Kolumne: Was wissen Verbraucher eigentlich über E-Commerce? Nichts.

Veröffentlicht: 09.02.2018 | Geschrieben von: Julia Ptock | Letzte Aktualisierung: 09.02.2018

„Und, was machst du so beruflich?“ – die Frage fällt immer irgendwann, wenn man fremde Menschen kennenlernt. Und ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Wochen und Monaten erklärt habe, was ein Online-Redakteur so alles macht. Davon aber mal abgesehen, dass viele schon nicht wissen was ein Redakteur so macht, kommt immer wieder die Frage: „E-Commerce? – Das ist doch Amazon und so.“ Und mit „und so“ ist es auch meist mit dem fundierten Wissen meines Gegenübers vorbei.

Online-Handel? Das ist doch Amazon und so

Und was hab ich mir nicht alles schon anhören müssen?! Neben dem Standard, dass der Online-Handel die Innenstädte kaputt macht und die kleinen Läden in den Ruin treibt über die undifferenzierte Aussage „Amazon ist ein Mist-Verein.“ bis hin zu: „Zalando wird doch auch nie profitabel.“ ist alles dabei. Bei solchen Aussagen gibt es mein Augenrollen kostenlos zum langsamen Kopfschütteln gleich mit dazu. Und dann fange ich an zu erklären. Erkläre, wie hoch der Anteil des Online-Handels am Handelsumsatz in Deutschland ist, erkläre Multichannel-Strategien, breche eine Lanze für Amazon und mache klar, dass Rocket Internet nicht Zalando ist. Meist ernte ich als Resultat meiner Mühe jedoch nur noch mehr Fragezeichen oder ein Schulterzucken.

Am Ende ärgere ich mich immer wieder darüber, wie viel Viertel-Wissen (es ist meist nicht mal Halbwissen) bei den Leuten vorhanden ist. Dabei sind meine Gesprächspartner meist in meinem Alter und damit auch mit dem Internet groß geworden. Den Start und Aufschwung des Online-Handels haben sie genauso live miterlebt wie ich. Vielleicht verlange ich auch immer etwas viel. Mir ist klar, dass viel von meinem Wissen speziell ist und ich aufgrund meines Jobs auch wirklich nerdiges Zeug weiß. Aber so grundlegende Dinge sollten drin sein.

Anonymität lässt Anstand verschwinden

Aber lassen wir mal die Branche mit ihren Entwicklungen außen vor. Wie sieht es eigentlich mit dem Wissen um die eigenen Rechte und Pflichten aus? Und ja – auch hier gibt es Löcher so groß, dass da ganze Lagerzentren drin verschwinden könnten. Wie lang ist der Widerruf? Beste Antwort: Ich kann das doch immer zurückschicken. Hm – Tendenz erkannt, trotzdem falsch. Nach 14 Tage ist die Widerrufsfrist laut Gesetz durch. Wer dann seine Sachen zurückschickt, ohne das Thema Gewährleistung oder vielleicht Garantie (nein, die steht niemandem gesetzlich zu) anzusprechen, hat es nun mal einfach auch nicht verdient, sein Geld zurückzubekommen.

Erschrocken haben mich zudem auch eine erstaunliche Dreistigkeit und ein Zwei-Klassendenken. Als ich eines Abends beim Bier mit jemanden zusammen saß, erzählte er mir von ein paar Schuhen, die er sich vor einigen Monaten online bestellt hat. Diese sind nach sieben Monaten nicht mehr so cool. Und sollen natürlich prompt zurückgeschickt werden. Und natürlich will er das Geld vom Händler zurück haben. Sei doch klar. Auf die Frage, ob er das auch bei einem stationären Händler so machen würde, wurde perplex verneint. Doch warum glaubt er, dass er das bei einem Online-Händler darf, stationär aber nicht? Liegt es daran, dass man niemandem ins Gesicht gucken muss, während man dreist versucht, an sein Geld zurück zu kommen? Der Online-Handel ist oft gesichtslos und oft hängt auch noch Amazon mit drin. Für Persönlichkeit ist kein Platz und für ein schlechtes Gewissen auf Kundenseite schon gar nicht.

Online-Händler sind auch Menschen

Ich habe das Gefühl, dass für viele Verbraucher der Online-Handel eine gesichtslose Maschine ist. Was hinter dem Webshop passiert, geht sie schließlich nichts an – das ist weit weg. Dass hinter Amazon und dem Marktplatz auch Menschen und Existenzen stehen, scheint in den Köpfen nicht klar zu sein.

Die Situation frustriert mich selbst extrem. Ich würde mir wünschen, dass die Verbraucher einfach mal hinter die Kulissen blicken und nicht nur irgendwelche Headlines über Amazon oder Rocket Internet aufschnappen und den ganzen E-Commerce über einen Kamm scheren. Online-Händler sind auch Menschen und müssen einfach mit demselben Respekt und mit genauso viel Anstand behandelt werden wie stationäre Händler.

Kommentare  

#2 Heinz Fred 2018-02-14 17:32
Es ist alles noch viel schlimmer!
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#1 Dunja Freimuth 2018-02-11 11:02
Danke für diesen Artikel der mir aus Seele spricht.
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