Studie

Cybermobbing immer schlimmer: Jeder zehnte Deutsche betroffen

Veröffentlicht: 19.11.2021 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 19.11.2021
Skelett-Kopf vor Laptop

Gerade die Corona-Pandemie stellt die guten Sitten und Diskussionskultur auch im Internet auf eine harte Probe. Der Austausch von Meinungen kann in Diskriminierung und Mobbing eskalieren. Der Verein „Bündnis gegen Cybermobbing“ hat jetzt eine repräsentative Studie veröffentlicht, die Mobbing und Cybermobbing bei Erwachsenen in den vergangenen drei Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersucht hat.

Eines der traurigen Ergebnisse: Rund ein Drittel aller Befragten sind schon einmal generell Opfer von Mobbingattacken gewesen. Dabei hat vor allem das Mobben im Internet zugenommen: Die Rate ist seit der letzten Studie 2018 um 25 Prozent gestiegen und weise eine „bedrohliche Dynamik“ auf, in Deutschland wurden demnach 11,5 Prozent der Befragten im Web schon Mal gemobbt. Vor allem bei den 18- bis 24-Jährigen habe das Problem stark zugenommen.

Anonymität als Faktor für Mobbing im Web

„Hierbei spielt die Anonymität im Internet eine besondere Rolle. Sie enthemmt die Täterinnen und Täter, da häufig keine negativen Reaktionen oder Konsequenzen zu befürchten sind. Die strafrechtliche Verfolgung ist durch die Anonymität im Internet fast unmöglich. Opfer können sich nicht wehren, da sie häufig nicht wissen, von wem die Angriffe stammen. Die Opfer fühlen sich in besonderem Maße hilflos, das gilt es zu verändern“, so die Autoren der Studie.

Die Folgen des Mobbings sind vielschichtig: So komme es unter anderem zu körperlichen Beschwerden, erhöhter Suchtgefahr, Depressionen, Persönlichkeitsveränderungen und Probleme mit dem Selbstvertrauen. Rund 15 Prozent der Betroffenen von Mobbing und Cybermobbing stufen sich selbst als suizidgefährdet ein, das wären in Deutschland rund 2,5 Millionen Menschen. „Mobbing und Cybermobbing beeinträchtigen auch in starkem Maße die Lebensqualität der Opfer. Dabei verringert Cybermobbing die Lebensqualität sogar noch stärker als klassisches Mobbing“, warnt die Studie.

Cyber-Mobber waren zuvor selbst Opfer

Rund 80 Prozent der Cybermobber sind zuvor schon selbst Opfer von Mobbing oder Cybermobbing geworden. Das (Cyber-)Mobbing erstreckt sich in den meisten Fällen sogar über ein Jahr und länger. 

Auch Unternehmen haben mit den Mobbing-Folgen zu kämpfen: Betroffene weisen jährlich fast doppelt so viele Krankheitstage auf als nicht betroffene Beschäftigte. Der deutschen Wirtschaft entstehe durch Produktionsausfälle ein direkter Schaden von knapp acht Milliarden Euro – die indirekten Schäden, etwa durch verminderte Arbeitsleistung, Frühverrentungen u.a. sollen sogar um ein Vielfaches höher liegen.

Anstieg von Mobbing im Netz durch Corona-Bedingungen

Die Corona-Pandemie wird als eindeutiger Einflussfaktor für den Anstieg der Mobbing-Fälle genannt: „Eltern konnten aufgrund der Schließungen von Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen nicht zur Arbeit gehen oder wurden aufgrund schwierig zu organisierender Kinderbetreuung von ihren Vorgesetzten oder Kollegen unter Druck gesetzt. Beschäftigte, die nicht im Homeoffice waren, sondern im Betrieb geblieben sind oder mussten, sind deutlich stärker von Cybermobbing betroffen, wenn sie in ihrer Wahrnehmung mehr als ihre Kolleginnen und Kollegen leisten“, heißt es.

Die Autoren kritisieren außerdem, dass die meisten Unternehmen das Problem noch „nicht ausreichend realisiert“ haben. Um gegen Mobbing anzugehen, schlagen sie in Unternehmen verschiedene Maßnahmen vor:

  • Sensibilisierung zu dieser Problematik innerhalb der Unternehmen
  • den Abbau eines konkurrenzorientierten Klimas und starrer Hierarchien sowie der Etablierung einer kritikfähigen Führungskultur
  • Schaffung einer Anlaufstelle mit geschulten Mitarbeitern für Mobbingvorfälle, schriftliche Leitlinien zum Umgang mit Konflikten, Einsetzung von ausgebildeten Konfliktlotsen

Beim Kampf gegen Mobbing sei jedoch jeder Einzelne, die Gesellschaft als Ganzes und insbesondere Medien und Politik gefordert – unter anderem mit Hilfs- bzw. Beratungsstellen und einer verbesserten Gesetzgebung.

Für die Studie wurden insgesamt 4.000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren befragt, davon 2.000 aus Deutschland. Das „Bündnis gegen Cybermobbing“ ist ein gemeinnütziger Verein von Eltern, Pädagogen, Juristen, Medizinern, Forschern sowie Prominenten und gesellschaftlichen Gruppen und Unternehmen.

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