Gastartikel: Marktplätze für Amazon-FBA-Unternehmen – Was man bei einem Kauf/Verkauf wissen muss

Veröffentlicht: 30.08.2018 | Geschrieben von: Gastautor | Letzte Aktualisierung: 30.08.2018

Es kann ein langer, steiniger Weg sein, bis man sein Amazon-FBA-Geschäft so weit gebracht hat, dass es wirklich profitabel funktioniert. Aus diesem Grund gibt es immer mehr Investoren, die daran interessiert sind, die arbeitsaufwendige Startphase zu umgehen. Sie sind bereit, eine große Summe Geld in die Hand zu nehmen, um ein laufendes Amazon-FBA-Unternehmen komplett, oder auch nur teilweise zu kaufen.

Mann mit Amazon auf Laptop und Smartphone
© mirtmirt / Shutterstock.com

Im Jahr 2017 wurden allein in den USA Amazon-FBA-basierte Unternehmen im Wert von über 329 Millionen US Dollar verkauft. Die Preisspanne der Listings lag zwischen 2.000 Dollar und 73.000.000 Dollar. Das macht bei insgesamt 174 erfassten Verkäufen einen durchschnittlichen Verkaufswert von 1.892.209 Dollar pro Unternehmen!

Auch wenn es auf den ersten Blick schwierig erscheint, jemanden zu finden, der sein gut laufendes Geschäft verkaufen möchte, gibt es auf Verkäuferseite ein relativ reichhaltiges Angebot. Die Gründe für einen Verkauf können vielfältig sein: Von dem Wunsch, sich einem anderen Thema anzunehmen, über die Generierung von einer größeren Menge Kapital für eine anderweitige Investition, bis hin zu Änderungen an der aktuellen, persönlichen Ausgangssituation ist hier alles denkbar. 

Welche Preise werden für FBA-Businesses erzielt?

Um ein besseres Gefühl für die genaue Preisfindung zu bekommen muss man sich als Erstes die allgemeinen Kriterien anschauen, die bei einer solchen Unternehmensbewertung herangezogen werden. Im nächsten Schritt sollte man einen Blick in die Vergangenheit werfen und tatsächliche Preise betrachten, die bisher bei derartigen Verkäufen erzielt wurden und wie diese zustande gekommen sind.

Im US-amerikanischen Raum gibt es hierbei bereits eine lange Historie an Verkäufen von FBA-Unternehmen und einige spezialisierte Broker und Plattformen die beim Verkauf helfen. Im deutschsprachigen Raum ist der Markt noch nicht so groß wie in den USA. Bisher wurden Amazon-basierte Unternehmen hier nur über nicht auf die Thematik spezialisierte Business Broker oder über Facebook Gruppen (wie beispielsweise der Gruppe Projektverkauf - Webseiten Kaufen und Verkaufen) verkauft. Anfang letzten Jahres wurde als erstes deutschsprachiger Amazon-FBA-Business-Broker die Plattform DragonFlip geschaffen, welche mittlerweile bereits erfolgreich verkauft, jedoch noch nicht an die Verkaufszahlen der US-Broker herankommt.

Aus diesem Grund muss man die Märkte getrennt voneinander betrachten und dann im nächsten Schritt miteinander vergleichen.

Als Datenbasis dient zum einen der Jahresbericht 2017 von TheFBABroker für den US-Markt und zum anderen die Verkaufszahlen von DragonFlip für den deutschsprachigen Markt. Durch dieses Vorgehen wird klar, welches Entwicklungspotenzial im deutschsprachigen Raum vorhanden ist, und einen guten Überblick über die Marktlage gewonnen.

Die wichtigsten Kriterien für die Bewertung eines Amazon-FBA-Unternehmens

Um ein Gefühl für den Preis und die Preisberechnung eines FBA-Unternehmens zu bekommen, muss man die Kriterien, die für die Unternehmensbewertung herangezogen werden, kennen.

