Kommentar: Der moderne Maschinensturm

Veröffentlicht: 09.05.2016 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 09.05.2016

In einer Kolumne im Januar habe ich die Digitalisierung in Großbritannien mit der in Deutschland verglichen. Es folgte eine Medienschelte der alten Welt, die den wahren Kritikpunkt allerdings nicht richtig erkannt hat. Was folgt, war ein moderner Maschinensturm.

Taxi-Schild

(Bildquelle Taxi:Andresr via Shutterstock)

Nach meinem England-Urlaub Anfang des Jahres habe ich mich dazu hinreißen lassen, die Digitalisierung auf der Insel in einer Kolumne mit dem Stand der Digitalisierung in Deutschland zu vergleichen – WLAN an jeder Ecke und in jedem Zug (in Deutschland bisher eher sporadisch umgesetzt und per Störerhaftung ausgebremst), günstigere Airbnbs anstatt teure Hotels (in Deutschland für illegal erklärt) und Uber-App anstatt London Cab. Vor allem letzterer Punkt war offenbar für zumindest einen gewissen Herren der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte.

Die zu einfache Antwort

Es folgte eine Medienschelte an mich in der Taxi Times Berlin, einer Fachzeitschrift für die Taxi-Branche. Es wurden einige Punkte und Argumente aufgeworfen, die mich auf die Stille Treppe der Berichterstattung verweisen sollten – ungeachtet dessen, dass es sich bei meiner Kolumne um einen subjektiven Erfahrungsbericht und keine objektive Berichterstattung handelt. So wurde jedenfalls zunächst einmal festgestellt, dass ein Teil der Uber-Projekte „schlicht illegal“ sei. Ein Punkt, der mir – trotz einiger Artikel zu dem Thema – entgangen sein soll und meine Frage, wieso Uber nicht in Deutschland funktioniert, gleich beantwortet hätte.

Nur, dass diese Antwort meine Frage nicht beantwortet. Die Frage lautete nämlich nicht „Wieso kann ich in Deutschland kein Uber-Taxi buchen?“, sondern „Warum kriegen wir Uber in Deutschland nicht realisiert?“. Die vermeintliche, aber offenbar felsenfeste Illegalität des Dienstes in Deutschland ist eben der Punkt, den ich hinterfrage.

Der falsche Ansatz

Nun werden fadenscheinige Argumente in Feld geführt, der jeder im Bereich Digitalisierung und E-Commerce schon einmal in der ein oder anderen Variante gehört hat: Uber mache den Taxi-Markt kaputt, es gibt nur noch scheinselbstständige Fahrer mit eigenem Auto, die Menschen zu Billigpreisen durch die Stadt befördern – und Gewinner ist Uber, denn das Unternehmen behält 20 Prozent vom Umsatz. „Sie können mir glauben, mit der Abgabe von 20 Prozent Provision und 19 Prozent Mehrwertsteuer bleibt nicht genug übrig, um die Kosten für gewerbliche Kfz-Versicherungen, Sprit, Ersatzteile, BG, IHK, KV, RV usw. zu bezahlen“, so das Argument. Aber wieso sollte dann überhaupt irgendjemand Uber-Fahrer werden, wenn er nicht einmal diese Grundkosten gedeckt kriegt?

Die Argumentation erinnert fast an die Maschinenstürmer, die sich zur einsetzenden Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufmachten, um Webstühle und andere Maschinen zu sabotieren und zu zerstören. Menschen, die gegen einen Wandel ankämpfen, den sie nicht bekämpfen können, da er von der Gesellschaft selbst vorangetrieben wird. Sie sollten nicht gegen die Digitalisierung wettern und sie verteufeln, sondern sie für sich einsetzen und so am Ball bleiben! Der Handel hat den Online-Handel auch zu lange als Feind betrachtet und gemeint, die Entwicklung aufhalten zu können. Immerhin hält hier inzwischen die Vernunft Einzug.

Der weite Weg

Ein Beispiel für die schleppende Digitalisierung ist die Problematik von Kartenzahlungen im Taxi. Die ist zwar – wie mir nachdrücklich versichert wurde – zumindest in Berlin gesetzlich vorgeschrieben, aber das ist für mich in diesem Fall bedeutungslos. Fakt ist, dass ich persönlich noch nie in einem Taxi mit Karte zahlen konnte. Da können die Gesetze noch so schön gestaltet sein, es hapert an der Realität. Und hier in Leipzig ist die Kartenzahlung zwar theoretisch möglich, allerdings muss man bei der Bestellung des Taxis darauf hinweisen, damit der Fahrer dann das nötige Gerät dabei hat. Kundenfreundlich? Nicht wirklich. Fortschrittlich? Keineswegs.

Natürlich gibt es auch in Deutschland Apps, mit denen man sich einfach ein Taxi bestellen und sogar digital bezahlen kann. MyTaxi und Taxi.eu gehören in diese Gruppe. Aber selbst diese Apps können den Umstand, dass Deutschland in Sachen Digitalisierung noch einen weiten Weg vor sich hat, nicht ausgleichen.

Kommentare  

#2 Michael Pohlgeers 2016-05-09 13:11
Hallo Chris,

mit den sozialen Folgeerscheinun gen sind bei den Maschinenstürme rn keineswegs die Sozialgesetze gemeint, die gelockert wurden. Diese gab es Anfang des 19. Jahrhundets auch kaum. DIe Maschinenstürme r (die vor allem aus dem Textilgewerbe kamen) hatten Angst, ihren sozialen Status zu verlieren, weil ihre Arbeit von Maschinen übernommen wurde.

Ich fordere keinesfalls, dass die Sozialgesetze abgeschafft werden.

Viele Grüße
Michael
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#1 Chris 2016-05-09 12:32
Ich zitiere mal Wikipedia: "Die Maschinenstürme r waren eine Protestbewegung gegen die sozialen Folgeerscheinun gen der Mechanisierung in der Industriellen Revolution."

Also, .....sollen die Solzialgesetze deiner Meinung nach wieder abgeschaft werden, damit sich unsere Gesellschaft/Wi rtschaft/Uber schneller entwickeln kann?
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