Mehr als nur Konfetti und Ballons

Feel-Good-Manager prägen die moderne Arbeitswelt

Veröffentlicht: 15.06.2020 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 11.06.2020
Mitarbeiter im Gespräch

Die Rechnung ist einfach: Je besser das Arbeitsklima, desto produktiver sind die Mitarbeiter. Denn wer Spaß an seinem Job hat und gerne ins Büro geht, hängt sich schließlich auch mehr rein, wird Aufgaben nicht einfach nur abarbeiten und die letzten 10 Minuten vor Feierabend damit verbringen, den Sekundenzeiger der Uhr zu beobachten. Mehr als jeder zweite Arbeitnehmer (56,8 Prozent) gibt in einer Erhebung von v. Rundstedt & Partner an, dass seine Motivation sinkt, wenn die Zusammenarbeit und die persönliche Ebene mit einem Kollegen nicht funktioniert. Ganze 66,3 Prozent der Befragten gaben an, dass ein schlechtes Arbeitsklima für sie „Stress pur“ bedeutet – für zwei von fünf Beschäftigten ist es dann ein Kündigungsgrund, wenn keine Besserung in Sicht ist. 

Doch wie kann ein Unternehmen ein gutes Arbeitsklima sicherstellen? Fakt ist: Die Angestellten sehen hier – zumindest der Befragung von v. Rundstedt & Partner zufolge – vermehrt die Unternehmensführung in der Pflicht. 39,5 Prozent der Befragten gaben an, dass die Verantwortlichkeit über das Arbeitsklima beim Chef liege. 

Konfetti und Kuchen für alle?

Dass viele Unternehmer dieses Thema aber nicht mit der Zeit und Energie angehen können, die es vielleicht immer benötigt, überrascht wenig. Schließlich gibt es als Chef viel zu tun und zahlreiche Entscheidungen – hin und wieder auch für das Team ungemütliche Entscheidungen – zu treffen. Damit das Arbeitsklima aber nicht zu kurz kommt, setzen Unternehmen vermehrt ein sogenanntes Feel-Good-Management ein – stellen also Beschäftigte ein, die sich Vollzeit darum kümmern, das Arbeitsklima zu verbessern und eben für gute Laune im Team zu sorgen.

Aber was genau macht ein Feel-Good-Manager? Der Bereich ist vergleichsweise neu, 2014 hatten gerade einmal vier Prozent der Unternehmen eine solche Stelle geschaffen, wie eine Online-Umfrage vom Staufenbiel Institut zeigt. Das Bild, dass ein Feel-Good-Manager Konfetti werfend durch das Büro rennt und Kuchen an Mitarbeiter verteilt, ist mitunter noch weit verbreitet. 

Anja Neumann FP

Ganz so einfach ist es aber nicht, wie unter anderem Anja Neumann, Feel-Good-Managerin bei F&P – Creating Communities, beschreibt: „Ein Feel-Good-Manager ist bestenfalls eine Stabsstelle im Unternehmen und hat den direkten Draht zum Management. Unter anderem wird mit Gemeinschaftserlebnissen das Wir-Gefühl gestärkt und gemeinsam mit dem Team die zwischenmenschliche Ebene im Unternehmen gestaltet. Die Entwicklung der Arbeitskultur und der Arbeitsumgebung zählen ebenfalls zu den Kernaufgaben. Ein Feel-Good-Manager steht den Mitarbeitern für Fragen und deren Bedürfnisse zur Seite und hat als Vertrauensperson immer ein offenes Ohr – sowohl für berufliche als auch private Themen.“ 

Kein einheitliches Aufgabenfeld

Das Aufgabenfeld eines Feel-Good-Managers ist allerdings nicht fest vorgeschrieben. „Auch wenn der Titel der Gleiche ist, können die Aufgaben eines Feel-Good-Managers von Unternehmen zu Unternehmen variieren, wie auch bei jeder anderen Funktion“, erklärt Stefanie Nobis, Head of Recruiting und Feel-Good-Management bei Spreadshirt. Als Teil der Personalabteilung kümmert sie sich um die Einstellung neuer Mitarbeiter und plane damit auch die Team-Zusammenstellung. Bei den bestehenden Teams gehe es dann um „Netzwerken, Austausch, voneinander lernen, sich kennenlernen“. Dazu organisieren Nobis und ihr Team interne Veranstaltungen. „Dadurch ist auch interne Kommunikation immer ein wichtiger Teil des Feel-Good-Managements“, erklärt sie. 

