Fulfillment, Flugzeuge und fahrende Roboter

So vielfältig ist Amazons Logistik

Veröffentlicht: 23.02.2021 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 23.02.2021
Amazon-Paket mit einem Lächeln

Amazon ist vieles: Online-Händler, Hersteller, Cloud- und Streaming-Dienstleister, Payment-Anbieter und auch Logistiker. Und gerade im logistischen Bereich ist der Konzern in den vergangenen Jahren nicht nur auf traditionellen Pfaden gewandelt, sondern hat sich auch fernab klassischer Projekte immer neuen Möglichkeiten zugewandt. In wenigen Jahren hat sich Amazon ein umfassendes, eng verwobenes und gut ausgestattetes Logistiknetz geknüpft, von dessen Innovationskraft sich manche traditionellen Dienstleister durchaus eine Scheibe abschneiden können.

Amazon: 15 deutsche Logistikzentren

Regelmäßig lässt Amazon Pläne für immer neue Logistikzentren verlauten. Weltweit betreibt der Konzern nach eigenen Angaben mittlerweile 175 Zentren dieser Art, in denen rund 250.000 Vollzeitmitarbeiter ihrer Tätigkeit nachgehen. Die logistische Fläche nimmt dabei bereits eine beeindruckende Größe ein: Auf 14 Millionen Quadratmetern werden jeden Tag zig-Tausende, jedes Jahr Abermillionen Pakete zusammengepackt, versendet und/oder weitergeleitet, um sie letztendlich zu den wartenden Kunden zu bringen.

Allein in Europa betreibt Amazon insgesamt mehr als 40 Logistikzentren; in Deutschland sind es schon 15 an 14 Standorten (Stand Oktober 2020): Zwei Zentren in Bad Hersfeld sowie je eins in Brieselang, Graben, Koblenz, Leipzig, Mönchengladbach, Oelde, Pforzheim, Rheinberg, Sülzetal, Werne, Dortmund, Winsen und Frankenthal. Weitere sind auch für 2021, zum Beispiel in Achim bei Bremen, in Planung. Neben den großen Logistikzentren betreibt Amazon ebenfalls eine Vielzahl kleinerer Verteil- oder auch Sortierzentren.

Um die Arbeiten rund um Bestellungen und Pakete abwickeln zu können, hat sich Amazon in Deutschland einen Personalstamm von mittlerweile 16.000 festangestellten logistischen Kräften geschaffen. Hinzu kommen viele Tausende saisonale Mitarbeiter, die dem Unternehmen in Spitzenzeiten, wie etwa in der Weihnachtssaison, unterstützend zur Seite stehen. Wie hoch der personelle Bedarf dabei ist, zeigt der Einstellungsprozess aus dem vergangenen Jahr: Nach eigenen Aussagen hatte Amazon für die Weihnachtszeit 2020 insgesamt 10.000 zusätzliche Kolleginnen und Kollegen in Deutschland eingestellt.

Welche Wege ein bestelltes Produkt und das entsprechend gepackte Paket geht, zeigt die FAZ in einem Video:

Verteilzentren, Sortierzentren & Co.: Wo liegen die Unterschiede?

Bei der Vielzahl verschiedener logistischer Einrichtungen, die Amazon betreibt, könnte man durchaus den Überblick verlieren. Aus diesem Grund erklärt Amazon die verschiedenen Arten von Gebäudetypen, in denen die Abwicklung der Kundenbestellungen vonstatten geht, folgendermaßen:

