Interview mit Robert Münnich von Zufall Logistics

Darum fährt die Logistik der Digitalisierung noch hinterher

Veröffentlicht: 10.09.2019 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 10.09.2019
Lkw im Stau im Sonnenuntergang

Für den Online-Handel spielt die Logistik eine entscheidende Rolle – allzu oft bremst sie die Branche jedoch auch aus, wie eine Studie gerade erneut nachwies. Auch Experten wie Kai-Oliver Schocke kritisieren fehlende Initiative bei der Digitalisierung. Robert Münnich von der Zufall Logistics Group kennt die Probleme aus der Praxis und spricht im Interview über die Tücken der Digitalisierung, die Chancen von Vergleichsplattformen und die Rolle der Politik.

Onlinehaendler News: Laut einer Bitkom-Studie zur Digitalisierung der Logistik erkennen zwar viele Unternehmen diese Herausforderung – scheuen sich aber vor Investitionen oder Weiterbildung in dem Bereich. Wie erklären sie sich diesen Gegensatz in ihrer Branche?

Robert Münnich: Ich denke, da gibt es viele Faktoren. Es gibt zum Einen eine Hemmschwelle, weil das Knowhow erst aufgebaut werden muss – das dauert. Außerdem sind auch die entsprechenden Fachleute rar und die zu finden, ist auch nicht ohne. Zum Anderen tun wir uns in der Branche mit dem Thema Transparenz recht schwer – und das ist Digitalisierung ja auch, man gibt online viel von sich selbst preis, zum Beispiel Dinge wie Preise, Prozesse, Abläufe einfach für jeden online zu stellen. Warum sich die Branche damit so schwer tut, kann ich gar nicht sagen. Aber diese beiden Probleme gilt es zu lösen. Grundsätzlich glaube ich schon, dass die Branche aufgeschlossen ist, um das Thema Digitalisierung kommen wir ja nicht umhin.

Onlinehaendler News: Es ist also keine Frage der Kosten – denn das wurde in der Studie als größtes Hemmnis von den Befragten genannt.

Robert Münnich: Ich denke nicht, denn die großen Unternehmen haben ja durchaus die finanzielle Kraft für solche Geschichten. Ich vermute, es ist eher die Komplexität solcher Digitalisierungsprozesse, dass man vielleicht als Unternehmer gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Ich denke, die Bereitschaft und auch die Finanzkraft ist da, es ist die Frage „Mit was fangen wir denn jetzt wirklich an, was ist der erste Schritt?“.

Wie nutzen Vergleichsplattformen der Logistik?

Onlinehaendler News: Sie haben das Thema Transparenz bereits angesprochen. Die Buchungs- und Vergleichsplattform Pamyra versucht ja, mit ihrem Angebot auch Transparenz in die Preise der Branche zu bringen. Wie relevant sind solche Plattformen für sie?

Robert Münnich: Das ist für uns schon sehr relevant, weil wir es einfach als Chance, als zusätzlichen digitalen Vertriebskanal sehen. Pamyra oder auch andere erschließen uns neue Wege zu anderen Kunden, die wir bisher nicht hatten und auch nicht kannten. Es erleichtert auch bestimmte Prozesse, wie zum Beispiel die Abwicklung mit Tagespreis-Kunden. Es ist also ein Mehrgeschäft und hat einen positiven Effekt.

Natürlich muss man aber auch über den Schatten springen: Bisher wurden Preise immer mit dem Kunden direkt im stillen Kämmerlein verhandelt, aber ja nicht auf irgendeiner Plattform. Und jetzt hat man für jeden sichtbar einen finalen Frachtpreis. Das braucht ein Umdenken.

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Onlinehaendler News: Nicht nur die Technologie, auch viele Rahmenbedingungen im Spediteurswesen sind noch nicht auf aktuellstem Stand – etwa, wenn Lkw-Fahrer immer noch Frachtbegleitdokumente in kiloschweren Ordnern in analoger Form mitführen müssen. Wünschen sie sich da mehr Engagement seitens der Politik?

