Kommentar: Das Amazon-Aus von Birkenstock und was es bedeutet

Veröffentlicht: 13.12.2017 | Geschrieben von: Julia Ptock | Letzte Aktualisierung: 13.12.2017

Amazon und Birkenstock haben sich verkracht. Und zwar richtig. Nachdem sich Birkenstock schon zu Beginn 2017 komplett von der US-amerikanischen Seite des Online-Riesen zurückgezogen hat, folgte nun die Erklärung, dass die Birkenstock GmbH & Co. KG und die mit ihr verbundenen Unternehmen mit Wirkung zum 1. Januar 2018 die Geschäftsbeziehung mit der Amazon EU S.à.r.l. beenden.

Gefälschtes Produkt
© Crystal Eye Studio – shutterstock.com

Damit wird Amazon nicht mehr direkt von Birkenstock beliefert. Mit gar nichts mehr. Die Entscheidung gilt für das gesamte Produktsortiment. Hintergrund der Entscheidung sind die viel diskutierten Rechtsverstöße, die Amazon nach Ansicht von Birkenstock „nicht aus eigenem Antrieb verhindert hat“. Hinweise auf Produktfälschungen und damit Markenrechtsverstöße wurden von Amazon nicht so behandelt, wie der Schuhhersteller es sich vorstellte. Eine verbindliche Erklärung, dafür zu sorgen, dass keine Nachahmungen von Birkenstock Produkten mehr auf dem Marktplatz angeboten werden, steht bis heute aus. Stattdessen kam es in den letzten Monaten zu weiteren, anders gearteten Rechtsverstößen, die von Amazon nicht proaktiv verhindert wurden.

Welche Konsequenzen hat der Ausstieg?

Die große Frage, die sich stellt, ist die nach den Konsequenzen für alle Beteiligten. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass sich Birkenstock mit dem Absägen des Vertriebskanals Amazons ins eigene Bein schießt. Doch Birkenstock gibt sich selbstsicher. Den größten Teil des Umsatzes macht das Unternehmen ohnehin im stationären Handel. Auf anderen Marktplätzen werden die Schuhe nach wie vor noch online angeboten. Dadurch, dass Birkenstock das Image der „Ökolatschen“ ablegen konnte und mittlerweile auch bei Hollywood-Stars beliebt ist, wird es wohl kaum zum Umsatzeinbruch kommen.

Für die externen Online-Händler, die die Schuhe nach wie vor auf Amazon anbieten dürfen, eröffnen sich sogar noch mehr Möglichkeiten, da Amazon als Konkurrent verschwindet. Kunden, die ab Januar Birkenstock auf Amazon kaufen, werden diese dann bei externen Händlern kaufen.

Und Amazon? Nun ja – für Amazon ist die ganze Geschichte ein Image-Verlust. Denn davon mal ganz abgesehen, dass hier ein großer Hersteller das Weite gesucht hat, wurde das Thema Produktfälschungen in das Bewusstsein der Gesellschaft gehoben. Amazon ist damit nicht mehr der sichere Hafen, auf dem man vermeintlicherweise „nur“ Originale erhält. Der Vorwurf, dass – lapidar gesagt – es Amazon egal ist, ob Originale oder Fälschungen über den Marktplatz verkauft werden, dürfte bei dem ein oder anderen Verbraucher ein Stirnrunzeln hervorrufen.

Produktpiraterie ist ein großes Problem

Dass Produktpiraterie keine Erfindung aus den letzten zehn Jahren ist, ist klar. Doch durch den Online-Vertrieb hat die Problematik noch mehr Aufwind erhalten. Wie die Welt berichtet, haben im November über hundert Markenunternehmen einen Brief an Jean-Claude Juncker, Chef der EU Kommission, geschickt, in dem sie beklagen, dass „sie im Kampf gegen Produktfälschungen alleingelassen werden.“ Unterschrieben wurde der Brief unter anderem von Adidas, Basf Bayer, Puma, Lego, Philipps, HP, Apple, Dr. Oetker, Triumph, Miele und Weleda.

Dass man bei der EU um die Probleme der Hersteller weiß, zeigte nicht zuletzt die Beobachtung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses. Der geschätzte Wert der weltweit gehandelten Produktfälschungen liegt zwischen 600 Milliarden Euro (laut Vereinten Nationen) und knapp einer Billion Euro (laut anderer internationaler Statistiken). Die OECD geht sogar davon aus, dass Produktfälschung und -piraterie bis zu fünf Prozent der Warenimporte in die Europäische Union mit einem Gegenwert von 85 Milliarden Euro ausmacht. 

Auf Grund der Ansicht, dass noch viel zu wenig gegen die Produktpiraterie getan wird, fordert der Ausschuss die EU und die Mitgliedsstaaten dazu auf, dieses Phänomen nicht mehr weiter zu ignorieren. Probleme für die weiter steigende Produktpiraterie sieht Antonello Pezzini, Berichterstatter für die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Produktfälschung und -piraterie“, vor allem in der unkoordinierten und unterschiedlichen Umsetzung der Vorschriften und Normen der EU durch die Mitgliedsstaaten. Aber auch die Unterschiede bei der Wirksamkeit von Zollkontrollen spielen den Fälschern in die Hände und erleichtern die Verbreitung gefälschter Produkte in der EU. Entsprechend fordert er von der EU und deren Mitgliedsstaaten, dass sie sich für ein einheitliches europäisches Zollwesen mit gemeinsamen Verfahren und Instrumenten einsetzen.

Helfen Gesetze oder müssen die Marktplätze ran?

Ob neue Gesetze und Vorschriften dabei helfen werden, die Produktfälschungen in den Griff zu kriegen, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass auch die Marktplätze – und hier vorne weg vor allem Amazon – sich stärker um die Einhaltung des Markenrechts kümmern und schneller gegen Fälscher vorgehen. Bei Birkenstock ist es nun zu spät, die „Störung des Vertrauensverhältnisses“ ist so umfassend, dass man sich zu diesem extremen Schritt entschieden hat. Werden nun auch andere Marken dem Beispiel folgen? Gut möglich, wenn Amazon die Probleme nicht in den Griff bekommt. Doch dann blickt Amazon alles andere als in eine rosige Zukunft.

Kommentare  

#2 Hans-Peter Vogt 2017-12-16 12:25
richtig so. Es wird Zeit, dass andere Unternehmen nachziehen.
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#1 Michael Graen 2017-12-16 08:19
Das ist der richtige Schritt von Birkenstock. Noch besser wäre, wenn Hersteller Ihren Händlern (ob nun stationär oder online) keine konkurrenz machen würden, oder zumindest nicht mit niedrigeren Preisen arbeiten.
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