  • „Sortable“: Diese Logistikzentren sind etwa 74.000 Quadratmeter groß und bieten bis zu 1.500 Vollzeitangestellten Arbeit. Hier werden Bestellungen wie etwa Bücher oder Haushaltswaren zunächst zusammengestellt und dann verpackt und versendet.
  • „Non-Sortable“: Die 56.000 bis 110.000 Quadratmeter großen Logistikzentren benötigen etwa 1.000 Vollzeitkräfte. Im Fokus stehen dabei sperrige oder große Produkte wie Teppiche, Gartengeräte oder auch Outdoor-Ausrüstungen. Auch hier werden die bestellten Waren herausgesucht, verpackt und versendet.
  • Sortierzentren: Um die Paketversendung zu den Kunden schnellstmöglich abwickeln zu können, werden die Bestellungen in den Sortierzentren nach den jeweiligen Bestimmungsorten sortiert und daraufhin auf die entsprechenden LKW verteilt.
  • „Receive“-Zentrum: Laut Amazon tragen diese 56.000 Quadratmeter großen Gebäude zur „effizienten Erfüllung von Kundenwünschen bei“. Möglich wird dies, indem sie große Mengen an Produkten annehmen, nach denen eine hohe Nachfrage herrscht. Von hier aus werden diese Produkte dann an die Logistikzentren verteilt.
  • „Speciality“-Zentrum: In diesen Gebäudearten dreht sich alles um spezielle Produktkategorien oder beispielsweise in Peak-Zeiten wie der Weihnachtssaison um Artikel mit starker Kundennachfrage.
  • Verteilzentren: Diese Zentren dienen schon ihrem Namen nach der Verteilung: Von hier aus gehen die Pakete auf die sogenannte „letzte Meile“, also direkt zu den Kunden.

Wie funktioniert Amazon FBA?

Natürlich wickelt Amazon bekanntermaßen nicht nur eigene Verkäufe über seine Logistikstandorte ab, sondern bietet seine Ressourcen auch als buchbaren Dienst an. Amazon FBA (also „Fulfillment by Amazon“) ist ein Service, der Händlern den Arbeitsalltag massiv erleichtern soll, indem sie ihre Bestellungen über den Marktplatz nicht selbst abwickeln, sondern dies Amazon überlassen. Dazu schicken sie ihre Waren zu Amazon, wo sie zunächst eingelagert werden. Wird eine Bestellung ausgelöst, bereitet der Konzern das Paket vor und verschickt es direkt zu den Kunden, ohne dass der Händler hier eingreifen muss.

Die Vorteile von FBA liegen laut Amazon einerseits in der logistischen Arbeit, die für den Händler wegfällt: Er braucht weder Lagerfläche noch Verpackungsmaterialien, Personal oder die zeitlichen Ressourcen für die Bestellabwicklung. Andererseits ist es von Vorteil, dass die Fremdprodukte, die Amazon über FBA abwickelt, auf dem Online-Marktplatz mit dem „Prime“-Logo versehen werden. Kunden wissen also genau, dass die Bestellung zeitnah bearbeitet und von Amazon verschickt wird, was zur Folge hat, dass sich viele Kunden eher für ein Prime-Produkt als für ein Nicht-Prime-Produkt entscheiden. Auch die schnelle und vergleichsweise einfache Expansion in neue Märkte soll hierdurch möglich werden. 

In folgendem Video gibt Amazon einen Überblick über seinen FBA-Service:

Natürlich ist Amazon FBA auch ein zweischneidiges Schwert: Aus der Praxis lässt sich sagen, dass sich viele Amazon-Händler im Laufe der Zeit zwar für FBA entschieden haben, sich allerdings nicht komplett in die Hände des Konzerns begeben wollen und daher nur einen Teil ihres Sortiments oder ihrer Waren abwickeln lassen. Neben den grundsätzlichen Kosten des Services und dem Fakt, dass sich Händler bei der Expansion beispielsweise nicht separat aussuchen können, in welche Länder sie genau verkaufen wollen, sollten auch Aspekte wie eingeschränkte Branding-Möglichkeiten (z. B. beim Paket) oder Amazons großzügige Rücknahme-Regelungen auch bei FBA-Produkten beachtet werden. Hinzu kommt etwa, dass es immer wieder einzelne Händler gibt, die von Problemen bei der Warenanlieferung berichten. Jeder Händler sollte also genau abwägen, in welchem Umfang und mit welchen Produkten ein FBA-Einstieg Sinn ergibt.

