Kolumne: Der stationäre Handel in der digitalen Einkaufs-Hölle

Veröffentlicht: 07.11.2014 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 07.11.2014

Es gibt jene modernen Unternehmen, die die technischen Möglichkeiten der Zeit ausschöpfen, um den eigenen Kunden den bestmöglichen (HighTech-)Service zu bieten. Und es gibt andere, die es versuchen und scheitern. Ich habe letztens einen stationären Händler aufgesucht, der zwar – im Gegensatz zu vielen anderen Konkurrenten – auf eine lange Tradition zurückblicken kann, sich jedoch beim Thema Modernität und Technologie selbst im Weg zu stehen scheint. Vielmehr noch: Ich musste kürzlich den Eindruck gewinnen, dass das Internet für manch einen Händler immer noch völliges #Neuland ist.

Was war geschehen?

Ich habe mich vor einigen Tagen zur Abwechslung mal in den Dschungel des stationären Handels begeben und was ich dort gefunden hab, lies mein friedliebendes Online-Herz bluten…

Ich betrat nichtsahnend die heiligen Hallen des eines traditionsreichen Kaufhauses und fand – unter Zutun einer durchaus freundlichen und engagierten Mitarbeiterin – eine winterlich-warme Jacke, die genau meinen Vorstellungen entsprach. Leider gab es das gute Stück nicht mehr in meiner Größe, sodass mir die Dame umgehend anbot, mir die Jacke über ein hauseigenes Tablet zu bestellen und sie kostenfrei zu mir nach Hause liefern zu lassen. „Super!“, dachte ich. „Der Multichannel lebt und ich stecke mittendrin!“

Doch zu früh gefreut. Denn dann ging der Multichannel-Horror erst richtig los: Am festgeschraubten Tablet angekommen, musste sich die Verkäuferin erst einmal mit ihrem persönlichen Account einloggen. Doch so einfach wie „Login“ klingt, schien es tatsächlich nicht zu sein. Gemeinhin kennt man folgende These: „Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“

– Das hielt die nette Verkäuferin jedoch nicht davon ab, immer und immer wieder ihre Mitarbeiter-Karte im Tablet einzuscannen ohne das etwas passierte. Sie wunderte sich, warum der Login nicht funktionierte. Bis sie nach etwa 20 Versuchen herausfand, dass man erst den „Login“-Button drücken und dann die Mitarbeiter-Karte einlesen musste. So vergingen die ersten Minuten.

Mit Blick auf den Bestellprozess des hauseigenen Online-Shops konnte ich feststellen, dass es ein handelsübliches 4-Schritt-System vorlag: 1. der Warenkorb, in dem der gewünschte Artikel aufgelistet wurde und man zum Beispiel die Menge noch variieren könnte. Das war recht unproblematisch. So weit so gut.

Doch schon beim 2. Schritt, nämlich der Eingabe der persönlichen Daten, schien es, als würde die Dame zum ersten Mal in ihrem Leben eine Tastatur benutzen. „Naja…“, dachte ich. „Nicht jeder ist ein Kind der HighTech-Generation.“ Und ihr Ein-Finger-Hack-System, bei dem sie die Buchstaben mit dem Zeigefinger förmlich in den Tablet-PC stanzte, führte nach vielen Minuten (in denen ich dem Tablet meine stille Anteilnahme verkündete) letztendlich zum Ziel.

Als 3. Etappe galt die Wahl der Zahlungsart: Mit der Rechnungszahlung war ich als Kunde zufrieden. Der Haken war schnell gesetzt. „Jetzt sind wir gleich durch!“, dachte ich. Und wurde abermals enttäuscht.

Da ich nämlich einen Rabatt-Coupon besaß, wollte ich natürlich auch davon profitieren. Der Coupon versprach eine Ersparnis von mehreren Prozent und zusätzlichen Treuepunkten. Dazu sollte im abschließenden Schritt lediglich ein Code eingegeben werden. Zur Veranschaulichung stellen wir uns vor, es war der Code „Aktion123“.

Doch die Eingabe sollte sich schwieriger gestalten, als gedacht. Nach dreimaliger Eingabe von „123“ in die Code-Leiste (und dreimaligem Fehlschlag), musste die Verkaufsberaterin feststellen, dass irgendetwas nicht stimmte. Ich riet ihr – nachdem ich anfing, langsam von einem Fuß auf den anderen zu trippeln – es doch einmal mit dem vollständigen Code und nicht nur mit den Zahlen zu probieren.

Meine langsam aufkeimende Ungeduld verringerte sich im Übrigen nicht, als sie den Code (aus Buchstaben UND Zahlen) inklusive der Anführungsstriche „“ eintippte. Da es sich als anständige Kundin nicht ziemt, die engagierte Verkäuferin beiseite zu kicken und die Online-Bestellung selbst in die Hand zu nehmen, riss ich mich zusammen.

Freundlich wies ich darauf hin, dass die Anführungszeichen wohl nicht zum Rabatt-Code gehören. Für diese Anmerkung erntete ich einen verwirrten und leicht pikierten Blick. – Nun ja, aus ihrer Sicht war ich wahrscheinlich ein Besserwisser. Doch aus meiner Sicht war ich lediglich eine friedliebende Kundin mit einer begrenzten Menge an Geduld und Zeit.

Alle Daten waren schließlich eingegeben, alle Optionen ausgewählt und die Bestellung endlich abgeschlossen. Wir ließen beide ein Seufzen hören: Die Verkäuferin wahrscheinlich aus Stolz, weil sie den hauseigenen Online-Shop besiegt hat. Und ich, weil sich meine Geduld tatsächlich dem Ende neigte.

Als die glückliche Dame sich schließlich verabschiedete und erhobenen Hauptes davon stolzierte, blieb mir leider nichts anderes übrig, als sie erneut an das Tablet zurückzurufen. Schließlich wurden gerade meine persönlichen Daten in ein fremdes Gerät eingegeben, das – befestigt an der Theke des Geschäfts – jedem anderen Kunden frei zugänglich schien. Ich bat sie also die „zurücksetzen und ausloggen“-Schaltfläche zu drücken, um meine Privatsphäre zu wahren.

Nach reichlich 30 Minuten (!!!) hatte ich also meine Wunsch-Jacke online bestellt. Rekord! Der wahrscheinlich langwierigste Online-Einkauf meines Lebens. – Ein Ereignis, das mich aller Voraussicht nach noch lange prägen wird. Und das zugleich zeigt, dass die größten Schwierigkeiten nicht die Technologien sind, sondern die Unternehmen, die es einfach nicht schaffen, ihre Mitarbeiter ausreichend zu schulen. Traurig!

Wie sich Händler in Sachen Multichannel fit machen, hat der Händlerbund im Übrigen in seiner neuen Multichannel-Broschüre (pdf) zusammengefasst.

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