Kreislaufwirtschaft

Wie wiederaufbereitete Elektro-Geräte den Planeten retten

Veröffentlicht: 06.12.2021 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 07.12.2021
Smartphone Kreislaufwirtschaft

Es mag perplex klingen, aber die europäische Woche der Abfallvermeidung überschneidet sich tatsächlich mit dem Black Friday – einem der umsatzstärksten Shopping-Tage des Jahres. Das erklärte Ziel des von der Europäischen Kommission initiierten Projektes lautet: Abfall jeder Art reduzieren. Dazu gehören nicht nur Aufräumaktionen in Städten, sondern auch Workshops und Aufklärung darüber, wie man die Lebensdauer von Dingen verlängert. Hose flicken und Bücher kleben ist dabei mittlerweile schon lange nicht mehr alles, was machbar ist. 

Auch im Technik-Bereich gibt es zunehmend Möglichkeiten, Geräte möglichst lange und effizient zu nutzen und diesen selbst nach der eigenen Nutzung noch ein zweites Leben zu schenken. Selbst Apple zieht mittlerweile mit, und bietet Möglichkeiten zur eigenständigen Reparatur von iPhones. Grund genug, sich mit dem Thema Wiederaufbereitung einmal gründlich auseinander zu setzen.

Elektroschrott: ein Teufelskreis

Laut Statista hat sich die Zahl der Smartphone-Besitzer in Deutschland von 2012 (36 Prozent) bis 2021 (88 Prozent) mehr als verdoppelt. Einer weiteren Erhebung zu Folge beläuft sich der Bestand an Smartphones weltweit im Jahr 2021 auf rund 4,33 Milliarden und soll Schätzungen zu Folge 2022 sogar auf 4,45 Milliarden Geräte ansteigen.

Geräte, die dabei nicht ihrer selbst wegen ersetzt wurden, landen in Privathaushalten häufig einfach in einer Schublade. Wie die Verbraucherzentrale unter Berufung auf Schätzungen des Branchenverbandes Bitkom berichtet, liegen in deutschen Haushalten rund 83 bis 86 Millionen Althandys herum. Jedes dieser Smartphones enthält dabei Edelmetalle wie Palladium, Platin und Silber. Die Verbraucherzentrale verweist dabei auf die Initiative „Solving the E-Waste Problem“, welche berechnete, dass je eine Million Althandys rund 26 kg Gold, 250 kg Silber, 9 kg Palladium sowie 9 t Kupfer enthalten.  

Bereits der Abbau dieser Edelmetalle geschieht dabei selten im Einklang mit der Umwelt. Eine Studie der gemeinnützigen Organisation Brot für die Welt titelt „Edles Metall – Unwürdiger Abbau“ und befasste sich mit der Verantwortung deutscher Konzerne beim Platinabbau in armen südafrikanischen Ländern. Die Organisation fordert darin auch die Politik dazu auf, Stellung zu beziehen und menschenrechtliche Sorgfalt im globalen Geschäftsverkehr gesetzlich zu verankern.

Doch nach dem Abbau hört die Ausbeutung selten auf, denn Unmengen von Elektroschrott aus europäischen Ländern finden das Ende ihrer Reise erneut in Afrika. Der Dokumentarfilm „Welcome to Sodom – Dein Smartphone ist schon hier“ berichtet beispielsweise von der größten Elektro-Müllhalde der Welt, in Ghana. Anwohner nennen diesen Berg „Sodom“. Seine Existent gefährdet dabei nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit der Menschen, deren Trinkwasser und Luft durch den Elektroschrott der Industrienationen verunreinigt werden. 

Das Kreislaufwirtschaftsgesetz 

Die Ausbeutung armer Ländern, die Endlichkeit von Ressourcen und ganz aktuell auch die weltweite Chip-Krise sind vermutlich die dringlichsten Gründe, aus denen man aus diesem Teufelskreis besser eine Kreislaufwirtschaft machen sollte. Einige wichtige Punkte hierzu sind bereits in dem seit 2012 geltenden Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) rechtlich verankert. Es besagt unter anderem, dass gezielte Abfallvermeidungsprogramme geschaffen werden sollen, um Produkte mit kritischen Rohstoffen zu identifizieren, und diese vor einer Entsorgung zu bewahren.

Im Weiteren sieht das Gesetz auch die Schaffung von Systemen zur Wiederaufbereitung, insbesondere von Elektro-Geräten, vor (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 d)). Auch die Obhutspflicht von Händlern wird hier gesetzlich geregelt. Folglich müssen Händler und Hersteller Verantwortung für von ihnen vertriebene Produkte beziehen und dafür Sorge tragen, dass diese, sofern möglich, eher wiederaufbereitet als entsorgt werden (§ 23 Abs. 2 Nr. 11).