Robert Münnich: Da muss man ganz klar mit Ja antworten. In der Beziehung zum Kunden haben wir ja schon viele Prozesse ausschließlich auf digitalem Weg, da braucht es kein Blatt Papier mehr. Aber wir haben auch viele Prozesse – zum Beispiel im Zoll oder im Seefrachtbereich – wo das Papier noch notwendig ist, weil zum Beispiel ein BAG-Kontrolleur den Frachtauftrag auf dem Tablet nicht anerkennt und er noch ein Stück Papier mit Stempel haben will. Da gibt es schon eine Diskrepanz zwischen dem, was wir auf der einen Seite schon leisten können und dem, was auf der anderen Seite noch gefordert wird. Natürlich wäre da Unterstützung und ein Umdenken durchaus hilfreich.

„Der Fahrer darf nicht der Dumme der Nation sein.“

Onlinehaendler News: Auch der Fahrermangel ist ein akutes Problem – wie versuchen sie das bei sich zu lösen?

Robert Münnich: Da gibt es mehrere Ansätze: Wir als Logistik-Branche müssen die Attraktivität des Berufes wieder steigern. Man hat über Jahre hinweg viel ausgetragen auf dem Rücken der Fahrer: Angefangen bei fehlenden Parkplätzen über unglaublich schreckliche hygienische Zustände dort bis hin zur Annehmlichkeit und Ausstattung des Fahrzeugs. Oder auch digitale Themen: Wie kann ich zum Beispiel den Fahrprozess mit digitalen Hilfsmitteln unterstützen? Diese Themen müssen wir angehen, um im Gesamten den Beruf wieder attraktiver zu machen. Wir müssen davon wegkommen, dass der Fahrer nur der Dumme der Nation und das letzte Glied in der Kette ist, auf dem alle rumtrampeln. Wir müssen verstehen, wie wichtig der Job für die gesamte Branche ist – für jeden von uns. Die Digitalisierung ist eines der Themen, die den Job für den Fahrer wieder erleichtern können.

Onlinehaendler News: Das könnte dann bis zum autonomen Fahren reichen, das ja ein beliebtes Trendthema auch in der Digitalisierung der Logistik ist. Wie stehen sie dem gegenüber?

Robert Münnich: Wir sind da sehr offen und verfolgen unterschiedliche Ansätze. An verschiedenen Standorten der Zufall logistics group haben wir Kooperationen mit Hochschulen oder engagieren uns aktiv in Netzwerken, wie zum Beispiel mit dem Logistik-Netzwerk Thüringen. Es ist notwendig, sich mit dem Thema zu beschäftigen, den Fahrer zu unterstützen oder eben auch – wenn man den Fahrermangel an sich nicht in den Griff bekommt – mit autonomen Systemen trotzdem das Ding am Laufen zu halten.

Onlinehaendler News: Platooning, also die elektronische Abstandssteuerung bei Kolonnen-Fahrten, gilt als Hoffnungsbringer in der Branche. Gibt es entsprechende Projekte auch bei Zufall?

Robert Münnich: Bei Zufall haben wir uns noch nicht weiter damit beschäftigt; das liegt daran, dass rechtliche Rahmenbedingungen erfüllt werden müssen wie die Freigabe von Teststrecken etc. Grundsätzlich ist das einer von vielen Ansätzen. Platooning bringt am Ende vielleicht nicht ganz die Ersparnis beim Spritverbrauch, die man sich erhofft hat, da war man in der Branche eher etwas ernüchtert. Insgesamt haben Tests aber ergeben, dass der Prozess des Transportes gerade für den Fahrer deutlich erleichtert wird. Der große Vorteil von Platooning ist ja, dass ich durch die kürzeren Abstände und die elektronische Deichsel mehr Fracht auf die Lkw bekomme.

Es ist aber auch nur einer von vielen Ansätzen, die Herausforderung der wachsenden Güterströme in den Griff zu bekommen. Es gibt da ja auch noch verschiedene Antriebsarten etc., das muss man dann alles zusammenbringen. Jeder Ansatz hat seiner Vorteile und muss auch ausgiebig getestet werden.

Onlinehaendler News: Vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Robert Münnich ist stellvertretender Niederlassungsleiter und Bereichsleiter Internationale Spedition und Vertrieb bei der Zufall Logistics Group in Nohra. Außerdem ist er Vorstandsmitglied im Logistik-Netzwerk Thüringen und Mitglied des Advisory Boards der Vergleichsplattform pamyra.de.

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