Digital Services Act

Kommt das Recht auf anonyme Internetnutzung?

Veröffentlicht: 13.01.2022 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 13.01.2022
Anonyme Frau im Netz

Die beiden Gesetzesentwürfe Digital Markets Act (DMA) und Digital Services Act (DSA) gelten als das neue Grundgesetz fürs Internet. Nächste Woche stimmen die Abgeordneten des EU-Parlaments nun über ihre Verhandlungsposition für die kommenden Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat über den DSA ab. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten (LIBE) des EU-Parlaments fordert in diesem Zuge die Integration eines Rechts auf anonyme Internetnutzung in den DSA. Der Forderung liegt eine Meinungsbefragung zugrunde, laut derer sich 64 Prozent der EU-Bürger wünschen würden, ihre Daten im Internet für sich behalten zu können.

EU-Abgeordneter sieht mehr Anonymität als passende Antwort auf Datenskandale

Die Forderung des LIBE-Ausschusses wird von einer Meinungsumfrage des Institutes YouGov untermauert. Befragt wurden dafür 10.064 EU-Bürger über 18 Jahren. Die deutliche Mehrheit (64 Prozent) sprach sich für ein Recht auf anonyme Internetnutzung aus. Für 21 Prozent ist Anonymität nicht der richtige Weg. Aufgespalten nach Ländern scheint der Drang nach Anonymität in Spanien am höchsten (73 Prozent), gefolgt von Tschechien (69 Prozent). Deutschland reiht sich hier erst auf dem sechsten Platz ein, mit 59 Prozent für sowie 25 Prozent gegen ein solches Recht. 

Zu den Umfrageergebnissen, sagt der EU-Abgeordnete der Piratenpartei, Dr. Patrick Breyer, der im LIBE-Ausschuss verantwortlich für den DSA ist und die Umfrage beauftragt hat: „Auf die ständigen Datenskandale und Datenkriminalität im Netz muss das Europäische Parlament eine Antwort geben und die Bürger:innen besser schützen. Daten sind nur dann sicher, wenn sie gar nicht erst auf Servern von Unternehmen gesammelt und gespeichert werden! Das hat zuletzt das Leak unnötig gesammelter Handynummern von 500 Millionen Facebooknutzern wieder gezeigt. Ein Recht auf Anonymität schützt außerdem verletzliche Personengruppen vor Diskriminierung.“

Das EU-Parlament will noch im Januar eine Verhandlungsposition zum DSA verabschieden, um anschließend die Trilog-Verhandlungen mit dem EU-Ministerrat zu starten. Am Ende dieser Verhandlungen steht dann ein fertiges Gesetz, mit dem frühestens Ende des Jahres gerechnet wird. Ob das Recht auf anonyme Internetnutzung dann im DSA verankert sein wird, ist derzeit noch nicht absehbar.

Kann Anonymität die Antwort sein?

Doch wie sinnvoll ist eine anonyme Internetnutzung gerade in Anbetracht von Diskriminierung und Cybermobbing wirklich? Facebook führte erst 2020 die Klarnamenpflicht ein. Dies sollte vor allem bei der Nachverfolgbarkeit von Cybermobbing und dem Verstecken hinter Pseudonymen helfen. Denn die Probleme etwa durch Cybermobbing werden immer schlimmer. Laut Studie aus dem November letzten Jahres ist mittlerweile jeder Zehnte Deutsche davon betroffen

In der Politik gehen die Meinung zum Thema auseinander. Zur Einführung der Klarnamenpflicht äußerte sich die damalige Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) kritisch gegenüber der dpa, wie die Zeit berichtete: „Häufig gibt es gute Gründe, warum jemand anonym bleiben möchte, zum Beispiel um sich vor Diskriminierung oder Angriffen zu schützen. Dies gilt für Leserbriefe in Zeitungen genauso wie für Posts im Internet. Um Hass und Hetze im Internet zu bekämpfen, gibt es andere Wege als eine Klarnamenpflicht, die alle User treffen würde.“

Gegenstimmen gibt es seit jeher, am stärksten es aus dem Lager der CDU. Die ehemalige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer war es, die einst die Debatte um eine Klarnamenpflicht überhaupt anstieß. Zuletzt forderten Kinderschutzpolitiker der CDU/CSU dazu auf, die Nutzung von Messenger-Diensten verpflichtend mit einer namentlich registrierten Mobilfunknummer zu gestalten. „Sich hinter einem Computerbildschirm und gefälschten Identitäten biete einen einfachen und anonymen Zugang zu Kindern und Jugendlichen“, warnten die kinderpolitischen Sprecher der Union in einem Positionspapier, über welches Heise berichtete.

Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

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