Roboter als wichtige Helfer im Lager

Technische Innovationen in der Logistik sind nicht nur ein nettes Schmankerl, um zu zeigen, wie hip und modern man als Unternehmen ist. Ganz im Gegenteil: Sie sind zu einem festen, unwiderruflichen Bestandteil im logistischen Betrieb geworden und helfen dabei, Tätigkeiten und Prozesse effizienter zu machen: „Bei Amazon benötigen wir fortschrittliche Technologien und Automatisierungstechniken, um der Nachfrage der Kunden gerecht zu werden. Neue Technologien ermöglichen kürzere Zustellzeiten, eine größere Auswahl und geringere Kosten für die Kunden“, schreibt Amazon auf seiner Website.

Die wichtigste Grundlage für den Roboter-Einsatz bei Amazon wurde im Jahr 2012 gelegt: Damals übernahm der Konzern das Bostoner Unternehmen Kiva Systems und somit die entsprechende Robotertechnologie. Stolze 775 Millionen US-Dollar soll die Übernahme damals gekostet haben. Unter dem Dach von Amazon erhielt die Firma später den neuen Namen Amazon Robotics.

In den Logistikzentren von Amazon sind mittlerweile eine ganze Reihe verschiedener Robotertypen unterwegs. Unter anderem zu nennen sind hierbei:

  • Palettierroboter: Hierbei handelt es sich um Roboterarme, die mit Greifern ausgestattet sind. Sie erkennen Produkte auf Fließbändern und heben sie bei Bedarf herunter, um sie beispielsweise für die Einlagerung auf Paletten aufzustapeln oder sie für den Versand vorzubereiten.
  • Robo-Stow: Auch hierbei handelt es sich um einen Roboterarm. Dieser hebt allerdings keine einzelnen Produkte, sondern Warenpaletten, um sie auf verschiedene Ebenen zu befördern oder sie auf Transporteinheiten zu platzieren.
  • Transportroboter: Sie sind quasi die mechanischen Packesel, die Waren bzw. Paletten durch die Logistikzentren bewegen.

Auf die kritische Frage, ob der immer stärkere Einsatz von Robotern nicht auch zu Personalabbau führt, reagiert Amazon mit einem klaren Nein. Rund 300.000 neue Vollzeitstellen wurden demnach seit 2012 in den Logistiklagern geschaffen. Außerdem gehe es nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern um die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine – durch Roboter werde die körperlich anstrengende Arbeit der Menschen erleichtert. Auch für mehr Sicherheit sorgen die technischen Helfer. Zudem werde immer Personal gebraucht, um sie zu entwerfen, zu überwachen, zu warten oder auch zu verbessern.

Amazon liefert immer mehr Pakete selbst

In den vergangenen Jahren hat Amazon hart daran gearbeitet, sich auf logistischer Ebene zu emanzipieren und sich von den großen Logistikdienstleistern wie DHL, Hermes oder UPS unabhängig zu machen. Das hat den Vorteil, sich nicht den Bedingungen und Preisen Dritter unterwerfen zu müssen und ermöglicht dem Unternehmen natürlich Autonomie. 

Inzwischen liefert Amazon einen beachtlichen Teil seiner Pakete selbst: Einer Studie des Beratungsunternehmens ShipMatrix aus dem Sommer 2020 zufolge werden mittlerweile in den USA rund zwei Drittel der Pakete (415 Millionen) selbst abgewickelt und ausgeliefert. Für 2021 prognostizieren Branchenexperten ein weiteres Wachstum in diesem Bereich und gehen von einer möglichen Quote in Höhe von 80 Prozent aus.

