Branchenrückblick

Ebay-Chef Oliver Klinck: „Ein Jahr wie 2022 habe ich noch nicht erlebt“

Veröffentlicht: 20.12.2022 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 17.01.2023
2022 2023

Das Coronavirus hat die Welt weiter im Griff, im Jahr 2022 führt Russland aber auch einen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Energiepreise explodieren und kaum ein Unternehmen leidet nicht unter Lieferengpässen aus China. Wer dachte, nach 2020 und 2021 könnte es nicht noch schlimmer kommen, musste sich von diesem Jahr negativ überraschen lassen. Aber wie schlimm war es wirklich? Und viel wichtiger: Bleibt es beim Dauerkrisenzustand oder gibt es Hoffnungsschimmer am Horizont? Branchengrößen von Ebay, PayPal, Google und Otto blicken gleichzeitig zurück und voraus, Vorsicht trifft dabei auf Optimismus.

Oliver Klinck, Managing Director/CEO Ebay Deutschland

Wie hat sich der andauernde Krisenzustand – Corona, Ukraine, Energiepreise – auf die Branche ausgewirkt?

eBay Oliver Klinck

„Ein Jahr wie 2022 habe ich, seitdem ich im Handel tätig bin, noch nicht erlebt. Nie zuvor in meiner Karriere konnte ich so extreme und teilweise unerwartbare Veränderungen im Einkaufsverhalten beobachten wie in diesem Jahr. Krisenzeiten sind davon geprägt, dass es plötzlich signifikante Nachfrage-Peaks zu einem bestimmten Thema gibt – und das oft, wenn keiner damit rechnet und entsprechende Produkte nicht überall vorrätig sind. So ist beispielsweise die Nachfrage nach Produkten, mit denen die Deutschen ihre Eigenheime energieeffizienter machen können, durch drohende steigende Energiepreise schon im Sommer stark gestiegen. eBay kommt in dieser Situation das eigene Geschäftsmodell zugute: Als Marktplatz bringen wir diese Nachfrage und das Angebot tausender Business-Händler*innen zusammen.“

Welchen Einfluss werden sie auf das Jahr 2023 haben oder anders: Warum wird 2023 (hoffentlich) besser als 2022?

„Die Zeiten sind herausfordernd. Da muss man nicht drum herum reden. Aber Kopf in den Sand stecken ist keine Option für Unternehmer*innen. Gerade in ökonomisch herausfordernden Zeiten ist es besonders wichtig, neue Wege zu gehen, Alternativen zu testen und bestehende Prozesse zu hinterfragen. Ein Beispiel: Konsument*innen ändern ihr Verhalten. Der bewusstere und preissensiblere Konsum nimmt zu, weshalb das Geschäft mit wiederaufbereiteter Ware steigt. Hier liegt Potenzial für Wachstum – gerade jetzt. Mit der umfassenden Erweiterung des Angebots im eBay Re-Store und dem Start von 'Mein CO2-Konto' schaffen wir für Nutzer*innen neue Möglichkeiten, grundsätzlich nachhaltiger und preisbewusster zu konsumieren und so das Beste aus den aktuellen Krisen zu machen. Was mich außerdem positiv stimmt: Der lokale Handel ist für viele Menschen ein Stück Heimat. Deshalb achten sie nicht nur auf den Preis oder Zustand von Produkten, sondern auch darauf, wer sie verkauft und von wo. Regional einzukaufen nimmt wieder einen höheren Stellenwert ein.“

Jörg Kablitz, Managing Director, PayPal DACH

Wie hat sich der andauernde Krisenzustand – Corona, Ukraine, Energiepreise – auf die Branche ausgewirkt?

Jörg Kablitz

„Das Wort Krise setzt sich im Chinesischen aus zwei Schriftzeichen zusammen. Das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenheit. Dieses Zitat von John F. Kennedy beschreibt sehr treffend, wie sich die derzeitigen Krisenthemen auf unsere Branche auswirken. Aufgrund der steigenden Preise für Lebensmittel und Energie müssen viele Menschen ihren Konsum einschränken. Spontan- und Impulskäufe nehmen ab und Sonderangebote erhalten noch mehr Aufmerksamkeit als sonst. Diese Änderungen im Konsumverhalten wirken sich unmittelbar auf unsere Branche aus. Aber es gibt auch positive Entwicklungen. Der Trend zum E-Commerce hat sich durch die Corona-Pandemie nochmals stark beschleunigt und die Digitalisierung im Handel angestoßen.“

Welchen Einfluss werden sie auf das Jahr 2023 haben oder anders: Warum wird 2023 (hoffentlich) besser als 2022?

„Trends und Entwicklungen lassen sich derzeit noch schwerer vorhersagen als sonst. Die Inflation wird uns sicherlich noch eine Weile beschäftigen. Die akute Phase der Corona-Pandemie wiederum liegt hoffentlich hinter uns. Während dieser Zeit wurde viel und schnell digitalisiert. Diese angestoßenen Transformationsprozesse können 2023 fortgesetzt werden, um die Digitalisierung weiter voranzubringen. Das erhöht nicht nur die Resilienz von Unternehmen, sondern versetzt diese auch in die Lage, vom nächsten Aufschwung zu profitieren.“

Marc Opelt, Vorsitzender des Bereichsvorstands OTTO

Wie hat sich der andauernde Krisenzustand – Corona, Ukraine, Energiepreise – auf die Branche ausgewirkt?

