Die Kultur des Scheiterns: Warum StartUps immer wieder zugrunde gehen – und was wir daraus lernen können

Veröffentlicht: 21.02.2017 | Geschrieben von: Christian Laude Test | Letzte Aktualisierung: 21.02.2017

Wenn jemand behauptet, wir würden in einer Leistungsgesellschaft leben, käme wohl kaum jemand auf die Idee, demjenigen zu widersprechen. Macht, Vermögen, Prestige – allesamt Faktoren, nach denen viele streben. Dementsprechend erhalten auch diejenigen die größte Anerkennung, die Großes vollbringen, viel Geld verdienen und revolutionäre Ideen erfolgreich in die Tat umsetzen. Bei all der Glorifizierung wird jedoch oft eins außer Acht gelassen, ja fast schon absichtlich gekonnt ignoriert: das Scheitern. Selbst die erfolgreichsten Persönlichkeiten sind oft zunächst hingefallen, aufgestanden – und oft sogar genau deswegen später so erfolgreich geworden.

Boxer bekommt Schlag ab

© John Wollwerth - Shutterstock.com

Abraham Lincoln zum Beispiel verlor ganze sieben Mal bei wichtigen Wahlen, bevor er dann doch noch zum Präsidenten der USA gewählt wurde. Albert Einstein wiederum wurde als Student von der Technischen Hochschule Zürich abgelehnt – und entwickelte später eine der wichtigsten physikalischen Theorien. Und Henry Fords erste Automobilfirma ging Bankrott. Allesamt Beispiele für Persönlichkeiten, die zunächst sogar mehrmals hinfielen, um letztendlich doch noch in die Geschichtsbücher einzugehen.

Hürden beim Schritt in die Selbstständigkeit

Viele wagen aber gar nicht erst den Versuch, eine eigene Idee umzusetzen und ein eigenes Unternehmen zu gründen. Doch warum eigentlich? Eine repräsentative Statista-Umfrage macht deutlich, welche Faktoren bei der Überlegung eine Rolle spielen, den Schritt in die Selbstständigkeit eben nicht zu wagen. Mit 71 Prozent befindet sich hier recht eindeutig „kein Startkapital“ auf Platz eins der Umfrage, für die rund 12.500 Personen in elf europäischen Ländern wie Deutschland, Frankreich und Italien befragt wurden. Unmittelbar dahinter landet mit 58 Prozent die „Angst vor dem Scheitern“. Nach der obligatorischen Geldfrage folgt also unmittelbar danach dieses psychologische Motiv und hängt gleichzeitig auch damit zusammen, denn ein mögliches Scheitern würde schließlich finanzielle Folgen mit sich ziehen.

Dass diese Bedenken auch zu einem gewissen Teil berechtigt sind, beweist ein Blick in gängige Gazetten. Tagtäglich erblicken Meldungen das Tageslicht, in denen die Rede vom Ende gewisser StartUps ist. Oftmals befinden sich darunter auch solche, die mit etlichen Vorschusslorbeeren an den Start gegangen sind, einfach weil die Idee dahinter vielversprechend klang. In genau diesen Momenten stellt sich automatisch die Frage nach dem „Warum?“ Wie kann es sein, dass es ein Unternehmen nicht schafft, trotz eines kongenialen Einfall sang- und klanglos den Bach unterzugehen? Doch eine Idee allein reicht eben bei Weitem nicht aus, um mit seinem Unternehmen nicht nur explosionsartig durchzustarten, sondern auch nachhaltig am Markt zu bleiben.

FuckUp-Nights stemmen sich gegen Stigmatisierung

Was die Gründe für das Scheitern eines Unternehmens sein können, verdeutlichen die sogenannten „FuckUp-Nights“. Dabei handelt es sich um eine Veranstaltungsreihe, „die das unternehmerische und persönliche Scheitern auf die Bühne holt“, erklärt André Nikolski, der für die Reihe in Leipzig zuständig ist. „Uns geht es darum, Menschen die Möglichkeit zu geben, auf der Bühne zu präsentieren, wie sie mit ihrem Unternehmen gescheitert sind. Wir wollen damit gegen die Stigmatisierung des Scheiterns, besonders in Deutschland, angehen.“ Die Facebook-Seite fasst das Prinzip sogar noch etwas prägnanter zusammen: „Die Angst vorm Scheitern nehmen und den Mut geben, nach dem Fall wieder aufzustehen.“

Erstmals wurde die Reihe 2012 in Mexiko durchgeführt. Mittlerweile finden die FuckUp Nights jedoch regelmäßig in 150 Städten beziehungsweise 50 Ländern weltweit statt. Der Ablauf ist stets ähnlich: Drei oder vier Redner stellen vor einem Publikum ihre Geschichte vor, die sich darum dreht, wie und warum sie mit ihrem StartUp gescheitert sind. Dafür haben sie rund zehn Minuten Zeit und untermalen ihren Vortrag meistens mit Bildmaterialien. Nach jeder Ausführung findet eine Frage-und-Antwort-Runde statt, während der die Zuschauer noch gezielter nachhaken können. Wenn die Redner fertig sind, findet wiederum das Branchen übliche Networking statt, wobei es hier nicht nur darum geht, neue Kontakte zu knüpfen, sondern auch darum, das Gehörte zu verarbeiten.

