OHN Podcast #7/21

Thomas Seidel: „Die Stichwort-Suche hat sich seit den 90ern kaum verändert“

Veröffentlicht: 25.06.2021 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 25.06.2021
OHN Podcast

Wir alle kennen sie, wir alle lieben es, sie zu hassen: Suchfunktionen auf Webseiten. Wenn ich nur kryptische Links auf meine Stichwortsuchen bekomme oder die Suche gänzlich an meiner Intention vorbei arbeitet, dann läuft etwas schief. Leider hat sich in den letzten 30 Jahren kaum etwas an der Logik der Online-Suche geändert. Im Podcast mit Thomas Seidel von Yext sprechen wir darüber, was schief läuft bei Website-Suche.

Wenn mir Google für eine Suchanfrage zwei Millionen Ergebnisse anzeigt, dann ist das zwar nicht unbedingt hilfreich (zumindest ab Ergebnisseite 2), aber irgendwie auch nachvollziehbar. Wenn ich aber im Online-Shop ein Produkt suche und nur Quatsch bekomme, dann ist das ärgerlich. Und wenn ich per Suche herausfinden möchte, wie ich eine Retoure einleite, stattdessen aber Schuhe angezeigt werden, dann wird es gänzlich kurios. Bei Yext haben sie da eine Idee, wie man es besser macht. Bis das aber mal flächendeckend funktioniert, dauert es wohl noch eine Weile.

Google ist die „ultimative Herausforderung“

Und überhaupt: Google! „Google versucht, alles im eigenen Ökosystem zu halten“, sagt Seidel im Podcast. Für Webseitenbetreiber sei das die „ultimative Herausforderung“. Denn wenn mir Google schon im Ergebnis anzeigt, was ich brauche, dann muss ich auch nicht mehr auf weitere Ergebnisse klicken. Suche – und das macht Google mittlerweile beängstigend gut – muss erkennen, was ich will, und Suche muss natürlicher werden und sich eher daran orientieren, wie wir in der „echten Welt“ kommunizieren. Und damit kommen wir zur „blauen Hose L“ – das Geheimnis darüber lüftet der Podcast.

Die neue Folge OHN Podcast könnt ihr über die folgenden Wege hören – wie übrigens auch alle weiteren Podcasts der Redaktion. Ein Abo lohnt sich also!

Spotify

YouTube

Apple Podcasts

Deezer

SoundCloud

Google Podcasts

Amazon Music

Podcast.de

Hier gibt es den Podcast als Artikel zum Nachlesen


Inhalt

Intelligente Suchfunktion auf Websites mit Yext

CP
Herzlich willkommen zu einem neuen OHN Podcast im Juni 2021. Mein heutiger Gast ist Thomas Seidel von Yext. Heute reden wir ausnahmsweise nicht über Corona, sondern über Suchfunktionen. Gemeint ist damit nicht Google, sondern die Suchfunktion auf Webseiten. Die Firma Yext ist Spezialist auf diesem Gebiet. Fokussieren wir uns zunächst auf das Thema Suchaktionen. Wie seid ihr darauf gekommen, euch auf das Thema der internen Websitesuche zu spezialisieren? Habt ihr großen Nachholbedarf in dem Bereich gesehen?

TS
Richtig, ja. Die technische Entwicklung der letzten 10 Jahre hat uns alle ein Stück weit trainiert. Ein Großteil der User nutzt heute Amazon Alexa, Google und ähnliche Dienste. Wir sind es gewohnt, mit solchen Geräten in unserer natürlichen Sprache zu interagieren.

Ich erinnere mich daran, als meine Tochter fünf Jahre alt war. Bei YouTube hat sie einfach auf das Mikrofon in der Suchleiste geklickt und die Videos angesagt, die sie schauen wollte. Zuerst war ich darüber verwundert, doch dann wurde mir klar: Wir sind darauf trainiert, in natürlicher Sprache mit diesen Systemen zu interagieren und bekommen direkte Antworten. Heute tippen wir einfach bei Google "veganer Burger in meiner Nähe" ein und erhalten ein Ergebnis, das wir direkt nutzen können.

Auf 99,9% der Webseiten von Unternehmen ist das allerdings nicht der Fall. Das hat Yext als Ansatz genommen und sich in Bezug auf die gesamte Customer Journey gefragt, warum das so ist. Die Website ist ein wichtiger Touchpoint für das Unternehmen und bedient dabei die Kunden aber nicht in der Weise, wie sie es gewohnt sind. Wir betrachten das Thema Suche entlang der gesamten Customer Journey und der verschiedenen Touchpoints.