Aus alt mach neu: Wiederaufbereitung von Handys

Neben den ursprünglichen Händlern, gibt es mittlerweile auch externe Anbieter, welche alte Elektronikgeräte aufkaufen, um diese wieder in den Kreislauf einzuführen. Das österreichische StartUp Refurbed konnte zur Unterstützung seines nachhaltigen Geschäftsmodells dieses Jahr eine Investition von 45,6 Millionen Euro einsammeln

Ein weiterer großer Mitstreiter auf dem Markt ist das französische Unternehmen Back Market. Der Marktplatz ist praktisch das Anti-Amazon und bietet Händlern für generalüberholte Elektronikgeräte eine Plattform. Im Interview erklärt Martin Hügli, General Manager Deutschland und Österreich von Back Market, wie das Unternehmen arbeitet.

BackMarket MartinHuegli

OnlinehändlerNews: Wie kommen die gebrauchten Geräte in erster Linie zu euch? Von Privatkunden, die sie an euch verkaufen oder arbeitet ihr ggf. auch mit Sammelstellen für alte Handys zusammen? 

Martin Hügli: Für Privatkunden bieten wir zwei Möglichkeiten an, ihre alten Geräte über unsere Plattform wieder in den Umlauf zu bringen: Zum einen über unseren Service ‘Swap’, bei dem Kunden ihre alten Geräte bei Back Market schätzen lassen und den Gegenwert als Preiserstattung auf ihr neues Gerät erhalten. Zum anderen bieten wir seit Herbst mit ‘BuyBack’ eine Ankauf-Option, über die Verbraucher nach einer ersten Schätzung ihr Gerät kostenlos zu uns schicken, unsere Refurbishing-Experten es begutachten und der Kunde dann von uns den entsprechenden Rückkaufpreis überwiesen bekommt. 

Bei beiden Optionen spielt natürlich der Zustand der Geräte eine zentrale Rolle. Der Großteil der wiederaufbereiteten Geräte kommt allerdings nicht von Privatkunden, sondern von Refurbishern mit denen wir zusammenarbeiten und die beispielsweise Smartphones oder Tablets über uns verkaufen. Das Vorleben von Technik aus dem Refurbished-Sektor ist dabei recht vielfältig. Die Geräte waren vorher Ausstellungsstücke, sind beim Transport kaputt gegangen oder waren ursprünglich Leihgeräte, die das Ende ihres Miet-Zyklus erreicht haben. 

Umfassende Qualitätsprüfungen sorgen für einen einheitlichen Standard

Ihr bietet einen Marktplatz für Händler wiederaufbereiteter Geräte. Wie stellt ihr deren Qualität sicher?

Alle Geräte werden bei uns in zertifizierten Werkstätten wieder aufbereitet. Möchte ein Händler über Back Market verkaufen, dann prüfen wir in einem Audit zunächst desen Betriebs- und Qualitätsverfahren. Dabei schauen wir uns jeden einzelnen Bereich unserer Qualitätscharta an, damit wir sicherstellen, dass der Händler über sehr gute Standards verfügt. Unsere Qualitätscharta ist für unsere Refurbisher in jeder Phase ihrer Tätigkeit verbindlich, beispielsweise bei der Produktprüfung, Reparatur, Lieferung oder dem Kundendienst. 

Hat ein Händler das Auswahlverfahren bestanden, darf dieser nicht mehr als zehn Produkte pro Tag verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt überprüft ein spezielles Team intern alle Aspekte der Leistung des Händlers, darunter fallen zum Beispiel die Fehlerquote, Versandgeschwindigkeit oder Reaktionsfähigkeit des Kundendienstes. Entsprechen die Ergebnisse nicht unseren Erwartungen, arbeiten wir gemeinsam mit dem Händler daran die Resultate zu verbessern. 

Um Qualität zu gewährleisten, machen wir fortlaufende Analysen auf Basis unseres Datenbestandes. Dadurch können wir das Qualitätsniveau eines Refurbishers beurteilen und es mit unseren Standards vergleichen. Unser Team von Kundenbetreuern überprüft dafür die Daten der Händler in Echtzeit. Wenn ein Händler hierbei nicht überzeugt, dann setzen wir ihn sofort unter Beobachtung und begrenzen seinen täglichen Umsatz, während wir gleichzeitig mit ihm an einer Lösung arbeiten. Eine weitere Qualitätsprüfung von unserer Seite sind sogenannte Mystery Order, bei den wir aus Sicht eines Kunden Testbestellungen tätigen. Unsere technischen Experten führen jeden Monat mehr als 100 Testbestellungen und Überprüfungen durch. Zusammen mit täglichen Follow-ups der Kundenbetreuer ermöglichen uns die Testbestellungen eine gründliche Überprüfung der Seriosität unserer Produkte.

Endverbraucher erhalten so die bestmögliche Qualität bei Back Market zu einem fairen Preis. Dafür kommt ein Algorithmus zum Einsatz, der das beste Preis-Leistungs-Verhältnis (und nicht nur den besten Preis) ausgibt, indem er unsere Händler auf der Grundlage ihrer Qualitätsbewertung einstuft. 

Teilt ihr dabei auch eure Expertise mit diesen Händlern?

