Interview mit DealCircle und Berlin Brands Group

Firmen-Übernahme: „Das Bild der Heuschrecke ist noch sehr stark in den Köpfen verankert.“

Veröffentlicht: 26.01.2022 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 26.01.2022
Männer schütteln sich die Hand

Wer seine Firma verkaufen will, will das Beste rausholen – schließlich geht es meist um ein Lebenswerk. Die Plattform DealCircle hilft Händlern und Unternehmen, Käufer zu finden und bietet u. a. eine Investoren-Datenbank mit über 250.000 deutschen und internationalen Käufern. Diese Datenbank nutzt auch die Berlin Brands Group, die vornehmlich erfolgreiche Amazon-Händler aufkauft. Im Doppel-Interview antworten Kai Hesselmann, Gründer und Geschäftsführer der M&A-Plattform DealCircle, und Malte Karstan, Head of Acquisition Europe bei der Berlin Brands Group. Dabei erklären sie, worauf Investoren jeweils achten, warum es für viele deutsche Firmen eine Ehre ist, an Japaner zu verkaufen, und warum es für große Player wie Otto sinnvoller ist, selbst StartUps zu entwickeln statt diese zu kaufen. 

OnlinehändlerNews: Herr Hesselmann, Sie bieten mit DealCircle eine Plattform, mit der verkaufswillige Unternehmen nach Käufern suchen können und per Algorithmen unter rund 250.000 potenziellen die passenden Käufer finden sollen. Wie überprüfen Sie selbst die Reputation und Finanzkraft Ihrer Kunden?

Kai Hesselmann: Bei strategischen Investoren sind für uns die veröffentlichten Bilanzen relevant. Hier achten wir darauf, dass das Eigenkapital und der Cash-Bestand ausreichend hoch sind, um eine M&A-Transaktion vollziehen zu können. Wenn diese Informationen nicht verfügbar sind, schauen wir uns den Umsatz und Jahresüberschuss an, um hieraus die Finanzkraft des Käufers abzuleiten. Bei Management-Buy-in-Kandidaten und Finanzinvestoren läuft die Prüfung etwas anders ab. Von diesen lassen wir uns zum Beispiel einen Eigenkapitalnachweis geben, bevor wir in die Vermittlung gehen. (Mergers & Acquisitions (M&A) ist ein Sammelbegriff für Transaktionen im Unternehmensbereich, wie Fusionen und Übernahmen. Mit einem Management-Buy-in wird die Übernahme und Weiterführung eines Unternehmens durch externe Manager bezeichnet, Anmerkung der Redaktion).

So bringt DealCircle Verkäufer und Investoren zusammen

 Kai Hesselmann / DealCircle

Nach welchen Kriterien werden die Unternehmen mit Verkaufsabsicht bzw. deren Berater und die möglichen Käufer zusammengebracht, nach Branchen, Betriebsgröße, Umsatz etc.?

Kai Hesselmann: Diese Faktoren sind abhängig davon, ob es sich bei dem Käufer um einen strategischen Kapitalgeber oder einen Finanzinvestoren handelt: Bei Ersteren sind Branche, Dienstleistung, Technologie, Region, Umsatzgröße und Finanzkraft des Unternehmens entscheidende Matching-Kriterien. Aber auch strategische Optionen werden berücksichtigt: DealCircle sucht nicht nur nach direkten Unternehmen, die exakt das Gleiche wie der Käufer machen. Wir schauen ebenfalls nach vergleichbaren Betrieben, die in der Vergangenheit Unternehmen, wie das aktuell zu verkaufende, erworben haben. Bei dieser Überkreuzvermittlung bringen wir Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen zusammen, für die es allerdings aus strategischen Gründen sinnvoll wäre, sich in eine neue Richtung weiterzuentwickeln.