Die keyword-basierte Suche bzw. der zugehörige Algorithmus wurde 1972 entwickelt. Seit den 90er-Jahren fand praktisch keine Weiterentwicklung statt. Anschließend traten Trends wie künstliche Intelligenz auf, die hinzugefügt wurden. Schraubt man Breitreifen an die Pferdekutsche, wird sie trotzdem nicht zum Formel-1-Wagen. Der Algorithmus an sich ist limitiert. Die Nutzer haben Systeme wie Google und Alexa kennengelernt und betreten eine Website mit der Erwartungshaltung, dort dieselbe Technik vorzufinden. Wird diese nicht erfüllt, kehren sie z.B. zu Google zurück. Als Unternehmen verliert man in diesem Fall komplett die Kontrolle über die Customer Journey.

Warum keyword-basierte Suche heute nicht mehr ausreicht

CP
Ist es umgekehrt auch der Fall? Viele Nutzer kennen die Suche mittels Stichwörtern. Es wurde auch antrainiert, bei einer Suche ein Stichwort einzugeben. Warum ist diese Art der Suche nicht optimal, obwohl ein Großteil der Nutzer sie so kennt?

TS
Kritische Rückfrage: Warum hat sich das Webdesign von heute im Vergleich zu 1990 weiterentwickelt, obwohl es damals angenommen wurde? Unsere Anforderungen entwickeln sich ebenfalls weiter.
Wir sind es bei Google gewohnt, sofort Antworten auf Fragen zu erhalten. Fragst du beim Öffnen des Webbrowsers: "Wie schief ist der schiefe Turm von Pisa?", erhältst du keine Linkliste, durch die sich durchgeklickt werden muss. Sondern du erhältst in einem sogenannten "featured snippet" direkt eine Antwort darauf, meistens mit einem Bild dazu. Warum sollen Unternehmen diesen Komfort nicht auch auf ihrer Website bieten?

Unternehmen investieren viel Geld in Werbung in Suchmaschinen oder auf anderen Portalen, um Nutzer auf die eigene Seite zu bekommen. Sind sie dann in unserem virtuellen Geschäft angekommen, können wir uns nicht einfach wegdrehen und ihre Fragen nicht beantworten. Das funktioniert nicht. Die alte Stichwortsuche war zweifelsfrei gut, aber Nutzer suchen heutzutage anders. Neben dem produktzentrierten Ansatz mit Suchanfragen wie "blaue Hose Größe L" gibt es auch Anfragen wie "Baumwollhose aus nachhaltiger Herstellung". Das ist eine komplexe Suchanfrage, die wir auch beantworten müssen.

CP
Euer Ansatz geht also weg von der Stichwortsuche hin zu Suchanfragen, die der menschlichen Sprache nachempfunden sind.

TS
Definitiv. Weit über 60% der Suchanfragen bei Google bestehen aus drei oder mehr Wörtern, Tendenz steigend. Schauen wir uns Kunden an, die unsere Technologie auf ihrer Seite nutzen, ist in kurzer Zeit ein Anstieg über 100% bei der Länge der Suchanfragen zu beobachten. User wissen: Die meisten Suchen auf Webseiten taugen nichts, deswegen fragen sie keyword-basiert. Bekommen sie aber die Chance oder werden dazu animiert, anders zu fragen, können sie ihre wirklichen Fragen stellen. Das hat wiederum wesentlichen Einfluss auf Conversions und die Verweildauer auf der Website. Die Nutzer konsumieren mehr Informationen. Im Retailbereich haben wir festgestellt, dass Besucher, die die Websitesuche aktiv nutzen, dreimal mehr Umsatz generieren als die Personen, die die Suche nicht nutzen. Das sind bemerkenswerte Resultate.

Entwicklung der Onlinesuche

CP
2019 lernte ich Howard Lerman, euren CEO, in London kennen. Howard scheint auf der Bühne ein echter Entertainer zu sein; er sprach damals von einer neuen Ära der Onlinesuche. Warum hat die Weiterentwicklung der Suche soviel Zeit in Anspruch genommen?

TS
Eine gute Frage. Unternehmen haben zum einen viel in die Website-Personalisierung investiert, es standen andere Themen im Vordergrund. Ab 2008/ 2010 ist Google mit dem Knowledge Graph durchgestartet, der komplexe Daten speichern konnte. Als das Thema Sprachsuche bzw. NLP-basierte Suche (NLP = Natural Language Processing) eingeführt wurde, hat Google neue Standards gesetzt.