Der Kaufpreis basiert grundsätzlich immer primär auf dem Deckungsbeitrag, den das Unternehmen im Monat erzielt. Hierfür wird der durchschnittliche monatliche Deckungsbeitrag der letzten sechs bis zwölf Monate genommen. Dieser wird dann mit einem Multiplikator, welcher im deutschsprachigen Raum derzeit ca. zwischen 18 und 36 liegt, multipliziert. Wie hoch der Multiplikator ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, die im weiteren Verlauf des Beitrags noch genauer beleuchtet werden.

In den USA ist dieser Multiplier deutlich höher, da der Markt für Amazon-Businesses hier schon deutlich älter ist und deshalb einen größeren Pool an potenziellen Interessenten hat. Auf der anderen Seite ist es auffällig, dass der Multiplikator fast direkt proportional zum Kaufpreis wächst. Wenn das Unternehmen also einen hohen durchschnittlichen monatlichen Deckungsbeitrag hat, profitiert man doppelt davon, indem sowohl der Ausgangswert als auch der Multiplikator steigt. Mit kleinen Unternehmen können jedoch trotzdem sehr vorzeigbare Verkaufsergebnisse erzielt werden.

Durch diese Berechnung erhält man dann den ungefähren Gesamtkaufpreis, zu dem in den meisten Fällen noch der Wert des aktuellen Warenbestandes, bewertet nach dem jeweiligen Einkaufspreis, addiert wird.

Man muss vorab festhalten, dass diese Punkte natürlich in jedem Einzelfall ein wenig variieren. Je nach Branche sind die Anforderungen an das Business ein bisschen anders und jeder Investor legt sein Hauptaugenmerk auf unterschiedliche Dinge.

Durch die bisherigen Verkäufe kann man zwei sehr wichtige Segmente der „Value Drivers“ identifizieren, die sich in fast jeder Preisfindung in dieser Form abzeichnen. Das ist zum einen der aktuelle Ertrag und die Entwicklungsmöglichkeiten, welche das Unternehmen bietet. Zum anderen geht es um das Risiko, welches natürlich im Optimalfall für den Investor möglichst gering sein sollte.

Ertrag und Entwicklungsmöglichkeiten

  • Wie hoch ist der Ertrag des Unternehmens aktuell? Der durchschnittliche monatliche Deckungsbeitrag stellt, wie beschrieben, die Basis für die Berechnung der gesamten Bewertung dar.
  • Ist eine lückenlose Ertragshistorie vorhanden und auch nachvollziehbar? Sie sollte mindestens 12 Monate umfassen, je länger desto besser.
  • In welche Richtung entwickeln sich die Zahlen des Unternehmens derzeit? Steigend, stagnierend, fallend?
  • Wie sieht die Wachstumsprognose für das Unternehmen aus? Basierend auf der Entwicklung der Zahlen und der aktuellen Marktsituation.
  • Inwieweit ist es für den neuen Eigentümer möglich, mit dem Unternehmen und den Produkten neue Märkte und Channels zu erschließen?
  • Ist es möglich, die Prozesse und Kosten in Zukunft zu optimieren und somit den Ertrag dadurch zu steigern?

Risiko

  • Kann der Käufer dem Verkäufer vertrauen? Wichtig dafür vor allem: Hohe Transparenz und guter persönlicher Kontakt.
  • Gibt es einen guten und nachvollziehbaren Grund, warum das Geschäft verkauft wird? Der Verkäufer muss plausibel erklären können, warum er eine laufende „Gelddruckmaschine“, die er sich selber mühsam aufgebaut hat, verkaufen möchte.
  • Bietet der Verkäufer dem Käufer an, ihn nach dem Kauf noch einige Monate bei der Übernahme zu betreuen?
  • Ist Diversifikation in den Produkten und Branchen vorhanden oder stützt sich die Unternehmung nur auf eine Branche bzw. nur auf ein einziges Produkt?
  • Wird über verschiedene Amazon Marktplätze (in verschiedenen Ländern) verkauft oder auf anderen Plattformen?
  • Welche Traffic-Quellen werden genutzt? Gibt es eine Mailing-Liste (Newsletter) oder Social Media Accounts, die mit verkauft werden? Der Traffic sollte hier am besten reproduzierbar sein, sodass man sich bereits vor der nächsten Kampagne den ungefähren ROI ausrechnen kann.
  • Ist eine Wortmarke oder Wort-/Bildmarke eingetragen? Ohne Markeneintragung kann das Business normalerweise nicht verkauft werden.
  • Gibt es auf den angebotenen Produkten Gebrauchsmuster und/oder Patente? Die Produkte sollten am besten über den Markennamen hinaus geschützt sein, je umfangreicher der Schutz desto besser.