Bei Finanzinvestoren gestaltet sich das Matching wiederum anders, denn bei diesen ist das Investitionsprofil ausschlaggebend. Relevant ist zudem das Eigenkapitalticket eines Investments, die EBIT- (Gewinn vor Zinsen und Steuern) und Umsatzgrößenordnung und ob der Fokus auf Minderheits- oder Mehrheitsbeteiligung liegt. Ebenfalls ein Kriterium ist die Spezialisierung des Finanzinvestors, also etwa auf Nachfolgeregelungen, Distressed- oder Restrukturierungs-Fälle oder Venture Capital. (Mit Distressed M&A werden Unternehmen mit einem hohen Illiquiditäts- bzw. Überschuldungsrisiko bezeichnet, Anmerkung der Redaktion).

Diese Amazon-Händler sind für Berlin Brands interessant

Herr Karstan, Sie kaufen bei der Berlin Brands Group (BBG) vorrangig FBA-Händler und skalieren die Marken dann. Welche Amazon-Händler haben bei Ihnen die besten Chancen, übernommen zu werden und warum?

Malte Karstan: Wenn es um die grundlegenden Kriterien geht, sind für uns Marken interessant, die jährlich einen Umsatz von mindestens einer Million Euro erwirtschaften, gut gerankt und bewertet sind. Außerdem sollte der Händler eine Umsatzhistorie von mindestens einem Jahr vorweisen können. Auch das Segment, in dem der Händler tätig ist, ist für uns relevant. Wir sind an Kategorien interessiert, in denen die Produkte lange Lebenszyklen haben wie zum Beispiel Home, Garten und Sport. Die Bereiche Mode, Schmuck oder auch Beauty sind für uns daher weniger interessant. Außerdem muss auf Händlerseite die Bereitschaft bestehen, die Marke komplett in das BBG-Produktportfolio integrieren zu lassen. Wir tätigen ausschließlich 100-Prozent-Akquisitionen von Marken.

Sie nutzen bei BBG verschiedene Kanäle für die Akquise von Amazon-Marken. Wo sehen Sie die Vor- und Nachteile einer Datenbank wie DealCircle?

Malte Karstan: Eine breite Sourcing-Strategie ist für uns sehr wichtig. Wir nutzen daher auch aktive Sourcing-Ansätze. Ein Vorteil ist, dass wir damit unsere Sicht auf den Markt erweitern können und vor allem auch Zugang zu Off-Market-Targets erhalten. Auch bei On-Market-Targets kann eine Datenbank wie DealCircle hilfreich sein. Sie hilft beim Matching und erhöht die Abschlusschancen, indem sie M&A-Berater bei der Identifikation von aktiven Käufern unterstützt und Parteien mit ähnlichem Anforderungs- bzw. Suchprofil zusammenbringt.

Außerdem wichtig ist der Aufbau eines eigenen Netzwerkes. Unabhängig von der Nutzung von Datenbanken, sollten persönliche Kontakte zu den Sellern aufgebaut werden. Gespräche mit Händlern helfen enorm, den Markt einzuschätzen, die Bedürfnisse der Verkäufer zu kennen und gegenseitig Vertrauen aufzubauen.

Unternehmens-Verkauf: „Bei Chinesen gibt es schon eher Vorbehalte.“

Herr Hesselmann, gibt es eigentlich persönliche Befindlichkeiten bei den Verkäufern á la „ich verkaufe nur an ein kleines deutsches Familien-Unternehmen und nicht an eine chinesische Holding“ etc.? Oder gewinnt am Ende doch einfach das größte Angebot?

Kai Hesselmann: Das lässt sich pauschal nicht beantworten, da es große Unterschiede gibt. Für manchen Verkäufer ist allein der finanzielle Rahmen der ausschlaggebende Aspekt. Aber für die meisten zählen zudem viele weiche Faktoren. Natürlich gibt es einen Faktor, der alle eint: Der Preis muss stimmen. Wenn dieser zu niedrig ist, findet kein Verkauf statt. Aber auch die weichen Faktoren wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Standortgarantien oder die Herkunft des Käufers sollten nicht unterschätzt werden. Dabei ist es nicht immer schlecht angesehen, wenn der Käufer aus dem Ausland kommt. Beispielsweise empfinden es viele Mittelständler als Ehre, ihr Unternehmen an Japaner zu verkaufen, weil das asiatische Land eine erfolgreiche Industrienation ist. Bei Chinesen gibt es anderseits schon eher Vorbehalte.

