„Amazon Prime“ – das ist ein Name, der für hohe Qualität, besten Service und Schnelligkeit stehen soll. Nachdem das Unternehmen das Premiumprogramm bereits in der Vergangenheit für externe Anbieter geöffnet hat, scheint Amazon nun noch viele weitere Händler zu Prime-Händlern machen zu wollen. Doch was für Amazon selbst ein überaus attraktiver Plan sein dürfte, könnte den Druck auf Händler weiter verstärken. Wir berichten.
Wie kann Amazon sein überaus erfolgreiches Prime-Programm noch erfolgreicher machen? Richtig! Indem das Sortiment der Prime-Produkte noch einmal massiv ausgebaut wird und Kunden somit auf einen noch viel gewaltigeren Berg an Produkten zugreifen können, die in Windeseile – in vielen Fällen sogar am gleichen Tag – geliefert werden können. Und es wird gemunkelt, dass Amazon aktuell dabei sein könnte, genau diese Strategie in die Tat umzusetzen.
Amazon Prime: Die Vor- und Nachteile, ein Prime-Händler zu sein
Wie uns ein Online-Händler mitteilte, wurde er von Amazon aufgrund seiner hervorragenden Bewertungen und Leistungen dazu eingeladen bzw. ermutigt, seine Produkte künftig unter dem Prime-Siegel zu verkaufen. Die Anreize, das Angebot wahrzunehmen, liegen klar auf der Hand: Händler, die Prime-Produkte verkaufen, können nicht nur mit schnellem, sondern vor allem auch kostenlosem Versand locken und haben wahrscheinlich eine größere Chance, in der begehrten Buy Box zu landen. Amazon selbst habe dem Händler im Zuge des Prime-Status steigende Umsätze in Aussicht gestellt.
Doch da liegt genau das Problem: Die Umsätze könnten steigen. Was die Gewinne angeht, wird nichts prognostiziert. Denn den superschnellen Premium-Versand, der mit den Prime-Produkten einhergeht, müssen die Händler natürlich selbst tragen. Eine enorme Belastung, die selbst bei guten Konditionen und Logistik-Rahmenbedingungen, nicht wegzureden ist. Auch scheint es für potenzielle neue Prime-Händler keine sonstigen Entlastungen (zum Beispiel im Bereich FBA) zu geben.
Und mehr noch: Neben dem eigentlichen Versand müssten die Prime-Händler auch die Kosten für die Retouren übernehmen. Gerade in retourenstarken Bereichen wie Mode, Schuhe oder Elektronik könnte dies nicht unwesentlich zu Buche schlagen und zum schweren Belastungsfaktor werden.
Amazon könnte die Marktplatz-Qualität auf Kosten der Händler steigern
Das Problem sei – so der Händler, der aus Angst vor Repressalien lieber ungenannt bleiben möchte –, dass Amazon den Standard für normale (Nicht-Prime-) Produkte im Laufe der Zeit herabgesetzt zu haben scheint, um den Wert der Prime-Produkte für Kunden noch zu steigern. Heißt: Noch vor einigen Jahren habe man als Käufer bestellte Produkte via Standard-Versand häufig bereits innerhalb zweier Werktage erhalten. Heute sind die normalen Produkte zumeist weitaus länger unterwegs. Nur auf diesem Wege konnte Amazon sein Prime-Programm wahrscheinlich ankurbeln und den enormen Unterschied zur Premium-Lieferung herausstellen.
Wie der betroffene Händler weiter erzählt, müsse Amazon natürlich sichergehen, dass die angefragten Händler die hohen Prime-Standards auch stemmen könnten. Dazu gäbe es wohl eine Art Probezeit, in der die Händler 300 Einheiten auf Prime-Basis (also mit superschnellem Versand etc.) an Kunden verschicken müssten – ohne dass die jeweiligen Produkte jedoch vorher als Prime-Produkte gekennzeichnet seien. Erst, wenn diese Hürde gemeistert ist und der Händler die geforderte Servicequalität liefern konnte, soll er als offizieller Prime-Händler freigeschaltet werden.
Neue Amazon Prime-Händler: Es könnte sich um eine Testphase handeln
Es geht es also um die Frage, wie viele Händler in der Lage sind, mithilfe ihrer zur Verfügung stehenden Ressourcen, die hohen Prime-Standards zu erfüllen. Schließlich müssen die Pakete bis Mittag (die Rede ist von 13 Uhr) fertig verpackt und versandbereit sein. Dazu sind zweifellos gut strukturierte Prozesse sowie finanzielle und personelle Mittel vonnöten. Mit Blick auf die Umsatzbeteiligung von Amazon, die dann noch anfällt, gibt es sicher einige Händler, die diese Anforderungen nicht bewältigen können.
Alles in allem sei zu befürchten, dass Amazon sein attraktives Prime-Angebot massiv ausbaut und dabei selbst keinerlei Kosten hat. Diese tragen schließlich die Händler, die damit – und das dürfte das anvisierte Ziel von Amazon sein – auch die Qualität auf dem Marktplatz weiter steigern.
Amazon Watchblog hat Amazon um eine Stellungnahme zu dem Thema gebeten. Das Unternehmen hat bislang nicht auf diese Anfrage reagiert.
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