Studie von AlgorithmWatch

Immer mehr EU-Länder wollen Gesichtserkennung

Veröffentlicht: 17.03.2020 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 23.03.2020
Gesichtserkennung

Mit seinem Vorstoß, an 135 Bahnhöfen und 14 Flughäfen Gesichtserkennung einsetzen zu wollen, erntete Bundesinnenminister Horst Seehofer im Januar heftige Kritik. Die EU erwägt gar – eigentlich – das Verbot entsprechender Technologie. Doch offenbar nehmen es viele europäische Staaten mit diesem Vorhaben nicht allzu genau. Einer Umfrage von AlgorithmWatch zufolge, die im Dezember veröffentlicht wurde, nutzt die Polizei in zehn EU-Ländern derzeit Technologie zur Gesichtserkennung. Acht weitere Staaten planen eine baldige Einführung.

Genutzt wird dazu eine riesige Datenbank des Unternehmens Clearview AI. Clearview wird vor allem von US-Polizeibehörden genutzt. Behörden in Deutschland und weiteren EU-Ländern wollen ihre Bild-Datenbanken nun Heise zufolge international vernetzen. Das würde zu einer Sammlung führen, die kaum zu überblicken ist und auch unbescholtene Bürger trifft. Die Datenbanken in den Niederlanden etwa enthalten AlogrithmWatch zufolge auch Fotos von Verdächtigen, die nie wegen eines Verbrechens angeklagt wurden.

Ungenaue Technik

Das ist auch deswegen problematisch, weil die Technik oft noch sehr ungenau arbeitet. AlgorithmWatch rechnet vor, dass bei 10.000 gefilmten Personen und einer Falsch-Positiv-Quote von nur einem Prozent 100 Menschen fälschlicherweise als Gesuchte markiert würden. In der Realität sind die Alarmquoten aber noch viel höher. Die Technik in der U-Bahn von Buenos Aires schlug in drei Monaten 1.227 Mal Alarm – korrekt waren davon aber nur 226 Fälle. In London wurden in einem Versuch 104 Übereinstimmungen gemeldet – davon waren nur zwei richtig.

Vertrag von Prüm

In Europa seien offenbar viele Staaten an der Software von Clearview interessiert. Tester und Kunden des Unternehmens seien aktuell etwa Belgien, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande oder Italien. Eine Polizeiarbeitsgruppe aus zehn EU-Mitgliedsstaaten unter Führung von Österreich drängt auf eine Vernetzung innerhalb der EU, wie aus einem vertraulichen Bericht hervorgeht.

Um das zu erreichen, soll der 2007 geschlossene Vertrag von Prüm ausgebaut werden. Dieser regelt die EU-weite Zusammenarbeit zur Bekämpfung von Terrorismus, grenzüberschreitender Kriminalität und als illegal eingestufter Migration. Aktuell sind dessen Beschlüsse bei der Biometrie auf DNA- und Fingerabdruckdaten beschränkt. Deutsche Behörden treiben den Ausbau mit voran, obwohl die Initiative von den EU-Gremien gar nicht befürwortet wird. Wird der Ausbau durchgewunken, sei es laut Heise „nur eine Frage der Zeit, bis einschlägige Systeme der EU und der USA zusammengeschaltet werden.“ Zudem wird auch die Gesichtserkennung in Echtzeit immer gebräuchlicher, etwa in Fußballstadien.

Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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