Amazon muss sich vor einem US-Gericht verantworten. 

Bereits im September wurde die Klage der FTC (Federal Trade Commission) vor dem Bezirksgericht in Seattle eingereicht, die Details wurden allerdings erst vor Kurzem bekannt, wie Reuters berichtete. Nach Angaben der FTC soll Amazon gegen zahlreiche Wettbewerbsvorschriften verstoßen haben.

Unter anderem soll Amazon die Preise bewusst in die Höhe getrieben und Suchresultate mit Absicht verschlechtert haben, damit möglichst viel Werbung ausgespielt wird, an welcher Amazon verdient. Amazon-Gründer Jeff Bezos soll seinen Managern gezielt befohlen haben, viel irrelevante Werbung zwischen den Suchergebnissen zu akzeptieren. So sollten Händler:innen dazu gedrängt werden, Werbeplätze für ihre Ware buchen zu müssen, damit sie eine Chance haben, in der Suche gefunden zu werden. 

„Project Nessie“

Laut der Berichte habe Amazon einen geheimen Algorithmus unter dem Namen „Project Nessie“ entworfen, mit dem vorhergesagt werden kann, welche Online-Shops der Amazon-Preiserhöhung folgen werden. 

Durch Project Nessie sollen in den Jahren 2016 bis 2018 insgesamt eine Milliarde Dollar mehr eingenommen worden sein, so die FTC. Das Projekt sei intern als unglaublicher Erfolg gefeiert worden. Im April 2018 habe Nessie den Preis von acht Millionen verkauften Produkten bestimmt. Zwischendurch soll der Algorithmus immer wieder deaktiviert worden sein - aus Angst, das Vorgehen könnte auffallen. Seit 2019 kam Nessie demnach nicht mehr zum Einsatz, allerdings wurde eine neuerliche Anwendung wohl immer wieder in Erwägung gezogen. 

Außerdem soll ein weiterer Algorithmus genutzt worden sein, der sicherstellt, dass Amazon nie als Erstes die Preise senkt, wie Heise berichtete. Sobald ein Konkurrent einen Preis senkte, wurde dieser auf den Cent genau von Amazon übernommen. So wurde dafür gesorgt, dass Mitbewerber keinen Umsatz durch Preissenkungen machen können, da Verbraucher:innen für den gleichen Preis bei Amazon bestellen können. Durch dieses Vorgehen soll Amazon Mitbewerber dazu gebracht haben, komplett auf Preissenkungen zu verzichteten. Die steigenden Preise seien intern Grund zur Freude gewesen. 

Amazon weist Vorwürfe zurück

Amazon hat die Vorwürfe über Firmensprecher Tim Doyle bereits zurückgeworfen. Den Aussagen zufolge habe die FTC die Algorithmen „grob falsch charakterisiert“.

Nessie soll lediglich eingesetzt worden sein, um zu verhindern, dass die Preise so niedrig werden, dass sie nicht mehr tragbar seien, so Doyle. Es sollte verhindert werden, dass der Preisabgleich zu ungewöhnlichen Ergebnissen führt.

Drängen zu Amazon-FBA

Daneben soll Amazon seine Händler:innen dazu gedrängt haben, Fullfillment by Amazon zu nutzen. Händler:innen, die ihre Produkte über Amazon Prime anbieten wollen, sind gezwungen, die Lagerung, das Verpacken und Versenden über Amazon abzuwickeln (Fullfilment by Amazon, kurz FBA). Dafür müssen die Händler:innen Gebühren an Amazon zahlen. Nach internen Dokumenten sind diese von 28 Prozent im Jahr 2014 auf fast 40 Prozent im Jahr 2018 gestiegen. 

2015 soll es einigen Händler:innen möglichen gewesen sein, die Logistik selbst zu übernehmen und nicht FBA zu nutzen und dennoch ihre Waren über Prime anzubieten. Als dies bei Händler:innen und Kund:innen sehr gut ankam, hat Amazon den Wettbewerbsdruck zu spüren bekommen. Denn die Händler:innen nutzten ihr eigenes Lager oder griffen auf preiswerte Logistikanbieter zurück. Amazon stoppte daraufhin die Möglichkeit wieder. Der Konzern selbst begründete dies mit schlechten Erfahrungen. 

Aber auch Verbraucher:innen sollen Prime-Abos aufgedrängt worden sein. Dazu soll Amazon ein manipulativ, nötigendes und irreführendes User-Interface Design nutzen (sogenannte Dark Patterns), wie Onlinehändler-News bereits im Juni berichtete. Das Kündigen des Programms werde verkompliziert, der Vertragsschluss hingegen sei mit wenigen Klicks möglich. Dieser Vorwurf wird in der jetzigen Klage wiederholt. 

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Verstecke Informationen und Absprachen mit Walmart

Die FTC wirft Amazon außerdem vor, der Kartellbehörde Informationen zu verschweigen. Dazu soll Amazon absichtlich die Messenger-App Signal nutzen, da diese eine Funktion hat, Nachrichten verschwinden zu lassen. Amazon gibt an, die Kommunikation zur Geschäftstätigkeit von Juni 2019 bis Anfang 2022 vernichtet zu haben. 

Amazon soll es großen Online-Shops wie Walmart zudem verboten haben, ihre Waren auf Amazon anzubieten. Angesprochen auf die Andersbehandlung von Walmart im Vergleich zu anderen Händler:innen sagte Bezos: „Es ist einfach anders, wegen der Größenordnung und wegen der Wettbewerbssituation und so weiter.“ 

In der Klage wird überdies behauptet, dass Amazon dafür gesorgt habe, dass Walmart Rabatt anbietet, wenn Online-Einkäufe von der Kundschaft in der Filiale abgeholt werden. Eine Stellungnahme seitens Walmart gibt es diesbezüglich nicht. Ein Amazon-Verkäufer, der in der Klage zitiert wird, gab allerdings an, aufgrund des hohen Drucks seitens Amazon immer absolut sicherzustellen, dass Produkte bei Walmart nicht günstiger angeboten werden als auf Amazon. 

An die Klage der Wettbewerbsbehörde haben sich zahlreiche Bundesstaaten der USA angeschlossen.