Stefanie Nobis Spreadshirt

Für den Leipziger Print-on-Demand-Anbieter bringt das Feel-Good-Management deutliche Vorteile mit sich, sagt Theresa Kretzschmar, Global HR Director bei Spreadshirt. Stefanie Nobis kümmere sich bei dem Unternehmen „um die abteilungsübergreifende Kommunikation und ist Kulturbeauftragte, Netzwerkerin und Go-To-Person in einem. Sie schafft den Rahmen, dass es im gesamten Unternehmen ‚menschelt‘, man sich untereinander kennenlernt und ins Gespräch kommt. Dadurch bewahren wir uns, trotz rasantem Wachstum und über 400 Mitarbeitern in der Leipziger Zentrale, unsere Kultur aus StartUp-Tagen.“ Die Entscheidung, ein Feel-Good-Management aufzubauen, hat Spreadshirt nach eigenen Angaben vor neun Jahren getroffen. In einer großen Wachstumsphase habe man sich entschieden, die StartUp-Kultur bewahren zu wollen. Gleichzeitig wurde das Thema Employer Branding immer wichtiger für das Unternehmen – dass das aber „nur von innen stattfinden“ könne, wurde Spreadshirt schnell klar. 

Mittlerweile gibt es Weiterbildungen zum Feel-Good-Manager

Der Weg zum Feel-Good-Manager verläuft, wie bei vielen neuen Jobs, höchst unterschiedlich. Stefanie Nobis kam über die Stellenausschreibung zu Spreadshirt, Anja Neumann wechselte dagegen in ihrem Unternehmen in diese Position. Acht Jahre war sie bereits bei F&P tätig, als Assistenz der Geschäftsleitung und parallel als Redakteurin, als einer der CEOs auf sie zukam und ihr die Stelle anbot. „Ich suchte eine neue Herausforderung und sie sahen Potenzial, diesen Bereich bei uns zu etablieren“, erinnert sie sich. „Zudem war ich damals schon für viele Mitarbeiter ein wichtiger Ansprechpartner für interne Themen. Seitdem haben wir diesen Bereich stetig weiterentwickeln können.“ Mittlerweile beschäftigt die F&P GmbH, die eine große Online-Community im Bereich Adult-Dating betreibt, ein vierköpfiges Feel-Good-/Office-Team. 

Während die ersten Feel-Good-Manager sich ihr Wissen selbst aneignen mussten, gibt es mittlerweile auch Weiterbildungsangebote in diesem Bereich. Unter anderem bietet Goodplace in Hamburg eine entsprechende Ausbildung an, die auch Anja Neumann gemacht hat. Die berufsbegleitende Goodplace-Ausbildung umfasst sechs Präsenz-Module, die aus drei mal zwei Kurstagen bestehen. Die Weiterbildung mit einer Dauer von fünf bis sechs Monaten umfasst sowohl die Vermittlung von theoretischem Wissen und Grundlagen bis hin zu einer praktischen Facharbeit in einem Unternehmen. „Gerade der praktische Teil und der direkte Austausch in den Kursen macht die Ausbildung so wertvoll“, erzählt Anja Neumann, die mittlerweile als Hub Master für Goodplace in Leipzig tätig ist. Auch nach der Ausbildung sei der Austausch mit anderen Feel-Good-Managern wertvoll. 

Die wichtigsten Eigenschaften, die man für den Beruf mitbringen müsse, sind allerdings wohl eher kaum in einem Kurs zu erlernen. Anja Neumann zufolge seien vor allem Soft-Skills wichtig: Empathie, Einfühlungsvermögen, Organisationsgeschick, Offenheit, ein agiles Mindset und ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit. Auch Stefanie Nobis von Spreadshirt führt als wichtigste Eigenschaften die Punkte Offenheit, Kommunikationsstärke und Organisationstalent ins Feld. „Und ein bisschen Kreativität ist ebenfalls nie verkehrt“, fügt sie noch hinzu. 

Ein offenes Ohr und emotionales Feingefühl

Da die Arbeit eines Feel-Good-Managers vor allem durch die Kommunikation mit den Mitarbeitern geprägt ist, gibt es für sie quasi keinen typischen Arbeitsalltag. „Meine Aufgaben sind sehr divers und abwechslungsreich, genau wie die Bedürfnisse der Kollegen“, so Stefanie Nobis. Anja Neumann pflichtet dem bei: „Bei uns im Feel-Good-Management entwickeln sich immer wieder neue Projekte und Themen basierend auf unserer Unternehmenskultur. Prozesse werden weiterentwickelt und man hat das Ohr nah an den Kollegen und deren Bedürfnissen. Somit ist kein Tag, wie der andere.“ Genau das mache ihre Arbeit aber auch so spannend, fügt sie hinzu. 

