Per KI erstellte E-Books werden zum Problem für Amazon. Immer mehr Menschen wittern mit wenig Aufwand das schnelle Geld.
Während die Konversations-KI ChatGPT von vielen für ihre Nachrichten gefeiert wird, die auf den ersten Blick nicht direkt von Konversationen mit echten Menschen unterschieden werden können, mehrt sich auch Kritik an den Möglichkeiten zum Missbrauch, die das Tool bietet. Unter anderem gibt es Befürchtungen, dass von ChatGPT automatisch erstellte Bücher die E-Book-Portale fluten und tatsächlich scheint es da jetzt die ersten akuten Probleme zu geben.
Im Kindle-Store von Amazon werden Heise zufolge schon über 250 Bücher gelistet, bei denen ChatGPT als Autor oder zumindest als Mitautor geführt wird. Die Dunkelziffer, nämlich solche Bücher, bei denen die Verwendung von ChatGPT verschwiegen wird, lasse sich kaum einschätzen.
Sammy, das Eichhörnchen
Stellvertretend für die vielen schnell produzierten, inhaltlich aber kaum nennenswerten E-Books, die im Kindle-Store auftauchen, nennt die Nachrichtenagentur Reuters das Beispiel von Brett Schickler. Schickler habe sich nie vorstellen können, ein Buch zu veröffentlichen. Doch mit ChatGPT sah er plötzlich eine Möglichkeit. Mithilfe der KI „schrieb“ Schickler – innerhalb nur weniger Stunden – das 30-seitige illustrierte Kinderbuch „The Wise Little Squirrel: A Tale of Saving and Investing“ (Das kluge kleine Eichhörnchen: Ein Märchen vom Sparen und Investieren) über Sammy, das Eichhörnchen, das zum reichsten Einhörnchen des Waldes wurde. Die simple Geschichte verkauft Schickler seit Januar für 2,99 Dollar im Kindle Store.
Wirklich reicht wird er damit nicht – bislang habe er gerade einmal 100 Dollar eingenommen – aber der Aufwand war so gering, dass er weitere Bücher mit ChatGPT schreiben möchte. Vor allem Kinderbücher und Ratgeber, die mit ChatGPT geschrieben wurden, erscheinen im Kindle Store. Das vergrößert ein Kernproblem des Kindle Stores: Über Kindle Direct Publishing können eigene Bücher und E-Books ohne Kontrolle unkompliziert veröffentlicht werden. Das führe ohnehin zu einer Schwemme an minderwertiger Massenware und mit den ChatGPT-Werken werde das Problem nun noch verstärkt.
Gefahr für echte Autoren?
Das führt natürlich bereits jetzt zu der Frage, ob die per KI geschriebenen Bücher für echte Autoren ein Problem bedeuten könnten. Da diese Werke aber qualitativ äußerst fragwürdig sind, ist damit zumindest kurzfristig nicht zu rechnen. Für Verlage und Literaturmagazine ist das Phänomen allerdings tatsächlich ein reales Problem. Der Chef des Literaturmagazins Clarkesworld, Neil Clarke, beklagt in einem Blogbeitrag, dass die Zahl betrügerischer Einreichungen seit Beginn dieses Jahres überhand nehme, weil immer mehr Werke von und mit ChatGPT eingereicht werden bzw. dessen Verwendung oft verschwiegen werde.
Erkennen lassen sich die Werke relativ leicht, so Clarke, es gebe „offensichtliche Muster“. Er habe zuletzt mehr als jede dritte Einreichung deswegen ablehnen müssen. Für den Markt mag das aktuell noch kein Problem sein, für ihn – und letztlich auch viele Verlage – bedeute dies aber einen enormen Arbeitsaufwand. Es sei nun zu erwarten, dass Literaturmagazine nur noch Einreichungen von bekannten Autoren annehmen – was wiederum der Literaturbranche als Ganzes schaden könnte. Im Februar hat Clarke nach über 500 Einreichungen von KI-Texten die Möglichkeit zur Einreichung vorerst ganz gesperrt.
Amazons Reaktion
Ob und wie Amazon auf das neue Problem reagiert, ist bislang offen. Gegenüber Reuters erklärt eine Unternehmenssprecherin lediglich: „Alle Bücher im Shop müssen unsere Inhaltsrichtlinien einhalten, einschließlich der Einhaltung der Rechte an geistigem Eigentum und aller anderen geltenden Gesetze.“ Ob der bisher sehr laxe Review-Prozess überarbeitet wird, ließ sie offen. Dabei müsste gerade Amazon hier mit gutem Beispiel vorangehen, denn mit 80 Prozent Marktanteil allein in den USA ist der Kindle Store unangefochtener Marktführer auf dem E-Book-Markt.
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