Am 31.01.2019 hat das Oberlandesgericht München ein gravierendes Urteil für den E-Commerce gefällt.
Was in Fachkreisen schon längst vermutet wird, hat das Oberlandesgericht München nun bestätigt: Der Check-out von Amazon ist rechtswidrig.
Laut Gesetz muss der Käufer, bevor er die Bestellung absendet, noch einmal über alle wesentlichen Merkmale eines Produktes informiert werden. Das leistet Amazon – so wie viele andere Online-Shops – nicht. In der letzten Bestellübersicht wird lediglich der Name des Produktes so wie der Preis eingeblendet. Bei Kleidung kommen noch Größe und Farbe hinzu. Manchmal gibt es in der Übersicht noch einmal eine Verlinkung zur Produktseite.
So geht das nicht, entschieden nun die Richter am Oberlandesgericht und wenden dabei ein (mittlerweile) realitätsfernes Gesetz korrekt an.
Aus den Anfängen des Online-Handels
Als der Online-Handel gestartet ist, war das Thema E-Commerce für das Gesetz, aber auch die Verbraucher noch Neuland. Welche Rechten und Pflichten für beide Seiten bestehen, orientierte sich noch am klassischen Kaufvertrag, wie er im stationären Handel getätigt wird. Schnell wurde aber klar: Zwischen der Online- und der realen Welt gibt es große Unterschiede. Zum einen kann der Verbraucher die angebotene Ware durch seinen Bildschirm nicht prüfen oder anprobieren, zum anderen können Händler im Netz leichter tricksen. Um dem Ganzen entgegen zu wirken, wurden die Verbraucherrechte im Fernabsatzgeschäft geschaffen. Der Verbraucher soll vor dem unbekannten gesichtslosen Händler aus dem Netz geschützt werden – und vor sich selbst.
Das mag damals, als der Online-Handel für uns alle etwas komplett Neues war, auch nötig gewesen sein. Mittlerweile haben sowohl Händler als auch Verbraucher aber ganz schön aufgeholt. Die Angebote der Händler werden innovativer, die Verbraucher selbstbestimmter und der Gesetzgeber hat es irgendwie verpennt.
Wesentliche Merkmale – was ist das überhaupt?
Laut Gesetz müssen Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrages über alle wesentlichen Merkmale des Produktes informiert werden. Unmittelbar bedeutet an dieser Stelle nicht zwei Klicks vorher auf der Produktseite und auch nicht quasi nebenher durch eine Verlinkung. Unmittelbar meint, auf der Bestellübersicht, wo sich auch der Button zum kostenpflichtigen Bestellen befindet.
So weit so gut.
Das mag in den beiden beispielhaften Fällen, die das Oberlandesgericht München in seinem Urteil zu entscheiden hatte, noch recht einfach sein: Es ging dabei um ein Kleid und einen Sonnenschirm. Die wesentlichen Merkmale eines Kleides sind die Stoffzusammensetzung, Größe und Farbe; die eines Sonnenschirmes das Gewicht, die Farbe und das Material, aus dem Schirm und Ständer sind.
Wie sieht es aber beispielsweise bei einem PC aus? Für den einen mag lediglich das vorinstallierte Betriebssystem wesentliches Merkmal sein; für den passionierten ITler darf die Liste an wesentlichen Merkmalen gern mal Punkte im dreistelligen Bereich aufzählen.
Man benötigt keine große Vorstellungskraft, um zu wissen, wie unübersichtlich die Bestellübersicht bei so einer langen Liste werden soll.
Der unmündige Verbraucher
Dem Gericht kann – wie erwähnt – kein Vorwurf gemacht werden: Es wurde lediglich die verbraucherschützende Norm des Gesetzgebers angewendet. Und genau dieser ist jetzt auch gefragt, denn: Die Zeit, in der der Verbraucher im Netz vor sich selbst geschützt werden muss, ist vorbei. Man kann dem Verbraucher durchaus zutrauen, zu wissen, welche Produkte er sich in den Warenkorb gelegt hat. Auch kann man es ihm zumuten, bei der letzten Kontrolle seiner Bestellung im Notfall noch einmal auf die Produktseite zu schauen, um Irrtümer auszuschließen. Für den Verbraucher ist Online-Shopping mittlerweile nämlich absolut kein Neuland mehr. Jeder, der sich im Internet bewegt, weiß, was passiert, wenn er online eine Bestellung abgibt. Was als Brücke zwischen dem Online-Handel und dem stationären Handel gedacht war, ist mittlerweile eher eine Krücke: So führt das OLG München aus, dass der Verbraucher durch die Darstellung der Merkmale in der Bestellübersicht wie im stationären Handel am Kassenband noch einmal die Möglichkeit haben soll, final die ausgewählten Produkte zu überprüfen. Das Problem: Hat er es eilig, ist das komplett egal. Dann wird der Verbraucher im Zweifel erst zu Hause den Fehlkauf bemerken. Hat der Verbraucher hingegen Zeit, wird bereits am Ladenregal die Ware genau begutachtet. Mit dem Kassenband – oder eben dem Check-out – hat eine übereilte Kaufentscheidung herzlich wenig zu tun.
Auch das Argument des bösen unbekannten Verkäufers zieht nicht mehr: Einer der Gründe, warum es nicht reicht, eine Verlinkung zu den wesentlichen Merkmalen in der Bestellübersicht einzubauen, ist nämlich der, dass der „böse” Verkäufer zwischendurch ja die Daten ändern könnte, so dass der Verbraucher das gar nicht mitbekommt. Klingt ein wenig nach dem Wolf und den sieben Geißlein. Sicherlich gibt es so manchen kreidefressenden Händler, der sich als Mutter Ziege ausgibt – die Vergangenheit hat doch aber gezeigt, dass die große Mehrheit der Online-Händler die neue Technik des Internets nicht dafür nutzt, den Verbraucher so gut es geht auszunehmen.
Kommentar schreiben
Antworten
Ihre Antwort schreiben
Antworten
Kurzum: Ich kann keine Konsequenzen aus dem Urteil erkennen :/
Ihre Antwort schreiben