Auch die Frage, ob das Unternehmen an einen Finanzinvestoren oder einen strategischen Investor verkauft wird, spielt eine Rolle. Viele Mittelständler bevorzugen den strategischen Investor, weil das Bild der Heuschrecke noch sehr stark in den Köpfen verankert ist. Das entspricht nicht immer unbedingt der Realität. So kann ein Finanzinvestor beispielsweise Arbeitsplätze zum Wohle des Unternehmens erhalten. Hingegen möchte ein strategischer Investor vielleicht Synergieeffekte in der Verwaltung oder im Vertrieb heben, und baut daher Stellen ab.

Aufkauf von StartUps: Gefahr eines Kulturschocks

Übernahmen, vor allem von StartUps durch die großen Tech-Konzerne, werden teils eher negativ für den Gesamtmarkt gesehen. Werden sich die Marktführer weiter noch mehr kleine Firmen einverleiben oder wie sieht das M&A-Geschäft der Zukunft aus?

Kai Hesselmann: Das ist schwierig zu sagen, da sich die Branchen sehr unterscheiden. In der Tat ist es oft so, dass StartUps von großen Unternehmen übernommen werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Bankenbranche: Junge Unternehmen zu kaufen ist oftmals ein schneller einfacher Weg, um neue Technologie in den Konzern zu bekommen.

Auch im Handelsbereich gibt es Konzerne, die ein innovatives zukunftsgerichtetes Geschäft aufbauen. Der Handelsriese Otto ist ein gutes intelligentes Beispiel. Mit der Gründung von About You aus dem Konzern heraus hat das Traditionsunternehmen einen nennenswerten Player und Konkurrenten zu Zalando geschaffen. Dieses Inkubator-Modell ist sicherlich der erfolgsversprechendere Weg als ein StartUp zu übernehmen. Hier besteht das Risiko eines Kulturschocks. Dieser kann zur Folge haben, dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das StartUp verlassen, was negative Auswirkungen für den Käufer hat. Bei der Gründung aus dem Konzern heraus profitiert der eingesessene Player sogar im besten Fall nicht nur von neuem Geschäft, sondern auch von der Kultur des Inkubators und integriert sie im Konzern.

Kartellverfahren gegen Amazon: Es geht auch ohne den Marktplatz-Riesen

Malte Karstan / Berlin Brands Group

Herr Karstan, die BBG macht einen Großteil ihres Geschäfts auf den internationalen Amazon-Marktplätzen. Amazon bekommt aber gerade durch die diversen Kartellverfahren und Regulierungsbestrebungen in den USA, der EU u. a. deutlich mehr Gegenwind. Sorgen Sie sich um Ihr Kerngeschäft oder sehen Sie trotzdem wenig Druck auf den Riesen?

Malte Karstan: Sorgen um unser Kerngeschäft machen wir uns nicht. Die BBG hat 16 Jahre Erfahrung im Direct-to-Consumer-Geschäft. Das sind unsere Wurzeln und wir generieren den größeren Anteil unseres Umsatzes über nationale Plattformen und die eigenen Webshops unserer Marken. Wir kennen das E-Commerce-Business außerhalb von Amazon und sind mit unseren mehr als 100 Kanälen in mittlerweile 28 Ländern gut aufgestellt.

Sie gehen neben dem deutschen Markt jetzt auch verstärkt den asiatischen und US-Markt an. Wie unterscheidet sich die Denke der dortigen Amazon-Händler von den hiesigen, gibt es kulturelle Unterschiede?

Malte Karstan: Ein Punkt ist vor allem die Reputation. Während wir in Deutschland als großer Player im Markt etabliert sind, haben wir diesen Status im US- und asiatischen Markt noch nicht erreicht. Wir müssen dort erst einmal erzählen, wer wir sind und was wir tun. Aktuell bauen wir unsere Teams in diesen Märkten aus und arbeiten daran, die BBG auch dort als einen der großen Player im Markt zu positionieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

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