Warum sich keiner der Anbieter dieser Entwicklung gewidmet hat, ist eine berechtigte Frage. Die Antwort ist nicht zuletzt durch die Komplexität des Themas bedingt. Kurz zur keyword-basierten Suche: Sucht jemand nach "blaue Hose Größe L", wird die Häufigkeit jedes einzelnen Wortes in den Trefferdokumenten geprüft.
Das Ergebnis davon muss nicht unbedingt etwas mit meiner Suchintention zu tun haben. Google hat es geschafft, nicht nur die natürliche Sprache zu verstehen, sondern auch Synonyme und die Intention des Nutzers. Fragt jemand nach einer Wegbeschreibung, möchte etwas kaufen oder eine Information erhalten - das alles versteht Google. Dafür hat Google verschiedenste Algorithmen, die daran arbeiten. Das ist die Revolution, die wir auf die Webseiten bringen: die Fähigkeiten von Google auf der eigenen Website nutzbar zu machen.

Beispiel Standortdaten: Ein Unternehmen hat alle Standorte in seinem System aufgelistet und mit strukturierten Daten versehen. Die Suche wiederum kann strukturierte Daten abfragen. Auch Fragen mit semi-strukturierten Daten wie "Wo kann ich ein Paket zurücksenden?" oder "Wo kann ich meine Lieferung verfolgen?" können gefunden werden. Neu ist, dass unsere Suche auch die "featured snippets" von Google (siehe Pisa-Beispiel) finden kann. Die Webseiten werden gecrawlt, und das nicht nach dem Prinzip "STRG + F" wie bei Word, sondern der Algorithmus findet auf Basis der Suchanfrage heraus, an welcher Stelle in welchen Dokumenten die richtigen Antworten vorhanden sind.
Angezeigt werden komplette Sätze, die genau das beschreiben, wonach gesucht wurde. Auch Synonyme sind hier inkludiert. Ein Nutzer fragt nach einer Beratung für Baufinanzierung, ein anderer nach "Beratung Hausbau" - beide meinen vielleicht das Gleiche. Eine Keyword-Suche würde diesen Zusammenhang nicht verstehen. Die Algorithmen verstehen hier Inhalt und Intention und liefern daraufhin ein direktes Ergebnis.

Status Quo der Suchfunktion auf deutschen Websites

CP
Schauen wir uns einmal den Status Quo an. Im Vorfeld habe ich dich gebeten, dir die Suchfunktion auf onlinehaendler-news.de anzusehen und zu zeigen, was verbessert werden kann. Was hast du herausgefunden?

TS
Eure Intention ist zunächst die Information der Leser. Ihr habt z.B. FAQs, u.a. das Corona FAQ. Auch Veranstaltungen habe ich gefunden. Euer Eigeninteresse ist bestimmt auch, eure Werbeplätze zu vermarkten. Gebe ich in eurer Suche ein: "Werbung bei OHN schalten", erhalte ich kein Ergebnis. Es erscheinen lediglich Nachrichten zu Werbung bei Amazon, Google etc.
In diesem Moment könnt ihr den Kunden nicht gewinnen, der so sucht. Der Nutzer würde wahrscheinlich zu Google wechseln und dort suchen. Im besten Fall hat Google eure Seite besser verstanden als eure eigene Suchfunktion und liefert ein Ergebnis, das den potentiellen Kunden auf eure Seite zurückführt. Im schlimmsten Fall sieht der Nutzer Google Ads anderer Anbieter, die seine Aufmerksamkeit erhalten und schaltet ggfs. dort Werbung oder bei Google.

Google zielt darauf ab, Besucher auf den eigenen Portalen zu halten. Findet ein Nutzer durch Ads oder guten organischen Content auf die Website, findet dort aber nicht das Gesuchte, wird zu Google zurückgekehrt. Dort warten bereits weitere Ads und der Wettbewerb auf ihn, oder Antworten anderer Nutzer aus weiteren Foren - die nicht durch uns als Marke verifiziert wurden. Das Risiko, den Kunden für immer zu verlieren, ist sehr groß.

