[Gastbeitrag] Was der E-Commerce von Amazon Prime Nutzern lernen kann

Veröffentlicht: 30.04.2018 | Geschrieben von: Gastautor | Letzte Aktualisierung: 07.05.2018

Um im Online-Handel erfolgreich zu sein, lohnt ein Blick auf einen der größten Online-Händler der Welt. Simon Kramm, Director E-Commerce bei der Agentur Wavemaker, erläutert in einem Gastbeitrag, was der Online-Handel vor allem von Amazons größten Fans lernen kann – den Prime-Nutzern.

Amazon Prime Paket
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Was im Sommer 1994 als Internetbuchhandel begann, wurde im Jahr 2017 zum wertvollsten Unternehmen der Welt: mit rund 178 Mrd. US-Dollar Umsatz und einer Marktkapitalisierung von 700 Mrd. US-Dollar. In Deutschland mit weitem Abstand der umsatzstärkste Onlineshop ist Amazon: Laut einer t3n Hochrechnung ist der Marktplatz verantwortlich für rund 53 Prozent der deutschen E-Commerce-Umsätze. Die Produktpalette auf Amazon ist dabei breit gefächert: Gemäß einer Untersuchung von Marketplace Analytics ließen sich 2016 rund 229 Millionen Produkte auf amazon.de kaufen, quer über alle Kategorien. Bei dieser Größe und Bedeutung für den deutschen E-Commerce-Markt lohnt sich ein genauer Blick hinter die sichtbaren Kulissen des Onlinegiganten.

Von Vendoren und Sellern lernen – oder einfach direkt von Amazon Prime Nutzern

Immer mehr Unternehmen fragen sich, was sie vom „Prinzip Amazon“ lernen können. Doch wie lässt sich das vernünftig entschlüsseln? Dafür könnten etwa erfolgreiche Händler befragt werden: nach den besten Tricks, Verkaufstaktiken, Performancetreibern. Der eigentliche Treiber für die Kaufentscheidung ist aber jemand anderes, egal ob online oder offline: der Konsument. Und wer Customer Centricity predigt, sollte daher den Amazon Nutzer selbst in den Fokus rücken. Ein besseres Verständnis von Nutzereinstellungen und -verhalten auf Amazon hilft dabei, fundamentale Prinzipien des E-Commerce noch besser zu verstehen.

Im Rahmen der umfassenden Studie „Amazon Prime User Report“ hat sich die Agentur WAVEMAKER in Q3/2017 mit den größten Fans von Amazon beschäftigt: den Amazon Prime Nutzern. Über ein internationales Lightspeed Panel wurden rund 7.500 Nutzer in fünf relevanten Amazon Märkten (Deutschland, UK, USA, Indien und Mexiko) nach Einstellungen und Verhalten befragt. Erstmalig liegen damit Insights und Aussagen von Prime Nutzern vor, die eine Menge über erfolgskritische Faktoren im E-Commerce erzählen und sich in drei zentralen Erkenntnissen zusammenfassen lassen.

Finding #1: Gute Lieferbedingungen sind kein USP (mehr)

Obwohl Amazon eine ganze Reihe von Diensten in die Prime Mitgliedschaft inkludiert, sind Lieferbedingungen mit Abstand der wichtigste Entscheidungsgrund für den Abschluss eines Prime Abos. In Deutschland sind die Top 3 Gründe für eine Prime Mitgliedschaft laut Studie: kostenlose, schnelle und pünktliche Lieferung. Ähnlich sehen das auch Prime Nutzer in den USA und UK. Interessanter Fakt für den deutschen Markt: Mit 37 Prozent Zustimmung ist Same Day Delivery nicht so wichtig wie eine unbegrenzte Lieferung innerhalb von 1-2 Werktagen (54 Prozent Zustimmung), während in den USA und UK beide Lieferoptionen eine vergleichbare Bedeutung haben.

Hier wird mehr als deutlich: Amazon hat die Nutzererwartungen an Lieferbedingungen fundamental verändert. Das bedeutet für Unternehmen: Zeitnahe und verlässliche Lieferung taugt nicht mehr als USP, sondern ist absolute Pflicht. Eine Analyse von eMarketer Retail vom September 2017 betont entsprechend, dass eine breite Auswahl an Lieferbedingungen die Bereitschaft von Käufern fördert, sich stärker an einen Onlinehändler zu binden.

Finding #2: Sichtbarkeit zählt

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Purchase Intent auf Amazon relativ hoch ist. Das bedeutet aber nicht, dass Nutzer beim Besuch der Plattform gleich wissen, welches Produkt sie kaufen möchten. Oder gar zu Impulskäufen neigen. Nur 11,4 Prozent aller Befragten in Deutschland würden sich als reine Impulskäufer bezeichnen. 32,8 Prozent der Befragten in Deutschland hingegen geben an, auf Amazon zu surfen, bevor sie einen Kauf tätigen. Auch dieses Verhalten spiegelt sich bei den Nutzern in den USA und in UK. Über alle untersuchten Märkte hinweg bestätigen durchschnittlich 40 Prozent der Prime Nutzer, mehrmals pro Woche auf Retail Webseiten zu surfen, um sich inspirieren zu lassen.

