1. Lagernetzwerk und autonome Helferlein
2. Eigene Zusteller, um die letzte Meile zu dominieren
3. Paketzustellung von Privatpersonen: Amazon Flex
4. Amazon Locker: Angriff auf die Deutsche Post DHL
5. Amazon Key: Von der Lachnummer zum Erfolgskonzept?
6. Lebensmittel schnell per Amazon Fresh
7. Amazon Prime Now: Tausende Produkte in 60 Minuten
Amazon hat sich in wenigen Jahren vom Online-Händler auch zum Logistiker gemausert. Wir werfen einen Blick auf die Projekte des E-Commerce-Giganten.
Lagernetzwerk und autonome Helferlein
Amazon hat sich zum Ziel gesetzt, seine Kunden innerhalb kürzester Zeit zu beliefern. Um das zu erreichen, baut der Online-Händler seine Präsenz weltweit immer mehr aus. Inzwischen hat der Konzern über 175 Logistikzentren auf der ganzen Welt, über 40 in Europa. 13 davon befinden sich in Deutschland. Dabei fing alles ganz klein an. Im Jahr 1995 startete der erste Produktversand in den USA aus einer Garage heraus. Je größer das Unternehmen wurde, desto mehr musste der Konzern natürlich auch in die Lagerung investieren. Inzwischen haben die von Amazon betriebenen Logistikzentren eine Größe zwischen 37.000 bis 110.000 Quadratmetern. Weltweit werden mehr als 250.000 Mitarbeiter in den Zentren beschäftigt. An den zwölf deutschen Standorten (Bad Hersfeld, Brieselang, Graben, Koblenz, Leipzig, Pforzheim, Rheinberg, Werne, Frankenthal, Winsen, Dortmund und Mönchengladbach) stehen über 13.000 Angestellte auf Amazons Gehaltsliste.
Längst schon setzt Amazon in den Logistikzentren aber nicht nur auf rein menschliche Ressourcen. Bereits seit 2012 setzt der Online-Händler Roboter ein, um die Mitarbeiter zu unterstützen. Verteilt auf insgesamt 26 Lager weltweit, kommen rund 100.000 Transportroboter, 30 Palettierroboter und sechs Robo-Stows zum Einsatz.
Amazon setzt viel daran, die Arbeit in seinen Verteilzentren nicht nur zu automatisieren, sondern auch für die Angestellten interessanter zu machen. Im Mai vergangenen Jahres wurde bekannt, dass man mithilfe von Gamification die teilweise eintönige Arbeit aufregender gestalten will. In Seattle und der britischen Stadt Manchester wurden bereits Bildschirme an den Arbeitsstationen angebracht, auf denen die Arbeitnehmer gegen Drachen kämpfen, ein Wettrennen veranstalten oder eine Burg bauen können. Je mehr Pakete gepackt werden, desto weiter bzw. höher geht es in den jeweiligen Spielen.
Im Jahr 2017 kaufte der Online-Riese heimlich, still und leise das Roboter-StartUp Dispatch und präsentierte zwei Jahre später – Anfang Januar 2019 – dank der erworbenen Technik seinen eigenen kleinen Lieferroboter mit Namen Scout der Öffentlichkeit. Das kleine blaue Lieferfahrzeug auf sechs Rädern hat seine Arbeit bereits im US-Bundesstaat Kalifornien aufgenommen. Hier erhalten ausgewählte Prime-Kunden ihre bestellten Sendungen von Scout, allerdings noch mit Unterstützung eines menschlichen Mitarbeiters, dem sogenannten Amazon Scout Ambassador.
Eigene Zusteller, um die letzte Meile zu dominieren
Verlassen die Päckchen die Logistikzentren von Amazon, war die Arbeit des Online-Händlers noch bis vor wenigen Jahren vorerst getan. Die Sendungen wurden an die dafür zuständigen Zustellunternehmen übergeben und auf die Reise geschickt. In den letzten Jahren hat sich Amazon aber immer mehr angeschickt, die letzte Meile selbst zu übernehmen. Unter dem Namen Amazon Logistics baut sich das Unternehmen eine immer größere Flotte an eigenen Zustellern auf und liefert auch hierzulande bereits selbst aus, um weitestgehend unabhängig von den großen Paketdienstleistern zu werden. Wie ernst es Amazon damit ist, zeigt eine Offerte des Konzerns: In den USA bot man seinen Angestellten ein Startkapital von 10.000 US-Dollar an, wenn diese ihren Job kündigen und dafür ein eigenes Zustellunternehmen gründen. Mit seinen Bemühungen scheint der Konzern aber durchaus Erfolg zu haben. Bereits jetzt soll Amazon in den USA mit 48 Prozent über die Hälfte seiner Sendungen selbst zustellen. Vor zwei Jahren waren dies noch 15 Prozent. Es beweist, dass die Luft für traditionelle Paketdienste langsam dünner wird.
