Kolumne: Von der Neuerfindung des Rades

Veröffentlicht: 16.05.2014 | Geschrieben von: Nadja Naumann | Letzte Aktualisierung: 16.05.2014

Was haben Tassen, Briefkästen und Fotos vor weißem Hintergrund gemeinsam? Alle drei werden tagtäglich genutzt und sind inzwischen einfach selbstverständlich. Sie wurden an irgendeinem Punkt der Menschheitsgeschichte erfunden oder entdeckt und haben sich einen festen Platz in unserem Leben gesichert. Doch was unterscheidet die drei? Nur eins davon wurde von Amazon patentiert.

Fotografen auf der ganzen Welt kennen das Konzept, bei dem man einen Gegenstand oder eine Person vor einem weißen Hintergrund fotografiert. Nichts lenkt vom eigentlichen Objekt ab. Dafür hat Amazon sich ein Patent gesichert und niemand weiß, was das Unternehmen damit bezwecken will. Für Produktfotos eignet sich diese Art des Fotografierens natürlich sehr gut, aber warum sollen andere Online-Händler das nicht auch nutzen können? Schließlich bringen die Händler Amazon genauso seine Umsätze wie die Käufer.

Es ist ein wenig so als würde man das Rad neu erfinden – was ein Australier tatsächlich auch vor einiger Zeit getan hat. Um die Lücken im australischen Patentrecht aufzuweisen, hatte er ein Patent auf sein "zirkulares Transport-Ermöglichungsgerät", sprich Rad,  beantragt und erhalten.  Dass sich das Amazon-Fotopatent als Test des amerikanischen Patentsystems erweisen könnte, scheint dagegen unwahrscheinlich. Große Unternehmen machen keine Scherze, wenn es um Exklusivrechte geht.

Nach dem Fotopatent von Amazon fragt man sich allerdings, was man sich noch alles patentieren lassen kann. Zumindest in Amerika. Ob McDonald’s schon einmal darüber nachgedacht hat, sich die Exklusivrechte für Pommes Frites zu sichern? Im Allgemeinen ist es sowieso fraglich, wie das Patent überhaupt erteilt werden konnte. Als nächstes lässt sich das Unternehmen vielleicht noch das Fotografieren mit dem Fotoapparat patentieren.

Mit den zu Beginn erwähnten Briefkästen könnte es übrigens tatsächlich auch bald zu spät sein. Die neuen Paketkästen der DHL sind inzwischen deutschlandweit verfügbar und Jürgen Gerdes von der DHL kommentierte dies bereits mit: „Der Paketkasten ist die größte Erfindung seit dem Briefkasten“. Sind da vielleicht schon die Patentanträge bei den Anwälten? Denkbar wäre es und in diesem Fall sogar nachvollziehbar. Dahinter würde schließlich die Idee stecken, andere Versanddienstleister von der Einrichtung solcher Paketboxen abzuhalten.

Was Amazon mit seinem Foto-Patent beabsichtigt, weiß im Moment allein das Unternehmen selbst. Bleibt nur zu hoffen, dass das Patent auf die USA beschränkt bleibt, sonst könnten sich Online-Händler und Fotografen hierzulande schon mal nach einer neuen Art der Produktfotografie umschauen.

So, und wenn Sie mich dann bitte entschuldigen, ich geh mal eben meinen Patentantrag für das Trinken meines Kaffees aus einer orangen 0,3 Liter Tasse aus Keramik mit Henkel ausfüllen, bevor Starbucks auf die Idee kommt…

 

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