Mithilfe dieses Fragenkataloges kann der ungefähre Multiplikator für den durchschnittlichen monatlichen Deckungsbeitrag geschätzt und somit ein erster Kaufpreis für das Amazon-Business definiert werden.

Außerdem kann auf der Basis der Antworten bei den anstehenden Preisverhandlungen sowohl von Käufer- als auch von Verkäuferseite argumentiert werden.

Welche Preise bei den Abschlüssen dann letztendlich in der Praxis erzielt werden, wird nun geklärt.

Die bisherigen Preise

Es geht nun also darum, welche genauen Multiplikatoren und Preise bei bisherigen Verkäufen erzielt wurden. Wegen der großen Unterschiede muss hier der deutsche Markt getrennt vom US-Markt angesehen werden.

Der US-Markt

Der Markt für den Verkauf von FBA-basierten Unternehmen in den USA wächst von Jahr zu Jahr. Für das Jahr 2017 waren die Experten somit optimistisch und rechneten mit einer Verdoppelung der Verkäufe. Mit einem Sprung auf mehr als das Vierfache an FBA-Business Verkäufen wurde diese Einschätzung deutlich übertroffen.

Dementsprechend beeindruckend sind auch die absoluten Zahlen, die im Jahresbericht 2017 von TheFBABroker zu finden sind. Wie bereits am Anfang erwähnt, wurden im Jahr 2017 allein in den USA Amazon-basierte Unternehmen mit einer Gesamtbewertung von über 774 Millionen US Dollar gelistet und Unternehmen im Wert von über 329 Millionen US Dollar erfolgreich verkauft.

In der folgenden Tabelle sieht man, wie viele Unternehmen in welchem Preissegment verkauft wurden und wie hoch dabei jeweils der Multiplikator war.

Tabelle 1: Aufschlüsselung der Verkäufe in den USA nach erzieltem Preis bei den Deals (n=174)

Dragonflip-Tabelle: Verkäufe in den USA

Wie man sieht, wurden einige „kleinere“ Verkäufe unter 100.000 Dollar durchgeführt, jedoch wurden auch in den höherpreisigen Kategorien viele Deals abgeschlossen. Insbesondere die Abschlüsse über 5 Millionen Dollar (ca. 10 %), haben den durchschnittlichen Kaufpreis nach oben hin beeinflusst. Insgesamt muss man bei den vorliegenden Zahlen hervorheben, dass knapp 75 Prozent der Unternehmen einen Verkaufspreis von 100.000 Dollar oder mehr erzielt haben. 

Im deutschsprachigen Raum bewegt sich der Multiplikator wie beschrieben üblicherweise zwischen dem 18- und 36-Fachen des durchschnittlichen, monatlichen Deckungsbeitrages. In den USA fällt der Multiplikator in den meisten Fällen deutlich höher aus.

Nach diesem umfassenden Blick auf den US-Markt wird es nun um den deutschsprachigen Markt gehen.

