Kolumne: Karstadt kämpft gegen den Fortschritt

Veröffentlicht: 11.07.2014 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 11.07.2014

Es ist ein Kampf gegen Windmühlen. Ein vehementer Widerstand gegen den Fortschritt und den modernen Handel. Ein Ringen um längst überholte Werte und Vorstellungen: Karstadt meidet den Online-Handel. Wobei „meiden“ nicht das richtige Wort zu sein scheint. Denn „meiden“ meint von jeher „sich fernhalten (von jemandem oder etwas)“. Doch dies dürfte eine starke Untertreibung der momentane Lage sein.

Denn dort, wo sich andere Traditionsunternehmen den modernen Möglichkeiten und Techniken längst angepasst haben und auf die fortschrittlichen Wünsche der Kunden eingegangen sind, scheint Karstadt nicht viel davon zu halten, eine grundlegende Neuausrichtung anzustreben. Man könnte den Eindruck haben, als sei der Online-Handel der manifestierte Endgegner für Karstadt.

„Online ist nicht unsere Zukunft“, sagte Terry von Bibra von Karstadt erst vor wenigen Wochen. – Ist das ein Witz? Kaum ein anderer Bereich der Wirtschaft konnte in den vergangenen Jahren solche Höhenflüge feiern wie der Online-Handel. Er ist in vielen Bereichen längst kein #Neuland mehr, ist aus den Kinderschuhen herausgewachsen, hat sich weiterentwickelt und bildet die aktuelle Basis auf vielen Handelsebenen. Der Online-Handel ist Gegenwart und Zukunft.

Die Aussage von Karstadt könnte daher auf einer Skala durchaus zwischen „sonderbar“ und „befremdlich“ eingeordnet werden. Vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass Karstadt an sich ein großes, namhaftes Unternehmen ist und im Blick des öffentlichen Interesses steht. Dieser Vorteil wäre im Zuge einer groß angelegten Imagekampagne und Neuausrichtung sicher von Vorteil. Aber derartige Pläne sind bislang gescheitert. Selbst nach einigen (ernst gemeinten) Modernisierungsversuchen haben Umfragen im vergangenen Sommer ergeben, dass sich das (altbackene) Image von Karstadt nicht verändert habe.

Auch die jüngsten Hoffnungen auf eine moderne Anpassung sind gerade erst gescheitert. Mit dem personellen Abgang von Eva-Lotta Sjöstedt dürfen die Erwartungen für die kommenden Monate wohl wieder massiv heruntergeschraubt werden. Sie war erst vor wenigen Monaten eingestellt worden und sollte frischen Wind in das marode Unternehmen bringen. Überraschend verkündete sie Anfang der Woche ihren Rücktritt. In den sozialen Medien wird derzeit getobt und gewettert, weil sich das Unternehmen so resitent gegen Neuerungen zeigt.

Viel kritisiert wird auch der aktuelle Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen, der es bis dato nicht ansatzweise geschafft hat, das Unternehmen wieder auf Kurs zu setzen. Wie verschiedene Medien heute berichten, soll er sogar in Verhandlungen stehen, Karstadt für einen Euro – ich wiederhole: einen Euro – an die österreichische Finanzgruppe Signa zu verkaufen.

Der ein oder andere motivierte Unternehmer dürfte jetzt spekulieren: „Ich biete zwei Euro und zeige Berggrün mal, wie richtiger Online-Handel funktioniert“. Zeit wird’s! Ich wünsche viel Erfolg!

Kommentare  

#1 Robert Franken 2014-07-12 09:49
Gestern schrieb ich als Antwort auf Twitter: "Karstadt und Online-Handel? Das dürfte deutlich zu spät kommen, selbst wenn man es jetzt versuchte. #lasttweet @Haendlerbund @PlewinskiTina" . Aber das ist nur ein Aspekt, daher an dieser Stelle noch ein paar zusätzliche Worte.

Das Problem von Karstadt ist nicht der Online-Handel. Außerdem ist es für Karstadt viel zu spät ein starker Online Brand zu werden (vgl. Media Markt et al.). Das Problem ist, dass Karstadt irgendwann aufgehört hat sich ernsthaft mit den Bedürfnissen der eigenen Zielgruppe(n) zu befassen. Ob man das Hybris nennt oder Innovator's Dilemma überlasse ich den Branchenkennern .

Die Wettbewerbsvort eile des PoS sind u.a. Kundenservice, schnelle Verfügbarkeit, Convenience. Nichts davon hat Karstadt in den letzten 20 Jahren ernstgenommen. Das Personal ist verunsichert und jetzt ist auch kein Geld mehr vorhanden. Es gäbe noch vieles zu sagen, aber nach 1.000 Zeichen ist hier leider Schluss...
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