Tim Bray, Vize-Chef von Amazons Cloud-Sparte, tritt wegen Amazons rigider Maßnahmen gegen kritische Mitarbeiter zurück und findet dafür drastische Worte.
„Gift“, „verachtet“, „wie Dreck behandelt“ – das sind Worte, die eine von Amazons höchsten Führungskräften nutzt, um die Lage bei Amazon und das Vorgehen des Online-Riesen gegen kritische Mitarbeiter zu beschreiben. Der Mann ließ den Worten in seinem Blog auch Taten folgen und kündigte aus Protest gegen Amazons umstrittene Personalpolitik, wie der Guardian berichtet. Es ist auch nicht irgendwer, der da hinschmeißt: Tim Bray war Vice President von Amazons überaus wichtiger Cloud-Sparte Amazon Web Services. Bray hat außerdem unter anderem die Computersprache XML (Extensible Markup Language) mitentwickelt. Was treibt ihn, nach über fünf Jahren so einen Posten aufzugeben?
Darum hat der Vize-Chef der Cloud-Sparte gekündigt
Bray protestiert so vor allem gegen Amazons jüngste Maßnahmen gegen Kritiker aus den eigenen Reihen. Der E-Commerce-Riese hatte zuletzt zwei Web-Designerinnen und einen Mitarbeiter aus einem US-Logistikzentrum gefeuert. Diese hatten Amazon unter anderem vorgeworfen, in der Coronakrise zu wenig für den Schutz der Mitarbeiter zu tun. „Ich kündige, bestürzt darüber, wie Amazon Whistleblower entlässt, die darauf aufmerksam machen, wie Lagerarbeiter Angst vor Covid-19 haben“, schreibt er in seinem Blog. Bray habe das Problem zunächst auch intern und „und nach Vorschrift“ angesprochen – jedoch ohne Erfolg. „AWS-Vizepäsident zu bleiben, hätte bedeutet, dass ich Aktionen hätte absegnen müssen, die ich eigentlich verachte.“ Amazons Feuern der Informanten sei ein „Beweis für eine Ader der Toxizität, die durch die Unternehmenskultur verläuft. Ich entscheide mich dafür, dieses Gift weder zu servieren noch zu trinken.“
„Arbeiter werden wie Dreck behandelt“
Der gebürtige Kanadier kritisiert jedoch nicht nur Amazons Reaktion während der Corona-Pandemie, sondern die generelle Personalpolitik des Konzerns – vor allem in Bezug auf die Angestellten in den Logistikzentren. „Es geht darum, dass Amazon die Menschen in den Lagerhäusern als ersetzbare Einheiten behandelt. Aber das ist nicht nur bei Amazon so – so läuft der Kapitalismus des 21. Jahrhunderts.“ Die Arbeiter würden wie „Dreck“ behandelt.
Doch Bray findet auch lohnende Worte – nämlich für seinen eigenen ehemaligen Unternehmensbereich. AWS sei insgesamt eine „ethische Organisation“, deren Führung er bewundere. Sein Job sei der beste gewesen, den er je hatte. Seine Kündigung mit Symbolcharakter kommt den Top-Mann nach eigenen Angaben teuer zu stehen: Wahrscheinlich werde er so über eine Million US-Dollar verlieren. „Ich bin traurig, aber ich atme freier“ – so die letzten Worte seiner Erklärung.
Amazon hat auf diverse Medienanfragen zu dem speziellen Fall noch nicht reagiert. Mit Brays aufsehenerregendem Abgang dürfte sich aber der Fokus auf Amazons Umgang mit kritischen Mitarbeitern auf allen Ebenen verschärfen.
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