Amazon könnte einen aktuellen Fall zum Anlass nehmen, transparenter gegenüber Händlern zu werden.
Der Fall, der gerade vor dem Landgericht Hildesheim verhandelt wurde, ist schnell erzählt: Einer Händlerin wurde das Konto durch Amazon gesperrt. Als Grund gab das Unternehmen manipulierte Rezensionen an. Allerdings wurde nicht gesagt, welche Rezensionen manipuliert worden seien. Die Sellerin erstritt daher eine einstweilige Verfügung zur Entsperrung des Kontos vor dem Landgericht Hildesheim. Dieses stellte auch gleich fest, dass eine Klausel zur Kontosperrung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon unwirksam ist.
Unangemessene Benachteiligung
Konkret geht es um eine Klausel im Amazon Services Europe Business Solutions Vertrag, die Amazon berechtigt, den Vertrag mit dem Seller jederzeit und ohne Angabe von Gründen unverzüglich zu beenden. Diese Klausel stellt nun, laut Ansicht des Gerichts, eine unangemessene Benachteiligung dar und ist deshalb nach § 307 BGB unwirksam. „Natürlich steht es Amazon vor dem Hintergrund der Vertragsfreiheit frei, den Vertrag mit einem Verkäufer ordentlich zu kündigen. In diesem Fall müsste Amazon jedoch bestimmte Fristen einhalten und könnte den betroffenen Händler nicht einfach rauswerfen und erst Recht kein Guthaben einbehalten“, heißt es dazu vom Gericht. Das Gericht bestätigt so gesehen den häufigen Vorwurf der Willkür.
Chance zu mehr Transparenz
Gegen die Verfügung des Gerichts kann Amazon noch vorgehen. Unabhängig vom Ausgang sollte sich Amazon diese Entscheidung dennoch zu Herzen nehmen. Um zu sehen, wie unfair diese Klausel ist, bedarf es keines Jura-Studiums. Wobei ein Leitsatz aus dem Studium hier durchaus hilfreich ist: Bei besonders kniffligen Rechtsfragen soll sich der Jurist die Frage stellen: „Was würde Mutti sagen?” Bei dieser Frage geht es schlicht darum, heraus zu finden, was an einem Fall schief ist. Zumeist ist das Gerechtigkeitsempfinden der Durchschnittsmutter nämlich zumindest von der Richtung her nicht falsch.
Ja, was würde denn Mutti nun sagen?
Übertragen wir das Ganze doch einmal aufs Arbeitsrecht, denn hier ist der Arbeitnehmer ähnlich abhängig vom Arbeitgeber wie der Händler von Amazon: Man stelle sich mal vor, der Arbeitgeber könnte von heute auf morgen ohne Angabe von Gründen den Vertrag kündigen und den Arbeitnehmer umgehend auf die Straße setzen. Unvorstellbar, nicht wahr? Genau dieses Recht räumt sich aber Amazon ein. Also ich wüsste, was meine Mutter zu so einem Verhalten sagen würde. Allerdings wäre ihre Aussage alles andere als zitierfähig.
Wie sähe eine gültige AGB-Klausel aus?
Natürlich ist es verständlich, dass der Arbeitgeber Angestellte, die sich prinzipiell nicht an die Regeln halten und mehr Schaden als Nutzen anrichten, schnellstmöglich loswerden möchte. Für besonders schwere Fälle gibt es das außerordentliche Kündigungsrecht. Ein solches könnte auch Amazon in seine AGB aufnehmen. Das wäre auch gut für die Seller, denn so wüssten sie, dass der plötzliche Rauswurf nur bei schweren Regelverstößen und nicht – wie aktuell – grundlos droht.
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