Paketzustellung von Privatpersonen: Amazon Flex
Eine dieser Bemühungen ist unter dem Namen Amazon Flex bekannt. Im Zuge dieser Dienstleistung bezahlt der Konzern Privatpersonen für die Paketzustellung mit dem eigenen Pkw. Die Fahrer sind unabhängige Auftragnehmer, die sich ihre Arbeitszeiten völlig frei einteilen können. Amazon verlangt von seinen flexiblen Paketzustellern ein Smartphone mit bestimmten Anforderungen (unter anderem eine integrierte Kamera zum Scannen) sowie einen Mittelklassewagen. Außerdem muss sich jeder potenzielle Fahrer einer Hintergrundprüfung unterziehen. Anschließend kann sich der Zusteller seine gewünschten Zustellblöcke reservieren und Pakete zustellen. Amazon verspricht bei ordentlicher und zeitgemäßer Auslieferung 25 Euro pro Stunde. Die Zustellung mit Amazon Flex sieht der Online-Händler als flexible Möglichkeit, in der Freizeit etwas Geld dazuzuverdienen. Allerdings rät das Unternehmen davon ab, diesen Dienst als Vollzeitstelle einzuplanen. „Die verfügbaren Zustellblöcke können von Woche zu Woche schwanken und werden nicht garantiert“, so die Erklärung des Unternehmens in den FAQs zum Lieferdienst. Amazon Flex ist hierzulande bisher in 13 Städten verfügbar, unter anderem Berlin, München, Aachen, Leipzig und Erfurt.
Der YouTuber „teebro“ hat im Oktober 2019 für einen Tag Amazon Flex getestet und eine 3-Stunden-Schicht als Zusteller absolviert. In dieser Zeit musste er 50 Sendungen zustellen, schaffte die Auslieferung der Pakete allerdings nicht im vorgegebenen Zeitfenster. Seine ganzen Erfahrungen mit dem Zustelldienst hat er im folgenden Video zusammengefasst:
Amazon Locker: Angriff auf die Deutsche Post DHL
Und noch in einem weiteren Bereich gräbt Amazon hierzulande den KEP-Dienstleistern – in diesem Fall hauptsächlich der Deutsche Post DHL Group – das Wasser ab. Die Rede ist von Paketstationen. Unter dem Namen Amazon Locker sind die Abholstationen aktuell in mehr als zehn deutschen Städten an Shell-Stationen, bei Einzelhändlern und sogar in einigen Berliner Spätis zu finden. Über die genaue Anzahl der Packstationen hält sich Amazon bedeckt, es dürften wohl aber mehrere Hundert im gesamten Bundesgebiet sein.
In den USA wurde das Locker-Angebot im Jahr 2017 sogar noch ausgebaut: Seitdem gibt es das Paketkasten-System für Wohnhäuser unter dem Namen Amazon Hub. Statt Pakete beim Nachbarn abzugeben, können Postboten alle Sendungen in den Hubs lagern. Vermieter können ihren Mietern damit einen zusätzlichen Mehrwert bieten. Das Besondere: Die Packstation ist für alle offen, das heißt es können nicht nur Sendungen von Amazon hinterlegt werden, sondern „jedes Paket von jedem Versender und jedem Händler“, wie der Konzern in der Ankündigung betonte.
Amazon Key: Von der Lachnummer zum Erfolgskonzept?
Für reichlich Furore sorgte Amazon im Oktober 2017. Damals stellte der Online-Händler seinen neuen, damals äußerst umstrittenen Service Amazon Key vor. Dieses digitale Türschloss soll Paketzustellern Zutritt in die Wohnung des Empfängers gewähren, auch wenn dieser nicht zu Hause ist. Sie können die Sendung dann direkt in den vier Wänden des Kunden deponieren. Wie Amazon betonte, ließe sich das smarte Türschloss auch dafür verwenden, Hundesitter, Putzkräfte oder Freunde bei Abwesenheit in das Zuhause zu lassen. Eine Vorstellung, die bei vielen Amazon-Kunden allerdings weniger gut ankam, wie die zahlreichen Reaktionen in den sozialen Medien zeigten („Hallo Amazon, meine Katze ist weg“ – So reagiert das Netz auf Amazon Key). Diese reichten von Vermutungen über einen verspäteten Aprilscherz und sarkastischen Aussagen, dass man sehr gern fremde Menschen ohne Aufsicht in das eigene Zuhause lässt, bis hin zur Aussage, dass man sich auf diese Art und Weise perfekt ausrauben lassen könne.
