Fake-Leserbriefe

Anti-TikTok-Kampagne: So wollte Facebook den Konkurrenten runtermachen

Veröffentlicht: 01.04.2022 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 01.04.2022
Facebook Daumen runter

Facebook hat immer noch Milliarden Nutzer und mit dem Metaverse auch einiges vor – doch gerade junge Zielgruppen sind längst bei TikTok und Co. Die Social-Video-App aus China bietet kurze Clips, mit denen Macher schnell Zigtausende Nutzer erreichen können – die sich im Ideal- (oder schlimmsten) Fall stundenlang durch die mehr oder weniger kreativen Filmchen wischen.

Doch der Aufstieg TikToks hat Facebook jetzt zu einer wenig sozialen Maßnahme getrieben: Mark Zuckerbergs Netzwerk hat versucht, mit einer professionellen Kampagne das Image des chinesischen Konkurrenten zu schädigen, wie die Washington Post berichtet, die sich dabei auf interne Mails beruft.

Fake-Leserbriefe gegen TikTok in US-Zeitungen

Dafür soll Facebook die PR-Agentur Targeted Victory beauftragt haben, die schlechte Nachrichten über TikTok lancieren sollte, um die Plattform als gefährlich für Kinder und die Gesellschaft darzustellen. Die Agentur soll unter anderem Fake-Leserbriefe von „besorgten Eltern“ sowie Meinungsbeiträge in großen Zeitungen platziert und versucht haben, Journalisten zu negativer Berichterstattung über vermeintlich gefährliche TikTok-Trends zu bringen – von denen es auch wirklich einige gibt. „Ein Traum wäre es, Geschichten mit Schlagzeilen wie ,Vom Tanz zur Gefahr‘ zu bekommen“, soll einer der Kampagnenleiter gefordert haben. Videos mit Tanz-Choreografien spielen eine wichtige Rolle bei TikTok. Besonders kurios: Manche dieser vermeintlichen Trends sollen dabei sogar eher von Facebook selbst stammen. 

Facebook will von eigenen Problemen ablenken

Facebook wollte so wohl nicht nur die aufstrebende Konkurrenz kleinhalten, sondern auch von eigenen Problemen bezüglich Datenschutz und Monopol ablenken. Das soziale Netzwerk und auch andere große Tech-Konzerne werden in den USA in jüngster Zeit kartellrechtlich schärfer unter die Lupe genommen. Die Botschaft der Negativ-Kampagne solle sein, dass „TikTok jedoch die wahre Bedrohung darstellt, insbesondere als ausländische App, die die Nummer 1 beim Austausch von Daten ist, die junge Teenager verwenden“, soll es in einer E-Mail eines Verantwortlichen heißen. 

Andy Stone, Sprecher des Meta-Konzerns, verteidigte die Facebook-Kampagne: „Wir glauben, dass alle Plattformen, einschließlich TikTok, einer Überprüfung unterzogen werden sollten, die ihrem wachsenden Erfolg entspricht.“

Ein TikTok-Sprecher erklärte dazu, das Unternehmen sei „zutiefst besorgt“ über „das Anheizen lokaler Medienberichte über angebliche Trends, die auf der Plattform nicht gefunden wurden“. 

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Überwachungskapitalismus:
Facebook finanziert Schmutzkampagne gegen TikTok
Eine Agentur versucht im Auftrag von Facebook, schlechte Nachrichten über den Konkurrenten TikTok zu lancieren und diesen als gefährlich für Kinder und die Gesellschaft darzustellen. Es geht offenbar auch darum, von eigenen Problemen abzulenken.

