Fire TV soll es offenbar bald überall geben. Amazon bringt das Betriebssystem samt zugehöriger Geräte offensiv unter die Leute. Ob das gut geht, ist eine andere Frage. Denn in der Unterhaltungselektronik spielt auch Image eine Rolle.
In der US-Sitcom „Scrubs" – übrigens nach wie vor sehr empfehlenswert – gibt es die wunderbare Szene, in der der Protagonist JD seinen Mentor Dr. Cox zu Hilfe holt, weil er sich über die richtige Dosierung eines Medikaments unsicher ist. Dr. Cox erklärt JD daraufhin in seiner unnachahmlichen Art, dass er den Mund der Patientin öffnen, eine Handvoll Tabletten reinwerfen solle und was auch immer drin bleibt, das ist die richtige Dosis. Jahre habe ich diese Szene nicht mehr gesehen und als sie mir einfiel – irgendwo weit hinten im Gedächtnis abgespeichert – überlegte ich zunächst fieberhaft, woher mir die Szene eigentlich bekannt ist. Das Gedächtnis wusste nur noch in etwa: Nimm ganz viel und was am Ende haften bleibt, ist die richtige Menge.
Was auch immer haften bleibt
Warum erzähle ich das so ausführlich? Weil die Erinnerung getriggert wurde, als Amazon im Vorfeld der IFA die Fire TV Editions in Kooperation mit Grundig präsentierte. Und die Kooperation mit MediaMarktSaturn. Und die Kooperation mit Anker. Und das deutsche Release des Fire TV Cube. Fire TV und Alexa überall, egal wo, so lautet das Motto. Das ist nicht neu, seit Jahren versucht Amazon alles, Alexa allgegenwärtig zu machen. Schon in den letzten beiden Jahren konnte man auf der IFA kaum zwei Schritte gehen, ohne vor „Powered by Alexa"-Claims sicher zu sein. Spätestens 2019 muss man sich aber fragen, welche Strategie Amazon eigentlich verfolgt und wen man damit ansprechen will. Die Antwort lautet wohl: Einfach alle.
Seit Jahren soll Fire TV als TV-Betriebssystem etabliert werden, der Erfolg ist bislang durchwachsen. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass Samsung, LG, Sony oder Panasonic eigene Lösungen haben und diese nicht aufgeben wollen – oder mit ihren Android- (Sony) und Firefox- (Panasonic) Lösungen sehr zufrieden sind. Wenn die Big Player nicht wollen, sucht man eben in der zweiten Reihe nach Partnern. In den USA gibt es seit dem vergangenen Jahr Fernseher von Toshiba und Insignia, in Deutschland sollen nun Grundig und die MediaMartkSaturn-Eigenmarke „ok." den Durchbruch bringen.
Lieber beliebig?
Allerdings spielt Grundig auch im deutschen TV-Markt nur eine untergeordnete Rolle und die Eigenmarken von MediaMarktSaturn sind bewusst im Budget-Bereich angesiedelt. Dagegen ist freilich nichts zu sagen, auch nicht dagegen, dass Grundig die Fire-TV-Editionen eher in der Mittelklasse ansiedelt. Amazon geht hier klar auf Kampfpreis, um Anteile zu gewinnen, genau wie bei der vergleichsweise günstigen Soundbar von Anker und beim für einen Mediaplayer sehr günstigen Fire TV Cube. Das ist Amazons gutes Recht und das ist schließlich gute Amazon-Tradition. Sämtliche Technik, die Amazon über die Jahre entwickelt hat, zeichnete sich an erster Stelle durch günstige Preis, nie durch bahnbrechende Technik aus.
Wenn aber alles, was nicht bei Drei auf den Bäumen ist, zur Fire TV Edition wird, dann wird die Marke beliebig. Dieser Gedanke scheint Amazon aber nicht weiter zu stören. Je mehr Fire TVs wo auch immer im Einsatz sind und je allgegenwärtiger Alexa ist, desto allgegenwärtiger ist Amazon in den Wohnzimmern der Welt. Desto mehr festigt sich aber auch ein unschönes Ramsch-Image. Ob das langfristig gut für die Verkäufe ist, muss sich zeigen. Amazon ist groß und stark genug und kann mit Fire TVs um sich werfen, der Expansion des E-Commerce-Goliaths dürfte es kaum einen Abbruch tun, selbst wenn die Strategie nach hinten los geht. Das Fire Phone hat schließlich damals auch nicht weh getan. Die Älteren werden sich erinnern.
Ob die Kooperation für Grundig auf der anderen Seite einen positiven Effekt hat, das wird spannend zu beobachten sein, denn das Traditionsunternehmen wagt sich hier aufs Drahtseil. Nachdem Loewe im Sommer in die Insolvenz rutschte, ist Grundig die letzte große deutsche Elektronik-Eiche. Ob ausgerechnet die Aussicht auf Amazon-Mikrofone im Wohnzimmer treue Kunden überzeugt, ist mindestens zweifelhaft.
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Amazon setzt Bier also auf Nostalgie (Name vielen noch bekannt) und gleichzeitig maximale Kosteneffizienz (der türkische Nameninhaber dürfte sicher deutlich günstiger fertigen lassen als echte Markenherstelle r).
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