Allen Unkenrufen zum Trotz, scheint sich Amazon Key allerdings vor allem in den USA etabliert zu haben und wird nach Angaben des US-Konzerns sehr gut angenommen. Der Service wurde erst Anfang des Jahres runderneuert, hat mit „Key by Amazon“ einen neuen Namen sowie eine Erweiterung der angebotenen Services bekommen. Unter anderem wurde mit „Key for Garage“ eine Option hinzugefügt, sich Pakete in die Garage liefern zu lassen. Für Unternehmen in den USA gibt es außerdem „Key for Business“, welches den Zustellern erlaubt, in Büro- und Apartmentgebäude zu gelangen, ohne jedes Mal von den Angestellten hereingelassen werden zu müssen. Dies wurde bereits in mehreren Hundert Geschäftsimmobilien erprobt. Wie Amazon Deutschland betont, wird Amazon Key vor allem für externe Dienstleister, wie die Türöffnung für Pflegekräfte bei hilfsbedürftigen Familienmitgliedern, genutzt. „Rückmeldungen wie diese treiben uns an, den Dienst noch weiter zu verbessern und auszubauen, sodass Kunden die für sie passenden Möglichkeiten finden, um mehr Sicherheit, Komfort und Kontrolle in ihr Leben bringen“, heißt es von einer Unternehmenssprecherin.
Lebensmittel schnell per Amazon Fresh
Wer keine Lust hat, sich beim Wocheneinkauf abzuschleppen, kann seit einigen Jahren auf Amazon Fresh zurückgreifen. Seit Mai 2017 steht der Lebensmittel-Lieferservice von Amazon auch hierzulande zur Verfügung – allerdings nur Prime-Mitgliedern in den Städten Berlin, Potsdam, Hamburg und München. Weiter hat es der Lieferdienst hier bislang noch nicht geschafft.
Noch bis August letzten Jahres hat Amazon bei der Zustellung mit DHL zusammengearbeitet, allerdings schien die Kooperation für den Bonner Logistiker nicht so erfolgreich verlaufen zu sein, wie erwartet. „Grundsätzlich ist zu sagen, dass der Markt für online bestellte, frische Lebensmittel bis dato weit hinter den Erwartungen zurück bleibt. Aufgrund dieser Tatsache und der Komplexität des gesamten Prozesses befinden wir uns aktuell in der Re-Evaluation dieses Leistungsangebots bei DHL Paket“, hieß es damals als Erklärung. Seit einigen Monaten liefert Amazon die Lebensmittel also über das eigenes Logistiknetzwerk aus. Insgesamt hat der Online-Händler 85.000 Artikel in petto: von frischem Obst und Gemüse über Wein, Schokolade, Tierfutter und Tiefkühlpizzen bis zu Eis. Neben Lebensmitteln können sich Kunden über Amazon Fresh zusätzlich Produkte aus verschiedenen anderen Bereichen liefern lassen, wie Haushalt & Wohnen, Elektronik, Games & Konsolen oder Spielzeug.
Neben der Prime-Mitgliedschaft wird für die Nutzung ein Pauschalbetrag von 9,99 Euro im Monat fällig, ab einem Mindestbestellwert von 40 Euro fallen außerdem keine zusätzlichen Lieferkosten an. Dass es mit dem Lieferdienst aber vor allem im Heimatland Amazons, in den USA, nicht ganz rund läuft, zeigten Entwicklungen aus dem Herbst 2017. Damals hatte der Konzern bereits in einigen Bundesstaaten den Dienst wieder eingestellt. In Teilen von New Jersey und Pennsylvania, Delaware, Maryland und Kalifornien wurde Amazon Fresh begraben. Auch hierzulande kommt der Online-Händler bislang nicht über die genannten vier Städte hinaus. Ob sich daran in Zukunft etwas ändern wird, darüber hält sich Amazon wie so oft bedeckt. „Basierend auf diesen Erfahrungen und dem Kundenfeedback nehmen wir uns die Zeit, den Service kontinuierlich zu verbessern und zu erweitern“, heißt es dazu lediglich auf Nachfrage.
Generell wurde der Online-Lebensmittelhandel hierzulande bis noch vor wenigen Wochen nur sehr zögerlich angenommen. Durch den Ausbruch des Coronavirus und den bundesweiten Ausgangssperren erlebten die Lieferdienste allerdings einen deutlichen Aufschwung. Bei Amazon Prime sollen verfügbare Lieferfenster äußerst rar sein. Ob die aktuelle Krise für langfristigen Erfolg bei den Lieferdiensten sorgt oder nur ein Strohfeuer ist, wird die Zukunft zeigen.