31.03.2022 um 18:15 Uhr - Markus Reuter - in Öffentlichkeit - keine Ergänzungen
Frauen-Rugbyspiel im Schlamm
Facebook (links) versucht, TikToks (rechts) Erfolg aufzuhalten. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Mika Volkmann
Im Kampf um Marktanteile im Überwachungskapitalismus wird mit harten Bandagen gekämpft. Facebooks Muttergesellschaft Meta bezahlt laut Recherchen der Washington Post die PR-Firma Targeted Victory, um die Öffentlichkeit gegen die chinesische Videoplattform TikTok aufzubringen. Die Lobby- und Medienkampagne soll TikTok als gefährlich für Kinder und Gesellschaft in den Vereinigten Staaten darstellen.

In der Washington Post heißt es unter Berufung auf interne Mails:

Die Kampagne umfasst die Platzierung von Meinungsbeiträgen und Leserbriefen in großen regionalen Medien, die Förderung von dubiosen Geschichten über angebliche TikTok-Trends, die in Wirklichkeit von Facebook stammen, und das Bemühen, politische Reporter und Lokalpolitiker dazu zu bringen, bei der Zerschlagung des größten Konkurrenten [von Facebook] zu helfen.

Ablenken von Themen wie Datenschutz und Kartellrecht
Es solle die Botschaft vermittelt werden, dass Meta zwar der aktuelle Sandsack sei, auf den alle einschlagen, TikTok aber die wirkliche Bedrohung darstelle, schrieb ein Manager von Targeted Victory laut der Washington Post in einer E-Mail. Zudem solle man die Bekanntheit von TikTok nutzen, um von Datenschutz- und Kartellrechtsfragen bei Meta abzulenken.

In einer anderen Mail werden Mitarbeiter von Targeted Victory aufgefordert, Geschichten mit gefährlichen TikTok-Trends an lokale Medien zu schicken. Die Zeitung zitiert aus einer E-Mail: „Ein Traum wäre es, Geschichten mit Schlagzeilen wie ‚Von Tänzen zur Gefahr: Wie TikTok zum schädlichsten Social-Media-Bereich für Kinder geworden ist‘ zu bekommen“.

Hierfür sammelte die Agentur, die viel für die US-Republikaner arbeitet, laut dem Medienbericht auch Links zu zweifelhaften Artikeln über angeblich gefährliche Trends auf der Videoplattform. Im vergangenen Oktober versuchte die Agentur dann offenbar einen angeblichen Trend zu lancieren, eine „Schlage Deinen Lehrer“-Challenge. Diesen Trend gab es aber nie auf TikTok, Gerüchte über ihn kursierten hingegen auf Facebook.

Falsche Leserbriefe
Targeted Victory bediente sich dabei auch Undercover-Taktiken: So erschien zum Beispiel in der Denver Post am 12. März ein Leserbrief von „besorgten Eltern“, bei dem Mitarbeiter der Agentur mitgewirkt haben sollen. In diesem Brief wurden Datenschutzmängel angeprangert und behauptet, dass TikTok der psychischen Gesundheit von Kindern schade. Ähnliche Briefe fand die Washington Post auch bei anderen Medien.

Auf die Kampagne angesprochen, sagte Targeted Victory gegenüber dem Medium nur, dass sie seit Jahren mit Facebook zusammenarbeiten. Meta-Sprecher Andy Stone verteidigte die Kampagne hingegen mit den Worten, dass „alle Plattformen, einschließlich TikTok, ein Maß an Kontrolle erfahren sollten, das ihrem wachsenden Erfolg entspricht.“ Bei TikTok zeigte man sich über die Kampagne und das „Befeuern von lokalen Medienberichten über angebliche Trends, die nicht auf der Plattform zu finden sind“ besorgt.

 

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Über den Autor/ die Autorin

Markus Reuter
Markus Reuter beschäftigt sich mit den Themen Digital Rights, Hate Speech & Zensur, Desinformation, Rechtsradikale im Netz, Videoüberwachung, Grund- und Bürgerrechte sowie soziale Bewegungen. Bei netzpolitik.org seit März 2016 als Redakteur dabei. Er ist erreichbar unter markus.reuter | ett | netzpolitik.org und auf Twitter unter @markusreuter_

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