In euren Corona-FAQs steht die Frage: "Sind Coronahilfen steuerpflichtig?". Dazu gibt es auch eine klare Antwort. Gebe ich diese Frage jedoch in eurer Suche ein, erhalte ich als Ergebnis eine Liste von Angeboten, in denen u.a. steht: "shutterstock.com Coronahilfen News und FAQ, aktuelle Nachrichten und Updates für Online-Händler", darunter eine Nachricht der Modekette Adler usw. Die Antworten beziehen sich nicht direkt auf die eingegebene Frage und erfüllen nicht die Erwartung des Nutzers. Dieser erhält ein Sammelsurium aus zufälligen Ergebnissen, die teilweise komplett neben dem Thema liegen, teilweise richtig sein könnten. Der Nutzer wird jedoch gezwungen, auf das Ergebnis zu klicken und selbst zu schauen, ob es seiner Anfrage erfüllt.

Wir machen uns Gedanken über die Conversion-Optimierung und versuchen, jeden Klick des Nutzers auf der Webseite zu vermeiden. Nur in der internen Suche scheint das egal zu sein. Doch auch hier muss gelten: Der Nutzer muss mit möglichst wenig Klicks zum gewünschten Ergebnis gelangen.

Wir bei Yext wollen nicht nur eine direkte Antwort liefern, sondern auch einen gleich einen Conversion-Button.

CP
Sehr viele Suchfunktionen deutscher Websites funktionieren noch nach dem alten Keyword-Schema. Hast du Zahlen dazu, wie viele das in etwa sind?

TS
Dazu haben wir keine verifizierbaren Zahlen. Meine Einschätzung: 99,5% der Websites nutzen immer noch die keyword-basierte Suche. Immer mehr Unternehmen verstehen jedoch die Entwicklung und investieren in neue Technologien. In dem Bereich gibt es viele Anbieter, aber Yext ist fast einzigartig in der Hinsicht, dass wir diese Google-Technologie auf die Website bringen.

Oft wird die interne Suche als Thema für die IT betrachtet. Beispiel: Wenn jemand nach "Kündigung Mobilfunkvertrag" sucht, soll ein bestimmtes Set an Ergebnissen ausgespielt werden. Da das System nicht in der Lage ist, die Anfrage zu verstehen, wird mit viel Aufwand im Hintergrund daran gearbeitet, den Nutzer auf eine bestimmte Ergebnisseite zu leiten. Diese Vorgehensweise bedeutet aber auch, dass fortlaufend dieser Aufwand betrieben werden muss. Eine intelligente Suche kann hingegen auch Kosten sparen. Werden die Fragen der Suchenden direkt auf der Website beantwortet, kann es z.B. weniger Supportanfragen geben.

Die Suchfunktion als Conversion-Treiber

CP
Im Vorfeld habe ich von dir weitere Beispiele für suboptimale Suchfunktionen in Onlineshops erhalten. Viele Suchen nach "Retouren" in diesen Shops lieferten keine Ergebnisse zurück. Wann kommt eine smarte Suche an ihre Grenzen? Sucht man bei Amazon oder Ebay nach einem solchen Begriff, können auch andere Ergebnisse eine Rolle spielen - z.B. Bücher mit dem Wort "Retoure" im Titel.

TS
Wird bei Google der Begriff Retoure eingegeben, wird zum einen eine Suchergebnisliste angezeigt. Weiter gibt es aber auch noch die sogenannten vertikalen Suchergebnisse: Bilder, Videos usw. So verfahren wir auch mit den Inhalten. So könnte zum einen das Produktangebot zu dem Thema angezeigt werden sowie FAQ dazu. Google bietet zudem eine Autocomplete-Funktion. Bereits während der Eingabe eines Begriffs erscheint eine Auswahl an möglichen Suchanfragen, sodass dort schon eine Unterscheidung der Begriffe stattfinden kann.

CP
Stellt Google für Webseiten nicht auch ein Problem dar, gerade bezogen auf die Suchfunktion? Vor einiger Zeit schrieb ich einen Artikel über eine Analyse von Rand Fishkin, einem US-amerikanischen Suchmaschinenexperten. Eine Aussage der Analyse ist, dass 65% aller Suchanfragen ohne weiteren Klick direkt bei Google enden.
Sucht man auf Google nach historischen Fakten oder einem Fußballergebnis, werden an erster Stelle keine Webseiten mehr angezeigt, sondern direkt die Antwort auf die eingegebene Anfrage. Für Nutzer ist das gut, denn sie bekommen sofort, was sie suchen. Auf mobilen Geräten wird das sogar noch mehr forciert. Für die Webseiten stellt das jedoch ein Problem dar. Der Nutzer hat keine Notwendigkeit mehr, die Seite überhaupt zu besuchen, denn seine Frage wurde bereits bei Google beantwortet. Handelt es sich um transaktionsorientierte Anfragen, sieht das vielleicht noch etwas anders aus. Aber selbst in dem Bereich wird Google immer wichtiger.