OTTO Marc Opelt hoch M

„2022 stand im Zeichen großer Unwägbarkeiten: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, steigende Energiepreise, Lieferschwierigkeiten und die nicht enden wollende Pandemie verunsicherten die Verbraucher. Das bekamen wir zu spüren, denn große Anschaffungen, gerade auch im Home & Living Segment – OTTO ist Deutschlands führende Online-Möbelhändler – wurden zurückgestellt. Rechtzeitig zur Black Week stellte sich wieder mehr Kaufinteresse bei den Kundinnen ein und unsere monatelangen Vorbereitungen, erfolgreiche Verhandlungen mit Markenpartnern und ein attraktiver Lagerbestand zahlten sich aus.“

Welchen Einfluss werden sie auf das Jahr 2023 haben oder anders: Warum wird 2023 (hoffentlich) besser als 2022?

„2023 wird bei uns wieder stark im Zeichen der Partneranbindung stehen. Heute zählen wir über 4.500 Händler auf unserer Plattform otto.de – und über elf Millionen Produkte im Shop. Aber wir wollen weiterwachsen, wobei Markenbekanntheit und Reputation von OTTO den Marktplatz stützen und diesen für Partner interessant machen. Denn für Händler ist jetzt die richtige Zeit, Kanäle, Reichweite und Präsenz durch Kooperationen mit Plattformen wie OTTO auszubauen. Eine bessere Absicherung für das eigene Geschäft in herausfordernden Zeiten gibt es nicht! Schön wäre es zudem, wenn sich die politische Großwetterlage wieder aufklart. Denn dann könnten wir alle zumindest ein wenig entspannter ins neue Jahr 2023 gehen, das aber sicherlich selbst dann noch herausfordernd genug bleibt.“

Dr. Jannika Bock, Director Retail Google Germany GmbH

Wie hat sich der andauernde Krisenzustand – Corona, Ukraine, Energiepreise – auf die Branche ausgewirkt?

Jannika Bock Google

„Es bleiben herausfordernde Zeiten – keine Frage. Die Pandemie hat die Welt verändert, und wir sind weiterhin mit großer globaler Unsicherheit konfrontiert. Der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierende humanitäre Katastrophe werden weitere politische und wirtschaftliche Auswirkungen haben. Schwierige BIP-Prognosen, sinkendes Verbrauchervertrauen, angespannte Arbeitsmärkte, unterbrochene globale Lieferketten und steigende Energie- und Lebensmittelpreise. Ganz zu schweigen von längerfristigen Herausforderungen wie Nachhaltigkeit. Alles Punkte, die selbstverständlich auch der Handel zu spüren bekommt.

Parallel dazu verändert sich das Einkaufsverhalten der Menschen in Deutschland grundlegend. So sehen wir zum Beispiel, dass Umwelt- und soziale Aspekte an Bedeutung in der Kaufentscheidung zunehmen. Allerdings müssen Konsumentinnen und Konsumenten ihren Wunsch nach einer höheren Nachhaltigkeit (die meist teurer ist) mit einem kleineren Verfügungsrahmen für Ausgaben (sie möchten Geld sparen) ausbalancieren.

Zudem sehen wir bei Google, dass Marketinggelder deutlich mehr hinterfragt werden: Welchen Beitrag leistet ein ausgegebener Euro? Mit unseren Produktlösungen für effiziente, automatisierte Marketing-Kampagnen, wie z. B. Performance Max, möchten wir Werbetreibende hierbei unterstützen, auf die sich ändernde Verbrauchernachfrage reagieren zu können.“

Welchen Einfluss werden sie auf das Jahr 2023 haben oder anders: Warum wird 2023 (hoffentlich) besser als 2022?

„Agilität und Haltung sind für mich zentrale Punkte, die Handelsunternehmen jetzt in den Fokus rücken sollten, um zukunftsorientiert aufgestellt zu sein. Agilität, weil sich das Kaufverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten rasend schnell verändert. Unserer Erfahrung nach kann Kundenzentrierung nur dann gelingen, wenn wir konsequent datengetrieben handeln – und zwar in Echtzeit. Bei Google sprechen wir vom Marketing at the speed of consumers. Dafür braucht es datengetriebene Insights, um Veränderungen im Kaufverhalten und Wachstumschancen zu erkennen und schnell auf diese reagieren zu können. Und Haltung, weil wir in einer immer diverser werdenden Gesellschaft leben, die sich wiederfinden möchte in den Produkten und Marken, die sie konsumiert. Haltung und Werte von Unternehmen sind für Konsumentinnen und Konsumenten gerade in diesen Zeiten noch wichtiger bei Kaufentscheidungen geworden. Das sehen wir in vielen aktuellen Analysen der Suchanfragen bei Google.

Ich bin optimistisch, dass wir aus den Krisen lernen und gestärkt ins neue Jahr starten werden.“

Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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Kommentare  

#1 ebayer 2022-12-23 08:36
Klincks "CO2-Konto" ist Greenwashing par excellence und in derselben Liga wie der Ablaßhandel der Kirche des Mittelalters: "Gib mir Dein Geld, und wir verzeihen Deine Sünden."

Ich finde es einfach unverschämt, daß ebay IMMER und dann auch noch an 2 prominenten Stellen dafür wirbt, ohne daß man als Kunde die Möglichkeit hätte es abzuschalten - im Gegenteil: Der Kundendienst stellt sich stur und antwortet mit irrelevanten Textlegos ("beim welchem Angebot tritt das auf?")

Vielleicht sollte sich ebay für die über 11% Gebühr einen manierlichen Vorstand suchen, der sich der wirklichen Baustellen, Hindernisse für Kunden, annimmt.
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