Kolumne „Pech gehabt“

Tech-Bosse vor dem US-Kongress: Keine Götterdämmerung

Veröffentlicht: 31.07.2020 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 31.07.2020
Magazintitel Jeff Bezos

Stellen Sie sich vor, Donald Trump würde in Großbuchstaben vertwittern, dass die USA ja gar nicht so groß und wichtig für die geopolitische Entwicklung sind. Oder Clemens Tönnies, der überzeugt erklären würde, dass in seinen Schlachtbetrieben ja vergleichsweise wenig Schweine zu Billighack verarbeitet würden. Oder stellen Sie sich vor, wie Kalle Rummenigge seinen FC Bayern zu einem kleinen Licht im europäischen, wenn nicht gar deutschen Fußballgeschäft stilisieren würde. Davon abgesehen, dass das in diesen Zeiten wahrscheinlich nicht einmal viele Menschen überraschen würde – über den Inhalt solcher Aussagen würden in den sozialen Netzwerken aber mindestens mal unzählige schlechte „Ich habe einen Witz, aber..“-Beiträge durch die Feeds wandern.

An diesem Mittwoch mussten – endlich, möchte man meinen – Jeff Bezos, Tim Cook, Mark Zuckerberg und Sundar Pichai vor dem US-Kongress für ihre Geschäftspraktiken geradestehen – und durften viel geraderücken. Oder was sie so für „gerade“ halten. Da durfte dann zum Beispiel Jeff Bezos geraderücken, dass Amazon ja nun wirklich nicht so riesig und marktbeherrschend ist. Schließlich gibt es ja viel größere Konzerne wie Walmart und überhaupt sei man ja sowieso nur für ein Prozent des weltweiten Handelsvolumens verantwortlich. Dass ein Prozent von 25 Billionen US-Dollar immer noch relativ viel ist, sei mal dahingestellt. Das wohlgemerkt vom reichsten Menschen der Welt.

Einen Tag nach der Anhörung haben die Konzerne ihre Quartalsergebnisse präsentiert und zwischen fünf und zwölf Milliarden US-Dollar Gewinn vermeldet. Sie haben es schon schwer.

Leichtes Spiel für die Tech-Bosse

Amazon kannibalisiert die eigenen Händler, Apple benachteiligt Fremd-Entwickler, Facebook kopiert und kauft dann Konkurrenten auf, Google lässt die Wettbewerber außen vor und hält sie klein – diese Vorwürfe sind bislang unbestätigt, aber sie wiegen schwer und es wird mindestens spannend, zu beobachten, ob und wie die „Big Four“ sie entkräften können. Dass sie am Ende glimpflich aus der Nummer herauskommen, dürfte feststehen. Man muss schon sehr naiv sein, um zu glauben, dass die wichtigsten Konzerne der Welt im Herbst zerschlagen, aufgespalten oder hart reguliert werden.

So schwammig, ausweichend und inhaltsleer Bezos, Cook, Zuckerberg und Pichai auch geantwortet haben, ihre Gegenüber im Kongress haben es ihnen eben auch sehr leicht gemacht. Wenn Mark Zuckerberg gefragt wird, warum bestimmte Inhalte bei Twitter gelöscht oder nicht gelöscht werden, dann ist es für ihn ein geschenkter Punkt. Der Kartellausschuss hat sich, so heißt es, über ein Jahr lang auf die Anhörung vorbereitet. Interviews wurden geführt, Dokumente gesichtet, Fragen vorbereitet – um sich dann in der Anhörung in Parteienstreitigkeiten zu verlieren, während Jeff Bezos Nüsse knabbert.

Das war nun quasi die erste Fragestunde und jetzt geht es erst richtig los. Solange aber das Narrativ vom kleinen Licht in der großen Wirtschaftswelt bedient werden darf, solange sich diese vier sehr reichen Männer, die sich durch harten und nicht immer fairen Wettbewerb zur ihren Milliarden gearbeitet haben, mit Worthülsen und Lippenbekenntnissen aus der Affäre ziehen dürfen – solange werden sie ihre Wege unbeirrt fortsetzen.

Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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