Wenn es auf Amazon also rund 229 Millionen Produkte zu entdecken gibt, wird Sichtbarkeit zum erfolgskritischen Sales-Faktor. Das Prinzip des „Infinite Shelf“ wird hier besonders deutlich. Und es lässt sich auf die gesamte E-Commerce-Landschaft übertragen. Bei der schieren Menge an online verfügbaren Produkten geht es darum, schon im oberen Funnel Aufmerksamkeit zu erzeugen. Also mit dem richtigen Inspirations- und Informationsangebot bereit zu stehen, wenn Suchergebnisse angezeigt oder Produktempfehlungen gegeben werden. Amazon selbst bietet dafür schon eine Vielzahl an Instrumenten. Aber auch außerhalb von Amazon lassen sich Wege finden, um den Nutzer von Anfang an erfolgsversprechend zu begleiten.

Finding #3: Die virtuelle Welt ist nicht alles

Deutsche Prime Nutzer sind gegenüber Amazon sehr loyal. Weniger als ein Drittel von ihnen shoppt zeitgleich etwa auch auf otto.de. Spannend ist aber: Die virtuelle Amazon Welt ist für Prime Mitglieder bei weitem nicht alles. Über 45 Prozent der Befragten in Deutschland geben an, gerne in Ladengeschäften sowie Kauf- und Warenhäusern einzukaufen – nur 0,9 Prozent geben das Gegenteil an. Knapp 25 Prozent sagen sogar, ein Leben ohne physische Stores sei nicht vorstellbar.

Die Ergebnisse unterstreichen, dass eine umsichtige Omni-Channel Strategie nach wie vor sinnvoll ist. Amazon sollte also nicht als alleiniger Heilsbringer betrachtet werden, sondern sich sinnvoll in die eigene Vermarktungsstrategie einfügen. Eine geschickte Kombination digitaler und „analoger“ Touchpoints entspricht ohnehin am ehesten dem Nutzerverhalten: Diese bewegen sich schließlich ebenfalls nahtlos in beiden Welten. Diesem Anspruch stellt sich Amazon sogar selbst, etwa mit der Einführung eigener Buchhandlungen, der Übernahme von Wholefoods oder zuletzt der Entwicklung des Konzeptstores Amazon Go.

Amazon Prime Nutzer besser zu verstehen heißt, E-Commerce besser zu verstehen.

Zusammenfassend gilt: Gute Lieferbedingungen sind eine absolute Basisanforderung, denen jeder Onlinehändler und Hersteller gerecht werden muss, um Kunden zu gewinnen und zu halten. Eine hohe Sichtbarkeit ist ebenfalls ein erfolgskritischer Faktor. Im Rahmen des „Infinite Shelf“ gilt es, für potentielle Käufer sichtbar zu sein und mit entsprechenden Inhalten auf Produktdetailseiten zu überzeugen. Dabei sollte aber die physische Präsenz und Verfügbarkeit der Marke nicht außer Acht gelassen werden, entspricht sie doch dem Wunsch, in beiden Welten gleichermaßen einkaufen zu können.

Zentrale Ergebnisse der WAVEMAKER Studie „Amazon Prime User Report“ für die Märkte USA, UK und Deutschland; Anteil der Befragten in %
Zentrale Ergebnisse der WAVEMAKER Studie „Amazon Prime User Report“ für die Märkte USA, UK und Deutschland; Anteil der Befragten in %

Im internationalen Vergleich ist vor allem spannend, dass Nutzereinstellung und -verhalten von Prime Nutzern in den USA und UK recht ähnlich sind zu denen deutscher Prime Nutzer (s. Abbildung). Gemessen an der Bedeutung Amazons könnte dies ein mögliches Indiz dafür sein, dass Deutschland bei Onlineumsätzen insbesondere zur onlineaffinen Bevölkerung in UK aufschließen wird. Der Autor: Simon Kramm, Director E-Commerce, WAVEMAKER (© WAVEMAKER) Dessen Bevölkerung generiert nach verschiedenen Schätzungen derzeit ungefähr um 20 - 25 Prozent höhere Onlineumsätze als die deutsche Bevölkerung. Die Ähnlichkeit der Einstellungen und des Verhaltens könnten zudem darauf schließen lassen, dass die Amazon-Suche auch hierzulande gegenüber Google aufholt. Für die USA hieß es 2016 erstmalig, Amazon habe Google als bevorzugte Produktsuchmaschine überholt.

In jedem Fall ist davon auszugehen, dass Amazon für den deutschen E-Commerce auch weiterhin ein entscheidender Treiber sein wird.

 

Der Autor: Simon Kramm, Director E-Commerce, WAVEMAKER

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