Kolumne: Der dramaturgische Fall von Yahoo

Veröffentlicht: 29.07.2016 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 29.07.2016

Yahoo hat es endlich geschafft, sein Kerngeschäft zu verkaufen. Wie viele Branchenbeobachter erwartet hatten, hat sich der Telekommunikationsanbieter Verizon mit einem Gebot von 4,8 Milliarden US-Dollar durchgesetzt und wird das Unternehmen voraussichtlich im ersten Quartal 2017 endgültig übernommen haben. Es war ein langer Kampf für Yahoo – aber wie ich bereits im Dezember letzten Jahres geschrieben habe: Das Unternehmen ist der letzte Internet-Dinosaurier. Und Dinosaurier gehen nicht einfach so unter.

Ironischerweise baut sich Verizon so etwas wie einen Internet-Dinosaurier-Himmel: Neben Yahoo hat sich das Unternehmen im letzten Jahr auch schon AOL (kennen Sie das noch?) einverleibt. Jetzt will Verizon die beiden Urgesteine der digitalen Welt kombinieren und damit einen neuen Wettbewerber im Bereich Mobile Media Technology hochziehen. Yahoo und AOL – ein Zusammenschluss, den Marissa Mayer als „poetisch“ bezeichnet. Fraglich ist, wie viel von den beiden Unternehmen eigentlich übrig bleibt, nachdem Verizon sein Viktor-Frankenstein-Experiment mit ihnen durchgeführt hat.

 

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Für Yahoo ist der Verkauf des Kerngeschäfts vielleicht ein Erfolg, aber eigentlich hat sich das Unternehmen durch – nennen wir sie mal – strukturelle Fehlentscheidungen einiges an Geld entgehen lassen.

Eigentlich hätte Yahoo nämlich bereits 1998 den großen Wurf landen können: Larry Page und Sergey Brin, die beiden Gründer von Google, boten einigen Suchmaschinenbetreibern, darunter Yahoo, die PageRank-Technologie zum Schnäppchenpreis von einer Million US-Dollar an. Yahoo schlug das Angebot aus. Vier Jahre später war man sich des Potenzials von Google aber offenbar bewusst und bot selbst drei Milliarden für die Übernahme an – diesmal winkte Google ab. Für fünf Milliarden vielleicht. Das war wiederrum Yahoo zu viel.

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Hätte Yahoo damals Google übernommen, würde das Internet heutzutage sicherlich anders aussehen. Vielleicht wäre das Unternehmen nun einer der wertvollsten Tech-Konzerne der Welt ... vielleicht wäre nun aber auch das Google-Kerngeschäft an Verizon gegangen. Sagen kann das sicherlich keiner.

Noch haariger wurde es aber sechs Jahre später: 2008 wollte Microsoft Yahoo übernehmen und bot rund 40 Milliarden US-Dollar (in Worten: Vierzig Milliarden US-Dollar! ... In Zahlen: 40.000.000.000 US-Dollar!). Yahoo lehnte ab. Und ging jetzt für rund ein Zehntel dieses Betrags an Verizon. Macht einen Wertverlust von 90 Prozent in acht Jahren. Der Zusammenschluss mit AOL mag für Marissa Mayer poetisch sein – die Geschichte von Yahoo bietet zumindest eine dramaturgische Fallhöhe, die man nur selten findet.

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