Das Scheitern anderer

„Typischerweise handelt es sich um sehr persönliche Geschichten, weil so ein berufliches Scheitern meistens mit persönlichen Konsequenzen vonstattengeht“, meint Nikolski. „Es geht darum, dem Publikum zu präsentieren: Das habe ich falsch gemacht, das hätte besser laufen können, und das habe ich daraus gelernt.“ Es geht dabei nicht ums Nachtreten, sondern ums Reflektieren und selbst zu bewerten, was falsch gelaufen ist und was man daraus lernen kann, denn die Menschen reden nicht nur über die Probleme, sondern vor allem darüber, was sie gelernt haben. „Bei so einer Abendveranstaltung ist es nicht so, dass am Ende alle bedrückt im Publikum sitzen und weinen, sondern eher andersrum. Es ist eher so, dass darüber gelacht und gescherzt wird.“ Die Präsentation des Scheiterns ist eben grundsätzlich Empathie gebunden. Man hört die Geschichten und das Leid anderer, fühlt dieses Tief mit, aber genauso im Endeffekt auch das Hoch.

Das Scheitern anderer kann für einen selbst sogar sehr wertvoll sein, denn die Fehler, die zu dem jeweiligen „Untergang“ geführt haben, können dadurch zumindest potenziell vermieden werden. Natürlich muss dabei bedacht werden, dass die Fehlermöglichkeiten nahezu unbegrenzt sind. Zudem kommt noch die Tatsache hinzu, dass selbst bei der Beachtung von bereits bekannten Fehltritten diese aufgrund von bestimmten Konstellationen möglicherweise doch noch vollzogen werden. Schließlich kommt es nicht nur ein Mal vor, dass sich das Verhältnis zwischen zwei Menschen extrem verschlechtert, sobald beide ein gemeinsames Unternehmen gegründet haben – und letztendlich dann zusätzlich auch die Freundschaft in die Brüche geht. 


Bei diesem Text handelt es sich um einen Ausschnitt aus dem Onlinehändler Magazin im Februar 2017. Den gesamten Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe, die Sie kostenlos online lesen oder herunterladen können. Im weiteren Verlauf geht es unter anderem um konkrete Beispiele von gescheiterten StartUps und wie dank des Generationswechsels ein Wandel in den Köpfen stattfindet.

Cover Onlinehändler Magazin Februar

 

Neben diesem Thema beleuchten wir in der aktuellen Ausgabe unter anderem auch, wie man erfolgreich seinen Online-Shop verkauft, wie der asiatische Online-Marktplatz Alibaba versucht, in Europa Fuß zu fassen und wie Supermärkte derzeit den Online-Lebensmittelhandel für sich entdecken. (Bild: © Händlerbund)

 

 

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Kommentare  

#2 Hubert 2017-02-23 11:07
Es gibt viele Gründe, als Unternehmer zu scheitern. Wenn ich mir den Beitrag von Frau Schmidt durchlese, weiß ich, warum viele, die könnten, vor dem Schritt zurückschrecken .

Bank, Familie, Geschäftspartne r - solange die Handlung nicht kriminell ist, haben alle genannten das Risiko gekannt. Da gibts nachher nix zu mamsen, es beschwert sich ja auch keiner, wenn im Erfolgsfall von der Gründung profitiert wird. Im Gegenteil, dann ist meist der Neid da auf den, der es geschafft hat.

Wenn ich einen Rat für Neugründer habe, dann diesen: Keiner meint es gut mit Dir! Sei jedem - JEDEM!!! - gegenüber misstrauisch, geizig, abweisend! Sag dreimal nein, bevor Du einmal ja sagst!

Und: Irgendwer ist immer enttäuscht, angepisst oder sauer - damit muss man leben.
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#1 Monika Schmidt 2017-02-22 14:55
Tut mir leid, aber ich habe da eine etwas andere Ansicht.
Scheitern an und für sich betrifft in den seltensten Fällen nur die Unternehmerperson.
Da Scheitern wohl in den meisten Fällen durch finanzielle Fehler oder Fehleinschätzun gen eintritt, sollte vielleicht auch einmal an die gedacht werden, die durch das Scheitern eines Möchtegern-Unte rnehmers zu Schaden kommen.
Ob jetzt die Familie Geld verliert, die Bank für den Schaden aufkommen muss, der Geschäftspartne r übers Ohr gehauen wird, der Lieferant betrogen oder der Kunde um sein Geld gebracht wird, die Verantwortung für diese finanziellen Schäden trägt der Unternehmer.
Und wenn ich als Privatmann oder Unternehmen finanzielle Einbussen durch solche Typen erleide, dann finde ich das weder lustig noch verzeihlich.
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