Unsere Geräte sind nur so gut wie unsere Händler, daher ist der Austausch mit ihnen extrem wichtig. In Frankreich haben wir dafür extra ein Innovation Lab eingerichtet, in dem unsere Experten zum Beispiel den Akku-Austausch eines Gerätes optimieren und dieses Wissen sowie damit verbundene Tipps und Tricks mit den Händlern teilen. Dort wird auch an Forschungs- und Entwicklungsprogrammen gearbeitet, um unsere Händler mit den relevanten Komponenten zu versorgen. Das beinhaltet unter anderem einen Katalog an wichtigen Bestandteilen, Maschinen und Software. 

Wir sind zu einer äußerst wertvollen Informationsquelle für die Händler geworden, sowohl was ihre technischen Leistungen als auch die Zuverlässigkeit ihrer Produkte und industriellen Prozesse angeht. Für die Verbraucher sind wir ein vertrauenswürdiger Marktplatz und wir sind ebenso dazu da, den Händlern zu helfen, noch bessere Produkte und Dienstleistungen anzubieten, um aus Refurbished eine echte Alternative zu machen.

Ihr gebt 3 Jahre Garantie auf die von euch aufbereiteten Geräte. Was passiert, wenn diese in Anspruch genommen wird? Werden auch die auf diese Weise an euch retournierten Geräte erneut überholt und wieder an den Kunden geführt oder neu verkauft?

Genau genommen haben wir eine Verkäufergarantie von 12 Monaten, zu der noch 24 Monate Extra-Garantie hinzukommen. Das heißt, dass unsere Verkäufer 12 Monate Garantie anbieten und Back Market nochmal 24 Monate zusätzlich drauflegt.

Sobald ein Kunde die Garantie in Anspruch nimmt, wird das Gerät so weit wie möglich repariert. Wenn dies aber nicht mehr geht, da zum Beispiel Ersatzteile fehlen, dann tauscht Back Market es aus oder erstattet es. Ein Gerät, das ausgetauscht wird oder zurückkommt, durchläuft einen sorgfältigen Prozess und wird auf Herz und Nieren geprüft. Anschließend geht es wieder in den Verkauf. Kann es allerdings nicht mehr repariert werden, wird es recycelt.

Wiederaufbereitung ist kein unendlicher Kreislauf

Lässt sich ein Endpunkt für diesen Wiederaufbereitungszyklus festmachen, ab welchem Zeitpunkt würden die Kosten hier den Nutzen übersteigen?

Das hängt vor allem davon ab, wie viele Teile des Geräts ausgetauscht werden müssen, und auch vom Preis der Ersatzteile. Deshalb setzen wir uns für eine klare Gesetzgebung zum Recht auf Reparatur ein: Wenn die Hersteller ihre Ersatzteile zu überhöhten Preisen anbieten, können die Refurbisher nicht auf diese Ressource zugreifen, weil ihre Gewinnspannen ohnehin schon eher niedrig sind.

Was geschieht mit Geräten, die nicht zu retten sind? Lehnt ihr diese von vornherein ab, oder kommen sie womöglich noch als Ersatzteilspender in Frage? Oder habt ihr noch ganz andere Wege, die enthaltenen Ressourcen dem Kreislauf wieder zuzuführen?

Geräte werden so oft wie möglich wiederaufbereitet. Das kann manchmal nur einmal sein, oder auch viermal. Sind sie aber zu beschädigt, um wiederaufbereitet zu werden, also müssten im Grunde alle Teile ausgetauscht werden, dann ist es besser, die Komponenten weiterzuverwenden, die noch brauchbar sind und den Rest komplett zu recyclen. Das machen die Händler, die ihre aufbereiteten Geräte über Back Market verkaufen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Wichtig für Händler: Gebrauchtwarendefinition

Zum Schluss ein Hinweis für Händler, welche den Verkauf gebrauchter und wiederaufbereiteter Geräte betreiben. Derlei Geräte zählen trotz sorgfältiger Wiederaufbereitung nicht mehr als Neuware und dürfen nicht als solche deklariert verkauft werden. Wie das EuGH in einem Urteil von 2017 (Az.: C-133/16) beschlossen hat, dürfen Händler die Verjährungsfrist für Mängelansprüche darüber hinaus nicht auf einen Zeitraum von weniger als zwei Jahren zu verkürzen. Keinen Einfluss hat der Zustand des Gerätes aber auf das Widerrufsrecht, welches auch beim Verkauf von Gebrauchtwaren uneingeschränkt gültig ist.

Für weitere Informationen hierzu bietet der Händlerbund eine Informationsseite zu den Unterschieden beim Verkauf von Neu- und Gebrauchtwaren.

Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Ricarda Eichler

Kommentare  

#1 Jürgen 2022-08-16 10:39
Aufjedenfall ein interessantes und wichtiges Thema. Habe einige sogenannte refurbished Geräte für mein Büro gekauft und bin damit eigentlich sehr zufrieden. Meinem Geldbeutel hat es gut getan und meinem Gewissen schadet es auch nicht, etwas gutes für die Umwelt zu tun. Kann ich also empfehlen!
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