohen bestimmte Sanktionen. Eine Anleitung mit verschiedenen Eskalationsstufen, die die Bezeichnung MRA trägt, soll Amazon-Manager dabei anleiten, wann welche Stufe „gezündet“ wird.
Zunächst würden etwa Marketing-Aktivitäten eingeschränkt. Im zweiten Schritt werde es der Konkurrenz erlaubt, Werbung auf den Markennamen des Unternehmens zu schalten. Das Ziel: Markenhersteller sollen ihre Produkte nicht woanders günstiger anbieten. Die letzte Eskalationsstufe sei die Entfernung aller Produkte des Herstellers vom Amazon-Marktplatz. Die ehemalige Amazon-Managerin, die im Plusminus-Bericht aus Angst vor Sanktionen anonym bleiben will, sagt, dass es letztlich darum gehe, „Hersteller in die Knie zu zwingen“. Die genannten Maßnahmen seien in dieser Form auch schon durchgeführt worden, sagt sie.
Amazon reagiert ausweichend
Gegenüber Plusminus hat sich Amazon bezüglich der MRA nur ausweichend geäußert: Amazon verhandele wie alle Einzelhändler mit Lieferanten. „Diese gängige Praxis fördert einen gesunden Wettbewerb im gesamten deutschen Einzelhandelsmarkt. Wir setzen alles daran, mit Lieferanten zu einvernehmlichen Vereinbarungen zu kommen und langfristige, nachhaltige Beziehungen aufzubauen.“ Gegenüber OHN gibt der Konzern die gleiche Antwort.
Auf OHN-Nachfrage äußert sich der Marktplatz ebenfalls nicht direkt auf die erhobenen Vorwürfe. Bezüglich dem Vorgehen bei von der Konkurrenz geschalteter Werbung erklärt eine Amazon-Sprecherin: <meta charset="utf-8">„Werbung neben den Marken anderer Unternehmen ist in der Werbung gang und gäbe. Sie kommt sogar in physischen Marketingkampagnen vor, z. B. durch die Platzierung von Werbetafeln oder anderen Schildern in unmittelbarer Nähe zum Standort eines Konkurrenten. Diese Praxis ist gut für die Kundinnen und Kunden – sie erhöht die Sichtbarkeit und bietet ihnen mehr Auswahlmöglichkeiten.“
Der Fokus liege auf dem Erlebnis der Kund:innen, dementsprechend würden Produkte für die Buy Box ausgewählt und dementsprechend zeige man auch Konkurrenzprodukte bei Suchanfragen an, die Kund:innen möglicherweise interessierten könnten - so jedenfalls die Amazon-Sichtweise. Konkret wird Amazon, angesprochen auf die Vorwürfe, nicht.
Artikelbild: http://www.depositphotos.com
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