Die Kommunikation mit den Mitarbeitern ist eines der wichtigsten Werkzeuge, die die Feel-Good-Manager haben, um das Arbeitsklima fortlaufend einzuschätzen und eventuelle Problemfelder aufdecken zu können. Sowohl für Stefanie Nobis als auch Anja Neumann ist der Austausch mit den Kollegen wichtig, mit Umfragen kann das Stimmungsbild auch gezielt ermittelt werden. Und dann kommen die Soft-Skills zum Tragen, die ein Feel-Good-Manager mitbringen sollte: „Besonders in der Zusammenarbeit und im Austausch entwickelt man ein Gespür dafür, ob und wo es noch Optimierungs- bzw. Handlungsbedarf gibt“, sagt Anja Neumann. Stefanie Nobis wird hier auch von ihrem Team unterstützt: „Wir alle strecken unsere Fühler aus und versuchen, Probleme vor dem Entstehen zu identifizieren und aus dem Weg zu schaffen.“ Vertrauen sei dabei eine wichtige Grundlage. Wie genau ein Feel-Good-Manager bei seiner Arbeit vorgeht, ist Anja Neumann zufolge aber jedem ein wenig selbst überlassen: „Einen kleinen agilen ‚Methodenkoffer‘ sollte sich jeder Feel-Good-Manager definitiv Schritt für Schritt aufbauen“, sagt sie. 

„Das Tüpfelchen auf dem ‚i‘“

Konfetti und Luftballons gehören dabei entgegen der Klischees nicht zu den Hauptwerkzeugen des Feel-Good-Managers. Dass dieses Vorurteil der Mitarbeiterbespaßung immer noch vorhält, stört diese ungemein. Natürlich wird auch „mit kleinen Aktionen für Freude“ gesorgt, so Anja Neumann. Der Hauptanteil der Arbeit besteht aber aus größeren Projekten, um die Unternehmenskultur insgesamt zu fördern. Stefanie Nobis stört sich auch an dem vorherrschenden Bild, dass Feel-Good-Manager „immer gute Laune haben und nie kritisch sein dürfen“. Ihrer Meinung nach könne man in dieser Position nur dann gute Arbeit leisten, wenn man sich eben auch mit kritischen Dingen auseinandersetzen könne und wolle. 

Jetzt muss natürlich gesagt werden, dass ein gutes Arbeitsklima nicht nur mit einem Feel-Good-Management geschaffen werden kann. „Ein Feel-Good-Manager ist nur das Tüpfelchen auf dem ‚i‘. Ein Feel-Good-Manager macht aus einem Unternehmen mit schlechter Kultur kein besseres Unternehmen und ein Unternehmen mit gutem Arbeitsklima braucht nicht zwangsläufig einen Feel-Good-Manager“, erklärt Theresa Kretzschmar von Spreadshirt. Es müsse Teil der Unternehmens-DNA sein, ein guter Arbeitgeber sein zu wollen. Ohnehin: Die Aufgaben eines Feel-Good-Managers können auch von anderen Mitarbeitern, die nicht diesen expliziten Titel tragen, übernommen werden – und das ist mitunter in vielen Unternehmen auch der Fall. Das Feedback eines spezialisierten Feel-Good-Managers kann aber helfen, dieses Ziel fokussierter zu verfolgen.

Und daran scheinen immer mehr Unternehmen interessiert zu sein: Der Bereich Feel-Good-Management ist insgesamt in den vergangenen Jahren stark gewachsen – darauf deuten zumindest die Erfahrungen von Anja Neumann und Stefanie Nobis hin. Auf dem Arbeitsmarkt werde dieser Beruf zunehmend sichtbar. „Gerade in Zeiten der Digitalisierung müssen Unternehmen ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, die Anforderungen der digitalen Wirtschaft zu meistern und ihrer Arbeit die verdiente Wertschätzung entgegenzubringen“, erklärt Anja Neumann. Das Feel-Good-Management sei da „ein wichtiges Bindeglied, um diese Haltung in der modernen Arbeitswelt zu verankern“.

Über den Autor

Michael Pohlgeers
Michael Pohlgeers Experte für: Marktplätze

Micha gehört zu den „alten Hasen“ in der Redaktion und ist seit 2013 Teil der E-Commerce-Welt. Als stellvertretender Chefredakteur hat er die Themenauswahl mit auf dem Tisch, schreibt aber auch selbst mit Vorliebe zu zahlreichen neuen Entwicklungen in der Branche. Zudem gehört er zu den Stammgästen in unseren Multimedia-Formaten, dem OHN Podcast und unseren YouTube-Videos.

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