Amazon Prime Now: Tausende Produkte in 60 Minuten
Online-Shopper werden immer ungeduldiger: Was man heute bestellt, will man möglichst bald in den Händen halten. Mit Prime Now hat Amazon auf die steigenden Kundenbedürfnisse reagiert und einen Express-Lieferdienst eingeführt. Abermals ist dieser nur für die Bezahlmitglieder vorbehalten und verspricht die Zustellung von Tausenden Produkten innerhalb von 60 Minuten. Das Sortiment von Prime Now enthält unter anderem „verpackte, frische und tiefgekühlte Lebensmittel, Getränke, verpacktes Obst und Gemüse, Artikel des täglichen Bedarfs, Elektronik, Kindle-Geräte, Bücher, Spielwaren, Drogerieartikel, DVDs und Bekleidung“, wie der Online-Händler auf der entsprechenden Website schreibt. Geliefert wird Montag bis Samstag von 8:00 Uhr bis 24:00 Uhr. Wer seine Waren innerhalb einer Stunde haben möchte, muss noch einmal 7,99 Euro zahlen. Zustellungen innerhalb eines Zwei-Stunden-Fensters schlagen mit 3,99 Euro zu Buche. Der Mindestbestellwert beträgt 15 Euro, ab 40 Euro kommt die Lieferung in zwei Stunden auch ohne zusätzliche Kosten.
Gestartet ist Amazon Prime Now zwar bereits im Mai 2016 mit Berlin als erste deutsche Stadt, allerdings wurde die Express-Lieferung bislang nur auf München ausgeweitet. Welch schweren Stand Lieferdienste von Lebensmitteln und Co. hierzulande noch immer haben, zeigt auch der Rückzug der Drogeriemarktkette Rossmann aus dem Angebot von Amazon Prime Now. Die Kooperation aus dem Jahr 2017 wurde Ende 2018 schon wieder beendet, Aufwand und Nutzen sollen in keinem guten Verhältnis gestanden haben, wie es damals als Begründung hieß.
Hoch hinaus mit Drohnen
Egal ob per Roboter, Rad oder Transporter – Amazon ist stets auf der Suche nach neuen Wegen, seine Kunden schnell und effizient zu beliefern. Dabei wird der Luftweg natürlich nicht ausgeschlossen. Wie viele andere Logistikfirmen auch, arbeitet der US-Konzern seit Jahren an der Drohnenzustellung. Seit Sommer letzten Jahres haben sich die Pläne auch konkretisiert: In Las Vegas führte das Unternehmen ein vollautomatisches und vollelektrisches Prime-Air-Fluggerät vor, es soll bereits in den kommenden Monaten kleine Haushaltsgegenstände testweise ausliefern. „Wir sind von dieser Technologie begeistert und nutzen sie eines Tages, um Pakete an Kunden auf der ganzen Welt in 30 Minuten oder weniger zuzustellen. Wir werden sie dann und dort einsetzen, wo wir die regulatorische Unterstützung haben, die zur sicheren Umsetzung unserer Vision erforderlich ist“, bestätigt eine Amazon-Sprecherin die weiteren Pläne für die Drohnenzustellung.
Aufregung um das Amazon-Luftschiff
Apropos Zustellung per Luft: Vor fast genau einem Jahr sorgte ein Video auf Twitter für Aufregung. Darauf zu sehen ein riesiger Zeppelin mit dem Amazon-Logo, welcher von zahlreichen Drohnen umkreist wird. Schnell wurden Stimmen laut: Ist das ein neues Geheimprojekt, an dem Amazon arbeitet? Kommen unsere Pakete schon bald per Luftschiff? Obwohl der E-Commerce-Riese eine Reihe außergewöhnlicher Ideen und auch schon ziemlich verrückte Patente eingereicht hat, handelte es sich bei dem Amazon-Lieferzeppelin um einen – allerdings sehr aufwändigen – Aprilscherz.
ドローンで配送するという話があったけど、もう始まってたんだな。もっと先の話かと思ってた。
— zozi009 (@zozi009) March 31, 2019
There was a talk about delivery by drone, but it had already started. I thought it was a story ahead.#エイプリルフール #zozi撮影 pic.twitter.com/hFrmGOKwof
Der rollende Lieferroboter
Eines der aktuellsten Projekte von Amazon in Sachen Zustellung ist der Lieferroboter mit Kettenfahrwerk, das entsprechende Patent dazu hat das Unternehmen im Januar erhalten. Er soll die Bestellungen künftig selbst zu den Kunden bringen. Dazu besitzt der fahrende Roboter kleine Paketfächer, in denen die Sendungen verstaut werden können. Ob das Ablage-Fahrzeug zu jedem Kunden direkt kommt oder zentral an einer Stelle platziert wird und die letzten Schritte von den Konsumenten selber gemacht werden müssen, ist nicht klar. Wie bei so vielen Patenten von Amazon ist aber auch hier unklar, ob wir den rollenden Lieferroboter tatsächlich irgendwann durch unsere Straßen fahren sehen werden.
Kommentar schreiben