Der deutschsprachige Markt

Im deutschsprachigen Raum liegt leider keine derart ausführliche Datenbasis wie in den USA vor. Die folgenden Aussagen basieren ausschließlich auf sieben Verkäufen, die von DragonFlip von September 2017 bis Juni 2018 getätigt wurden. Aufgrund dieser relativ niedrigen Anzahl an Verkäufen und einem Gesamtverkaufswert von “nur“ 821.500 Euro, lassen sich noch keine belastbaren Aussagen über Zusammenhänge, beispielsweise zwischen Multiplikator und Kaufpreis treffen. Im Folgenden sind die vorliegenden Zahlen und Daten aus den bisherigen Verkäufen aufgeführt. Dabei stehen insbesondere die Zahlen im Vordergrund, die für einen potenziell bevorstehenden Deal relevant sein könnten:

Tabelle 2: Daten aus den Verkäufen auf der Plattform Dragonflip.com im Jahr 2017 (n=7)

Dragonflip-Tabelle: Verkäufe auf Dragonflip

Man erkennt also deutlich, dass der deutschsprachige Markt im Gegensatz zu den USA eher noch in den Kinderschuhen steckt. Trotzdem wurde bereits ein Verkauf im Wert von 440.000,-€ getätigt. Außerdem konnte bei einem Deal ein Multiplikator von 21 erzielt werden. 

Wenn jedoch die „größeren Spieler“ in den deutschsprachigen Markt kommen, können diese Zahlen sehr schnell auch ein Vielfaches der heutigen Werte erreichen. Dafür ist es wichtig, dass man die USA und die dort erzielten Verkaufspreise nicht als „unerreichbaren Vorreiter“, sondern als eine Art „Vorbild“ sieht. So kann sich der Markt für Amazon-basierte Unternehmen sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite in den nächsten Jahren weiter gut entwickeln.

Fazit

Auch wenn im deutschsprachigen Raum derzeit noch lange nicht die Preise wie in den USA erzielt werden, so kann ein Verkauf des Amazon-FBA-Unternehmens auch hier je nach den individuellen Gegebenheiten sinnvoll und auch sehr lukrativ sein. Wer in den letzten zwölf Monaten einen Deckungsbeitrag von über 50.000 Euro erzielt hat und zudem eine Wortmarke oder Wort-/Bildmarke registriert hat, sollte also kein Problem haben sein FBA-Business im deutschsprachigen Raum zu verkaufen. Man sollte auf jeden Fall drei bis sechs Monate für den Verkauf einplanen, denn die Erfahrungswerte zeigen: Je früher ein Unternehmer anfängt, potenzielle Käufer für sein FBA-Business zu suchen, desto mehr Interessenten finden sich und desto höher fällt dann im Endeffekt auch der Kaufpreis aus.

Über die Autoren:

Timo Bock

Timo ist ambitionierter Online-Händler und Dienstleister für Online-Händler. Zu den Dienstleistungen gehören Dragonflip (E-Commerce Business Broker), MyTalent.io (Vermittlung von virtuellen Mitarbeitern aus Osteuropa für den deutschsprachigen Arbeitsmarkt) und AMZStars (Launch Tool für Amazon Seller). Außerdem ist Timo Gründer und Vorstandsvorsitzender der größten genossenschaftlichen Recruiting Agentur 4freelance.de

Tobias Knieper

Tobias ist leidenschaftlicher Online-Marketer und Content Creator. Derzeit arbeitet er an dem Projekt bao solutions (SaaS Angebot für Einkäufer und Verkäufer um Verhandlungen zu optimieren). Zudem ist er als als freier Texter und Journalist für diversen online und offline Angebote tätig.

Kommentare  

#4 Brands United 2020-09-18 12:41
Mittlerweile gibt es sogar direkte Verkaufsmöglich keiten. Wir bei Brands United kaufen Amazon FBA Unternehmen und führen diese verantwortungsv oll weitern. Wie viel das eigene FBA Unternehmen wert ist erfährt man unter: [Anm.: Link von der Redaktion entfernt, bitte beachten Sie unsere Netiquette]
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#3 Louis 2020-06-29 18:36
Gibt es hier inzwischen schon aktuellere Zahlen von Dragonflip für das Jahr 2019/2020?
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#2 Redaktion 2019-06-07 11:13
Hallo Walter,

da können wir dir leider nicht weiterhelfen, wende dich daher bitte am besten direkt an Amazon.

Viele Grüße,
die Redaktion
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#1 Walter 2019-06-06 16:40
Kann man das FBA Konto von einer UG übertragen auf einen Dritten

also nur ein Asset Deal
Gruß Walter
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