Kommentar: RTL rührt die Panik-Trommel – unseriös und undifferenziert

Veröffentlicht: 16.06.2015 | Geschrieben von: Julia Ptock | Letzte Aktualisierung: 16.06.2015

Am Sonntag hieß es bei RTL mal wieder „Nicht mit uns!“ Das Verbrauchermagazin, das mit Überschriften auf Bild-Niveu zu überzeugen versucht, hat sich dieses Mal den Online-Handel vorgenommen. Das Resultat: Panik-Mache in Perfektion.

Zwei Comic-Figuren die sich gegenseitig manipulieren

(Bildquelle Manipulation: igor kisselev via Shutterstock)

Dass der Online-Handel der Untergang des stationären Abendlandes-Handels ist, ist eine bekannte Sache. Die Leute kaufen immer mehr im Netz und die Innenstädte veröden und sterben. Die These wurde oft diskutiert – zuletzt wenig erkenntnisreich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bei „Hart aber Fair“.

Nun hat auch RTL das Thema für sich entdeckt, allerdings aus Verbrauchersicht. Das Verbrauchermagazin „Nicht mit uns!“ wollte wissen, warum immer mehr Menschen im Internet einkaufen. Die bisherigen Folgen der Reihe mit Titeln wie „Die große Möbel-Abzocke“, „Die große Outlet-Abrechnung“ oder „Die große Schnäppchen-Lüge“ ließen bereits im Vorfeld nichts Gutes für den Online-Handel verheißen.

Alter Hut: die Tricks sind keine Erfindung des Online-Handels

Diesmal hieß die Folge „Die große Online Verführung“. Der Tenor der Sendung? Manipulation, fiese Verkauf-Tricks und Abzocke. Die Shopbetreiber bewegen sich mit ihren fiesen Verkauf-Tricks am Rande der Legalität. Ah ja…

Aber um was ging es eigentlich? RTL wollte untersuchen, mit welchen Tricks Online-Händler die Kunden zum Kauf animieren. Dafür wurden zwei identische Online-Shops gelauncht. Der eine mit und der andere ohne „manipulatorische Elemente“. Kurz und knapp, es wurde ein A/B-Test durchgeführt.

Um welche angeblichen Online-Handel-Tricks handelte es sich also im Speziellen?

  • Perfekte Produktfotos
  • Störer
  • Künstliche Verknappung von Ware und Countdown
  • Scheinbare Rabatte und gestrichene Preise
  • Gefälschte Gütesiegel

Bei kurzem Nachdenken merkt man jedoch relativ schnell: Das kennt man. Und zwar schon lange. Und zwar aus dem stationären Handel. Denn beim Großteil der angeblich so fiesen Tricks aus dem Online-Handel handelt es sich um ganz gewöhnlichen Marketing-Strategien, die auch im stationären Handel angewendet werden. Zum Beispiel reicht ein kurzer Blick in den guten alten Otto-Katalog. Auch da sehen wir nur perfekte Produktbilder. Oder auf Lebensmittelverpackungen. Die sogenannten Störer, also Flächen mit grellem Rot, sind auch bekannt als Angebotsschilder und auch in jedem Supermarkt zu finden.

Differenzierte und seriöse Berichterstattung? Leider Fehlanzeige

Tatsächlich fragwürdig wird es allerdings, wenn Online-Händler Werbung mit Gütesiegeln machen, ohne dabei über die Grundinformationen wie Prüfkriterien und Prüfergebnisse zu informieren, denn die Werbung mit Gütesiegeln muss für Verbraucher transparent sein. Während Online-Shopper aber durch einen einfachen Klick herausfinden können, wofür das Gütesiegel, durch wen, wann und für welchen Zeitraum vergeben wurde, besteht die Möglichkeit bei Siegeln, die man im stationären Handel findet, nur bedingt.

Auch der Punkt „scheinbare Rabatte und gestrichene Preise“ ist nicht so undifferenziert zu bewerten, wie es in der Sendung getan wurde. Wenn der Kunde deutlich darauf hingewiesen wird, dass es sich bei dem Streichpreis z.B. um den Ursprungspreis handelt, den der Online-Händler in seinem Online-Shop verlangt hat, ist es absolut in Ordnung, damit zu werben. Allerdings darf es sich beim Streichpreis nicht um einen sogenannten „Mondpreis“ handeln, also um einen Preis, der entweder gar nicht oder nur über einen unangemessen kurzen Zeitraum bestand. Was es bei Sonderangeboten und Werbung mit reduzierten Preisen zu beachten gibt, können Sie in diesem Hinweisblatt nachlesen. Aber auch dieser "Trick", wenn man ihn den so nennen mag, ist ein alter Hut, den wir auch aus dem stationären Geschäft kennen.

Diese beiden Beispiele machen deutlich, wo die große Schwäche des RTL-Beitrags liegt. Denn das Verbrauchermagazin hat erschreckend undifferenziert über gängige Marketing-Strategien im Handel berichtet. Es handelt es sich nämlich eben nicht nur um fiese Tricks, die der Online-Handel erfunden hat. Sämtliche Tricks kennen wir schon seit je her aus dem stationären Handel. Denn auch das sind Verkäufer, die die Kunden dazu animieren wollen, ordentlich Geld im Geschäft zu lassen. Aber darüber wird kein Wort verloren. Warum auch? Ganz der Prämisse folgend, dass der Online-Handel von Grund auf schlecht und böse ist, müssen Online-Händler - und nur Online-Händler - schließlich mit Manipulation und fiesen Tricks arbeiten. Denn neben Sex verkaufen sich Verschwörungstheorien und Panikmache besonders gut. Und der Beitrag „Nicht mit uns! Die große Online Verführung“ ist leider nichts anderes.

Übrigens: Aus rechtlichen Gründen ist es leider nicht möglich, sich den Beitrag in der Mediathek von RTL noch einmal anzusehen. Sehr schade…

 

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