TS
Das ist die ultimative Herausforderung. Google versucht, die Nutzer im eigenen Ökosystem zu halten und die Conversions dort voranzutreiben. Hotelbuchungen beispielsweise: Der Nutzer soll die Buchung direkt auf Google durchführen und nicht mehr auf der Hotel-Website.

Ein weiteres Problem ist der Content, der dort ausgespielt wird. Dieser ist nicht zwingend verifiziert. Hersteller von Produkten sind am besten dazu befähigt, Aussagen über die Qualität der eigenen Produkte zu treffen. Damit meine ich essentielle Aspekte, nicht die Wahrnehmung oder Anmutung eines Produktes. Im Kosmetikbereich finden sich Beispiele, in denen Blogs oder Nutzer darüber schreiben, dass die Produkte mittels Tierversuchen getestet würden. Auf viele Produkte trifft das jedoch gar nicht zu. Das stellt eine Herausforderung für Markeninhaber dar.

Google schaltet massiv Ads auf Marken und hält damit Brand-Traffic im eigenen System. Sucht man z.B. nach "Deutsche Bank Altersvorsorge", sollte die Intention der Frage klar sein. Trotzdem zeigt Google auf der Ergebnisseite Anzeigen von Wettbewerbern im oberen Bereich. Weiter unten erscheinen FAQs die aus Foren, Blogs etc. stammen - nicht vom Unternehmen selbst. Das sind nicht verifizierte Antworten. Der Algorithmus entscheidet, wie und ob der eigene Content auf dieser Ergebnisseite gerankt wird und damit darüber, ob die Markensichtbarkeit gut oder schlecht ist.

Das Thema Suche muss breiter verstanden werden, das ist unser eigentlicher Ansatz. Wir betrachten Suche entlang der Customer Journey. Heutzutage gibt es eine IT-Abteilung, die sich isoliert um die Webseitensuche kümmert. Eine andere Abteilung verwaltet unter Umständen die Standortdaten, um in Telefonbüchern, Navigationssystemen, bei Google, Apple Maps oder weiteren Diensten gefunden zu werden. Im Marketing gibt es das SEA- und SEO-Team, dass für die Sichtbarkeit der eigenen Produkte und der Website an sich in Google sorgt und damit Traffic zur Website generiert wird.

An all diesen Touchpoints stellen Kunden identische Fragen, aber voneinander isolierte Abteilungen arbeiten einzeln daran. Konsistenz ist ein wichtiger Teil der Customer Journey. Es sollte im Unternehmen eine Plattform geben, auf der alle öffentlichen Unternehmensinformationen zusammengetragen werden. Idealerweise ist das dieselbe Struktur, die Google nutzt - der Knowledge Graph. Dieser bietet die Möglichkeit, Sprachsuchen zu unterstützen.

Auch lokale Auffindbarkeit ist wichtig. Das zeigt z.B. die Suchanfrage nach Kredit. Hier werden neben Ads im sogenannten Local Pack lokale Ergebnisse angezeigt. Google versucht, jede Information zu lokalisieren. Unternehmen müssen daher mehr über lokalen Content nachdenken, das sehe ich als SEO-Aufgabe. Über alle Touchpoints müssen die gleichen Informationen ausgespielt werden, um den Kunden an jeder Stelle gleich zu bedienen und auf unsere Website zu bringen. Ist er dort angelangt, muss dafür gesorgt werden, dass er nicht wieder zu Google abspringt. Entweder muss der Kunde mit Ads "zurückgekauft" werden oder wurde für immer an den Wettbewerb verloren.

Die Herausforderungen wachsen mit der Menge an Content, die Google zu verwalten hat. Künstliche Intelligenzen kreieren immer besseren Content. Es wird eine Zeit kommen, in der diese Entwicklung exponentiell wächst. Unternehmen wollen Kontrolle behalten. Das funktioniert nur, wenn alle Aspekte der Suche betrachtet werden und möglichst innovativ über eine solche Plattform ausgespielt werden.

