Kommentar: Man wünschte, man wäre ein Berliner

Veröffentlicht: 23.05.2017 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 13.06.2017

Zahlreiche Services von Digital-Unternehmen werden zunächst in Berlin erprobt. Aber warum muss sich denn alles um die Hauptstadt drehen?

Brandenburger Tor

© Christoph Herold – Shutterstock.com

„Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz ‚Ich bin ein Bürger Roms’. Heute, in der Welt der Freiheit, ist der stolzeste Satz ‚Ich bin ein Berliner’.“ – So verkündete es John F. Kennedy im Jahr 1963. Berlin – das Zentrum der freien Welt. Tauscht man das Wort „Freiheit“ durch „Online-Handel“ aus, behält Kennedys Satz auch heute noch eine gewisse Gültigkeit. Denn Digital-Unternehmen und Online-Händler lassen zunächst oft die Berliner in den Genuss neuer Services kommen.

Sei es der Start von Amazon Fresh, der erste Testlauf von Amazon Prime Now, Bringmeisters Kooperation mit Edeka oder die Services von Jungunternehmen wie Zipjet oder Helpling. So einiges findet (zumindest in Deutschland) seinen Ursprung in der Hauptstadt. Wer nicht in Berlin wohnt, schaut da oft erstmal in die Röhre – teilweise sogar ziemlich lang.

Stresstest? Prestige? Lobby-Arbeit?

Doch warum hat sich Berlin so sehr als Testfeld für fast sämtliche Digitalunternehmen entpuppt? In einigen Fällen liegt es sicher einfach daran, dass die Unternehmen bereits in der Hauptstadt sitzen. Vor allem StartUps dürften ihre Services zunächst in Berlin anbieten, weil sie eben dort ansässig sind. Wieso sollte ich als Jungunternehmen aus der Hauptstadt meinen Dienst zunächst in Aachen, Köln, Leipzig oder München anbieten?

Warum aber ausgerechnet Unternehmen wie Amazon, die schließlich in vielen Städten sitzen, ihre neuen Dienste oft in Berlin erproben, ist ein Rätsel. Man könnte vermuten, dass andere, kleinere Städte ein günstigeres Umfeld bieten würden. Warum sollte man sich direkt in die größte Stadt Deutschlands wagen? Der ultimative Stresstest? Eine Prestige-Frage? Oder hofft man, mit seinen Services auch Politiker zu bedienen und so Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen? Dass es in Deutschland Nachholbedarf gibt, ist ja kein Geheimnis...

Woran es auch immer liegen mag: Die Berliner genießen die digitalen Services und der Rest der Republik schaut zu. Und so könnte der Berliner fast schon als Bild für einen Menschen im digitalen Zeitalter herhalten, der immer auf die neuesten Services zugreifen kann. Oder, um es in den (abgewandelten) Worten Kennedys zu sagen: „Alle digitalen Menschen, wo immer sie leben mögen, sind Bürger Berlins, und deshalb bin ich als freier Mensch stolz darauf, sagen zu können ‚Ich bin ein Berliner’!“

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