Amazon kann die geplante E-Privacy-Verordnung der EU gezielt beeinflussen, wie ein jetzt geleaktes Dokument von 2017 zeigen soll.
Mit der E-Privacy-Verordnung (EPV) will die EU-Kommission die Privatsphäre von Internetnutzern besser schützen. Sie ist allerdings noch nicht da: Die EU-Mitgliedstaaten ringen seit 2017 um eine endgültige gemeinsame Position und Formulierung. Und dabei mischt auch Amazon kräftig mit, wie Politico berichtet. Das Portal verweist dabei auf interne geleakte Dokumente aus dem Jahr 2017, die das belegen sollen.
Demnach konnte Amazon durch seine Lobbyisten in der EU erheblich Einfluss auf die Gestaltung der Verordnung nehmen. „Unsere Kampagne hat dafür gesorgt, dass der E-Privacy-Vorschlag keine breite Unterstützung im Europäischen Parlament erhalten wird. Unser Ziel ist es, die Verhandlungsposition des Parlaments gegenüber dem Rat zu schwächen, der den Bedenken der Industrie eher wohlwollend gegenübersteht“, soll es im Dokument heißen.
„Amazon hat systematisch versucht, die E-Privacy-Verordnung abzuschwächen und zu verzögern. Gerade der Rat der EU gilt unter Lobbyisten offenbar als industriefreundlich. Deshalb setzte Amazon darauf, Vertreter*innen der Mitgliedstaaten im Rat für sich zu gewinnen, um fortschrittliche Positionen des Parlaments zu blockieren“, erklärt Max Bank von der Initiative Lobbycontrol.
Darum will Amazon die E-Privacy-Verordnung mitbestimmen
Ein grundlegende Ziel Amazons sei laut Dokument „auf eine weniger restriktive Formulierung der Zustimmung und auf die Einführung von berechtigtem Interesse und Pseudonymisierung im Text zu drängen“ – das würde in der Folge bedeuten, dass Unternehmen einen größeren Spielraum bei der Sammlung und Nutzung von personenbezogenen Daten hätten, so Politico. Für Amazon – wie auch den Großteil der Online-Unternehmen – sind die Nutzerdaten entscheidend für das Geschäft, etwa bei personalisierter Werbung oder auch den Produkten, die Amazon den Seitenbesuchern vorschlägt. Pikant: Amazon musste in Frankreich gerade erst eine Millionenstrafe zahlen, weil es gegen die gesetzlichen Regelungen beim Cookie-Setzen verstoßen hat – auch darum geht es bei der anstehenden E-Privacy-Verordnung. „Eine Verzögerung der E-Privacy-Verordnung bedeutet, dass der Datenschutz für Nutzerinnen und Nutzer von Plattformen wie Amazon weiterhin unzureichend bleibt“, warnt Bank.
Amazon-Lobbyisten sollen sich außerdem unter anderem mit Mitgliedern der Ministerien in Madrid, Rom und Paris getroffen haben und dabei nach eigener Aussage erfolgreich gewesen sein: So würde sich Spanien „jetzt öffentlich gegen den Vorschlag aussprechen und mit unseren Ansichten übereinstimmen“, soll es im Dokument heißen. Auch Italien würde diesem Beispiel folgen. Die Lobbyisten sollen auch an privaten Gesprächen mit Telekommunikationsattachés aus Dänemark, Deutschland, Lettland und Portugal teilgenommen haben.
Amazon hat zu dem Bericht noch keine Stellung genommen.
Laut der Initiative Lobbycontrol habe Amazon eigene Lobbybüros in den für Amazon wichtigen Märkten wie Brüssel und Washington und ist außerdem Mitglied in diversen Verbänden, die auch gemeinsam Lobbyarbeit betreiben. In Brüssel seien zehn LobbyistInnen im Auftrag Amazons unterwegs. Im Jahr 2019 hat der E-Commerce-Riese laut Lobbycontrol allein in Brüssel bis zu zwei Millionen Euro für Einflussnahme auf die Politik ausgegeben, in den USA 16,14 Millionen US-Dollar.
„Amazon will strengere Wettbewerbsregeln verhindern, damit sie ihre Gatekeeperfunktion behalten“
„Amazon und Co. haben gemeinsame Interessen bei den anstehenden Regeln für digitale Plattformen (Digital Services Act und Digital Markets Act). Sie wollen strengere Wettbewerbsregeln verhindern, damit sie ihre Gatekeeperfunktion behalten und kleine und mittlere Unternehmen weiter von ihnen abhängig bleiben. Wir sind besorgt, dass die geballte Lobbypower dazu führt, dass die wichtigen anstehenden neuen Regeln verwässert werden“, sagt Max Bank von Lobbycontrol.
Laut Lobbycontrol konnte Amazon schon 2013 bei der Erstellung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) punkten: Änderungsanträge und Passagen, die von Amazon eingebracht wurden, sollen teilweise wortwörtlich von den Abgeordneten des Europa-Parlaments übernommen worden sein.
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