Ama-Zone

Amazon verbockt seine Chancen bei Videospielen

Veröffentlicht: 22.04.2021 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 22.04.2021
Flop im Gaming-Bereich: Game over

In der Reihe „Ama-Zone“ grübelt Tina Plewinski über die vielfältige Welt von Amazon: über Vor- und Nachteile des Online-Riesen, neue Entwicklungen, trendige Hypes, die unablässigen Machtbestrebungen des Konzerns und – im aktuellen Teil dieser Reihe – über Amazons offensichtliche Orientierungslosigkeit im Gaming-Bereich.

Die Negativschlagzeilen, die Amazon im Gaming-Bereich schreibt, reißen einfach nicht ab. Jüngstes Beispiel ist das vor zwei Jahren groß angekündigte Online-Rollenspiel zum Fantasy-Epos „Der Herr der Ringe“. Viele Film- und Serienfans fiebern bereits dem Ende des Jahres entgegen: Dann nämlich will Amazon seine Serien-Adaption der gefeierten Film-Trilogie präsentieren und dem großen Vorbild „Game of Thrones“ endlich die Stirn bieten!

Was könnte Amazon also Besseres passieren, als den potenziellen Hype um die neue „Herr der Ringe“-Serie mit einem hauseigenen Videospiel noch weiter anzuheizen und auszuschlachten?! Doch was macht der Konzern? Er verkündete laut Golem die komplette Einstellung des angekündigten Spiels. Das Projekt, das nach eigenen Aussagen „höchste Qualität“ bieten und von einem erfahrenen Entwickler-Team kreiert werden sollte… einfach begraben. Tot. Und dies ist nur das jüngste Scheitern in einer ganzen Reihe von Gaming-Fehltritten.

Schlechte Kritik für Amazons „Crucible“

Schaut man sich die Meldungen aus dem Gaming-Bereich an, könnte man den Eindruck gewinnen, dass Amazon wirklich, WIRKLICH versucht, hier erfolgreich zu sein. 2018 verkündeten die Amazon Game Studios noch, dass man „Gaming auf die nächste Stufe heben“ wolle. Geglückt ist dies zeitnah nicht. 2019 entließ das Unternehmen Dutzende Mitarbeiter und strukturierte die Teams neu, um Ressourcen und Prioritäten besser aufstellen zu können. Alles sollte besser werden. Doch auch das hauseigene Videospiel „Crucible“ – ein quietschiger, massentauglicher Shooter, der 2020 präsentiert wurde – wurde schneller wieder eingestampft als man „Videospiele“ sagen kann.

Die Branchenexperten von Game Two urteilten etwa, dass es wirkt, als hätten die Macher von „Crucible“ nur eine Devise verfolgt: „Alles musste rein, was bei der Konkurrenz funktioniert hat“. Oder anders formuliert: Amazon hat sich einfach gut funktionierende Elemente von Spiele-Hits wie „Valorant“, „Apex“,„Overwatch“, „Fortnite“ oder „PUPG“ geklaut und sie zu einem eigenen Spiel zusammengeschmolzen. Neben der Kreativlosigkeit ließ Game Two auch an Elementen wie dem Spielgefühl, der Orientierung auf der Karte, der Waffennutzung, der Bewegung der Charaktere oder dem Trefferfeedback kaum ein gutes Haar. Ziemlich vermurkst also.

Ein bisschen wie bei Pinky Gloves...

Alles in allem überkommt mich das Gefühl, dass Amazon einfach nicht weiß, was Gamer wollen. Und dieses Nicht-Wissen dürfte für den Konzern tatsächlich Neuland sein – denn Amazon kennt schließlich unsere Kaufgewohnheiten, unsere Vorlieben und Wünsche. Doch eben nur im Handel und nicht im Gaming-Bereich. 

Hat Amazon eigentlich im Vorfeld, bei der Entwicklung und Konzipierung seiner geplanten Videospiele mal mit Gamern gesprochen? Die Kritiken an „Crucible“ waren teils so hart, dass man die Frage mal eben einfach glatt verneinen möchte. Die fehlende Rücksprache mit der Zielgruppe hat schon so manchem Unternehmen das Genick gebrochen! Jüngstes Beispiel: Das Desaster rund um das Tampon-Handschuh-StartUp Pinky Gloves.

Gamer verlangen kein Hochglanz-Chichi

Wie kann es sein, dass ein Multimilliarden-Dollar-Unternehmen mit Experten ohne Ende einfach keinen Gaming-Hit landet? Und an dieser Stelle sei auch angemerkt, dass Gamer nicht nur auf glattgezogene Hochglanz-Triple-A-Spiele stehen. Es gibt unzählige kleinere Indie-Games von vergleichsweise kleinen Entwickler-Studios, die keine Millionen oder Milliarden im Rücken haben. Und die trotzdem große Erfolge feierten: „Stardew Valley“, „Gris“, „Fall Guys“, „Hades“, „Among Us“… alles Spiele, die begeisterte Kritiken hervorriefen, weil sie bei den Gamern einen Nerv getroffen haben. 

Die genannten Spiele sind dabei optisch nicht immer ein Meilenstein. Und das müssen sie auch gar nicht. Aber sie müssen Interesse wecken, die Spieler nicht nur kurzfristig ködern, sondern sie durch Spielführung und ausgeklügelte Elemente langfristig bei der Stange halten. 

Amazon steht wie kaum ein anderes Unternehmen für weltlichen Konsum. Es geht um das Hier und Jetzt. Um die materielle Welt. Besitz. Und darin liegt vielleicht auch der Casus knacksus: Denn es ist ein gravierender Unterschied, ob wir materielle Produkte konsumieren oder uns durch Videospiele für einige Stunden in eine andere Welt begeben, die uns Neues erleben und ungeahnte Emotionen fühlen lässt oder uns einfach nur hilft, zu entspannen und aus dem Alltagsstress zu fliehen. Und das Geheimnis dieses Gaming-basierten Eskapismus scheint Amazon noch nicht entdeckt zu haben.

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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