Moderne Customer Journey und Suchfunktion im Einklang

CP
2019 war ich bei Yext und habe anschließend einen Artikel über euer Konzept der Online-Suche verfasst.
Ein Leser kommentierte:

"gibt es wirklich Leute, die statt 2 keywords lieber nen ganzen Satz tippen? Bei der Suche nach "Mc Donalds" bekommt man bei google in der ersten Zeile eine map angezeigt, in der man den nächsten Laden findet.... Wer schreibt denn da ne ausformulierte Frage? Das scheint mir nicht komfortabler oder schneller zu sein."

TS
Auf einen kleinen Teil der Suchenden trifft diese Meinung sicher zu. Wer z.B. nach veganen Burgern in der Nähe sucht, oder "bester Burger in der Nähe", erwartet eine andere Art von Ergebnis. Zwei Personen, die dasselbe Ziel haben - z.B. der Kauf eines E-Bikes - gehen wahrscheinlich komplett unterschiedlich an diese Produktsuche heran. Einer fragt Google vielleicht: "Worauf muss ich beim Kauf eines E-Bikes achten?". Google liefert Informationen, die dem Suchenden helfen. Daraus können sich weitere Suchen ergeben, z.B. nach einem Mountain E-Bike.

Nutzer konvertieren nicht mehr in einer geraden Linie. Früher wurden Persona-Gruppen aufgebaut und für diese die Customer Journey erstellt, an deren Ende die Conversion stand. Durch Suche und nicht zuletzt durch Google hat sich eine Veränderung der Customer Journey hin zur Nutzerzentrierung ergeben. Auf das Beispiel bezogen heißt das, dass die Customer Journeys der zwei Personen nicht mehr miteinander vergleichbar sind, obwohl sie vielleicht in derselben Persona-Gruppe sind. Beantwortet ein Fahrradhersteller einem Nutzer eine oder mehrere Fragen auf dem Weg zu seiner Entscheidungsfindung, baut das Vertrauen auf. Je öfter der Fahrradhersteller auftaucht, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Suchende dort konvertiert.

Die Customer Journey beginnt heute nicht mehr mit Suchen wie "McDonalds in der Nähe", sondern beginnt schon zu einem viel früheren Zeitpunkt. Wir wissen mittlerweile, dass die Suchmaschinen unsere Fragen beantworten. Daraus ergibt sich der Aspekt, dass nicht mehr nur zwei oder Wörter gesucht werden, sondern viel breiter.

CP
Wie lange dauert es deiner Meinung nach noch, bis die Verbreitung der intelligenten Suchen weiter vorangeschritten ist und überall eingesetzt wird? Ist die Branche offen für dieses Konzept?

TS
Das wird noch Jahre dauern. Im Onlinehandel steht die Conversion und damit die Produktsuche im Vordergrund. Solange die Conversions nicht einbrechen, sehen viele keine Notwendigkeit zu agieren.Verstehen Unternehmen, wonach ihre Kunden wirklich suchen, verändert sich diese Sicht massiv. Die Nutzer sollen online dasselbe Einkaufserlebnis wie im Ladengeschäft haben. Im Geschäft fragen Nutzer nicht nur nach "blaue Hose L", sondern reden mit den Angestellten und stellen Fragen zum Produkt. Die gleichen Fragen gibt es auch bei den Online-Käufern. Je mehr dieser Fragen ein Unternehmen online beantworten kann, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer Conversion.

Neben den technischen Herausforderungen ist die Umsetzung auch eine organisatorische Aufgabe. Ist ein Unternehmen dazu bereit, die Customer Journey als Ganzes zu betrachten und die Suche an allen Touchpoints zusammenzuführen, ist das bereits ein wesentlicher Schritt. In diesem Moment bietet sich dem Unternehmen die Chance, gegen Google anzutreten. Zum kann die Sichtbarkeit bei Google gesteigert werden, zum anderen werden Absprünge an allen anderen Touchpoints verringert.

Unternehmen müssen aufhören, ihre Navigation zu Suchmaschinen auszulagern. Dort haben sie wenig bis keine Kontrolle. Vielmehr sollten Nutzer auf die eigene Website geholt werden und ihnen dort die Kaufentscheidung möglichst leicht zu machen. Diese Entwicklung wird noch einige Jahre dauern, speziell in Deutschland. Die evangelische Kirche z.B. nutzt auch die Suche, um Gläubigen oder Interessierten Fragen zu beantworten. Wenn eine jahrhundertealte Organisation so etwas umsetzt, ist das ein guter Fingerzeig für die Unternehmen, die sich noch nicht damit beschäftigen.

Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Christoph Pech

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.