Kommentar: Die DHL zeigt, wie man gut kommuniziert. Nicht.

Veröffentlicht: 01.08.2018 | Geschrieben von: Julia Ptock | Letzte Aktualisierung: 01.08.2018

Kleine Mini-Zeitreise: Freitag, 27. Juli 2018. Es ist 14:00 Uhr und ungefähr 30 Grad. Alles wartet auf den Feierabend, bis die Bombe platzt. DHL macht seinen Online-Marktplatz Allyouneed zu. Bäm. Das sitzt. In der Redaktion wird es kurz hektisch und die Kontakte nach einem Ansprechpartner bei Allyouneed oder der DHL gesucht und gefunden. Anfragen nach einem Statement ist raus und es dauert keine 45 Minuten, da ist die Antwort auch schon da.

Statue Cain von Henry Vidal in Tuileries Garden in Paris, Frankreich
© Kateryna Tsygankova – shutterstock.com

Und die hat es noch einmal in sich:

„Wir haben 2010 - damals noch unter dem Namen „MeinPaket.de“ - einen Online-Marktplatz an den Markt gebracht. Damit war es uns möglich, über mehrere Jahre in einem schnell wachsenden E-Commerce-Umfeld alle Facetten des Online-Handels auch aus Kundensicht kennenzulernen. Unser primäres Ziel war es aber von Anfang an, intern E-Commerce-Expertise branchenspezifisch aufzubauen und dieses Know-how unserem logistischen Kerngeschäft zugutekommen zu lassen, denn unsere Kernkompetenz ist und bleibt die Logistik.

Mit dem Marktplatz-Modell haben wir wertvolle E-Commerce-Expertise aufgebaut und ein tiefes branchenspezifisches Verständnis für den Online-Handel gewonnen. Allerdings wollen wir jetzt unsere Kräfte bündeln und uns auf unser Kerngeschäft fokussieren - und dazu gehört für uns nicht der Betrieb eines Online-Marktplatzes. Wir haben alle Erfahrungen gesammelt, die wir benötigen, wenn wir zukünftig für solche Kooperationen zwischen Einzelhandel und E-Commerce logistische Lösungen anbieten sollen.“

So long, and thanks for all the fish

Dieses Statement muss man erst mal sacken lassen. Man hat also „wertvolle E-Commerce-Expertise aufgebaut“ und „ein tiefes branchenspezifisches Verständnis für den Online-Handel gewonnen“. Dazu erst einmal herzlichen Glückwunsch. Jetzt, nach acht Jahren, hat man aber alles gelernt, was es scheinbar zu lernen gibt – man hat „alle Erfahrungen gesammelt“, die man benötigt.

Wer sich als Händler jetzt wie ein Versuchskaninchen fühlt, tut dies durchaus zurecht. In den einschlägigen Facebook-Gruppen wie der Multichannel Rockstars Gruppe wurde das Statement ausführlich diskutiert. Ein Gruppenmitglied fasst es für sich so zusammen: „Liebe Händler, ihr wart nur Versuchshäschen für unsere Selbsterfahrungsgruppe. Danke und tschüss.“ Die Ansage der DHL ist aber nicht nur gegenüber der Händler respektlos. Was ist mit den übrigen Angestellten? Die haben acht Jahre lang für den Marktplatz geschuftet und sind sicherlich nicht davon ausgegangen, dass es sich hier nur um einen sehr langfristigen Test handelt.

Datum der Einstellung wird noch geprüft

Was auch noch dazu kommt: Die DHL hat sich das Erfahrungen sammeln auch noch gut von den Händlern bezahlen lassen. Auf der Website von Allyouneed findet man ja nach wie vor das aktuelle Gebührenmodell, dass a) eine monatliche Grundgebühr von 29 Euro vorsieht und b) variable Verkaufsgebühren zwischen 5 und 14 Prozent hat. Dazu kommen noch „Paymentgebühren“ und „Sonstige Kostenbeteiligungen“. Übrigens: Während auf der Presseseite der DHL nichts von dem Aus zu lesen ist, schreibt Allyouneed auf der eigenen Seite, dass der Betrieb eingestellt wird. Auch hier findet sich kein festes Datum, es heißt: „Alllyouneed Marktplatz prüft aktuell den genauen Termin, an dem die Plattform gänzlich eingestellt wird. Händler werden rechtzeitig informiert. Bis dahin können Händler den Marktplatz vollumfänglich nutzen.“ Man versichert den Händlern aber, dass sämtliche Funktionen etc. bis zum Aus beibehalten werden.

Will man unnötigen Ballast loswerden?

Über die Gründe, warum die DHL den Marktplatz wirklich dicht macht, kann nur spekuliert werden – und das wird es. Auf shopanbieter.de, die Allyouneed als „halbscharige Totgeburt“ bezeichnen, will man die Auflösungsmerkmale schon vor gut einem Jahr bemerkt haben. Tatsächlich ist Allyouneed nie wirklich in Erscheinung getreten bei den Verbrauchern, was schade ist, denn die Möglichkeiten für eine breite Marketing-Kampagne wären da gewesen, doch DHL wollte in diesem Bereich einfach kein Geld investieren. Ob die Schließung auch mit dem Sanierungsprogramm in der Post – eCommerce – Parcel Division zu tun hat, kann nur gemutmaßt werden. Jedenfalls passt der Schritt, alles dicht zu machen, was nicht mit dem Kerngeschäft zu tun hat. Kurz und knapp: Man wird unnötigen Ballast los.

Jetzt kann man ja von dem Allyouneed-Aus halten was man will. Ob sie versagt haben oder einfach keine Lust mehr auf die Kosten hatten oder was auch immer – die DHL ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das machen kann, was es will. Was allerdings nicht okay ist und wo die DHL eindeutig versagt hat, ist die Kommunikation. Den Händlern und Mitarbeitern ins Gesicht zu sagen, dass man sie nicht mehr braucht, weil man ja jetzt alles an Wissen gesammelt hat, das man benötigt, um seine Logistik auf die Herausforderungen des Online-Handels abzustimmen, ist schon eine Frechheit. Da hat sich jemand mal so absolut keinen Gefallen getan.

Deshalb hier ein kleiner Vorschlag für ein alternatives Statement:

„Wir bedauern sehr, dass wir Allyouneed einstellen müssen. Als Logistiker müssen wir uns aber auf unser Kerngeschäft konzentrieren, wenn wir unseren Partnern den besten Service am Markt bieten wollen. Dank der Unterstützung der Allyouneed-Händler war es uns möglich, viel Wissen im Bereich E-Commerce aufzubauen, das wir nun in unserem Kerngeschäft nutzen können, um unsere Produkte besser auf die Bedürfnisse der Online-Händler abzustimmen.“  

Kommentare  

#1 telmi 2018-08-01 12:12
Tja ...
Gibt viele Unternehmen und Institute die sich in einem Bereich "niederlassen" in dem Die keine Ahnung haben.

Nicht für der ex-stastsbetrie b DHL. Dem muss man aber zugute halten, dass die den Exit geschafft haben!

Es gibt immer noch Institutionen, Richter/Gericht e, Politiker, EU, die keine Ahnung haben, jahrelang in eCommerce rumfuchteln, verschlimmbesse rn und - das schlimme - seit jahren KEINE Erfahrungen gemacht haben
Zitieren

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.