Amazon macht Deutscher Post mit eigenen Paketstationen Konkurrenz

Ein Projekt, mit dem Amazon die Zufriedenheit der Kunden in Sachen Paketzustellung weiter ankurbeln will, sind die sogenannten „Amazon Locker“. Dabei handelt es sich um Paketstationen, wie man sie etwa aus dem Hause DHL kennt. Auf seiner Website wirbt Amazon mit bequemen Öffnungszeiten, da ein Großteil der Locker jederzeit für Kunden zugänglich ist. Zudem sei es nicht – wie etwa beim Konkurrenzprodukt der Deutschen Post – nötig, sich vorher anzumelden bzw. sich zu registrieren.

Bei der Verteilung der Locker achtet Amazon darauf, diese an gut zugänglichen Standorten aufzustellen, etwa an Tankstellen, in Innenstädten oder vor Supermärkten. Zahlentechnisch kommt Amazon zwar noch lange nicht an die DHL heran, die mit einer Verfügbarkeit ihrer Packstationen an mehr als 6.500 Standorten werben, allerdings stellte Amazon Ende 2019 seinen immerhin 1.000. Locker auf.

Eigene Luftfracht wächst stetig weiter

Die selbstständige Paketabwicklung begrenzt sich derweil nicht nur auf den Boden, sondern auch auf luftige Höhen. Einer der großen Auslöser dieser Entwicklung dürfte laut WiWo nicht zuletzt der Chaoswinter 2013 gewesen sein: Schneestürme und Flugpannen hatten zur Folge, dass viele Weihnachtsgeschenke, die Amazon-Kunden bestellt hatten, erst nach den Festtagen ankamen – ohne dass Amazon hier eingreifen konnte, da man auf die Frachtabwicklung der externen Logistikpartner angewiesen war. Bereits zuvor hatte Amazon in Stoßzeiten mit der Anmietung von Frachtflugzeugen samt Besatzung begonnen. Doch nach dem Weihnachtsdebakel visierte der Konzern eine noch engere Zusammenarbeit mit den Fluglinien an. 2015 schließlich legte der Konzern den Grundstein für alles Weitere, als das Unternehmen die Frachtfluggesellschaft Prime Air gründete. 

Nach dem Anbieten bzw. Leasen von Flugzeugen und Mannschaften und der steten Aufrüstung der Luftflotte in den Folgejahren, kam dann im Januar 2021 eine weitere Nachricht, die als Meilenstein gilt: der Kauf hauseigener Flugzeuge, die die Flotte gemieteter/geleaster Flieger ergänzen. Insgesamt elf Maschinen der Marke Boeing (Typ 767-300) sollen von zwei Airlines geordert worden sein. Dabei handelt es sich wohl um Flugzeuge, die durch Corona und die Krise in der Luftfahrtbranche nicht mehr gebraucht würden. Amazons Luftfrachtflotte soll aktuell alles in allem mehr als 80 Flugzeuge umfassen.

Mit Rivian ins Zeitalter der grünen letzten Meile 

Wer sich mit Amazons Logistik auf der letzten Meile beschäftigt, wird unweigerlich auch auf den Namen Rivian stoßen. Das US-amerikanische Unternehmen mit Sitz in Plymouth, Michigan, hat sich auf die Entwicklung und Produktion von Elektroautos spezialisiert, darunter auch elektrische SUV oder auch Pick-ups. E-Autos spielen bei Amazon deshalb so eine große Rolle, da der Konzern im Rahmen seines sogenannten „Climate Pledge“ ein „Klimaversprechen“ abgegeben hat: Bis 2040 will das Unternehmen CO2-neutral werden – also möglichst wenig Treibhausgase ausstoßen und die vorhandenen Emissionen mit anderen Umweltschutzmaßnahmen ausgleichen. Neben dem klimaneutralen Versand von Paketen, der grünen Stromversorgung in den hauseigenen Logistik- und Sortierzentren oder Investitionen in Wiederaufforstungsprojekte steht dabei eben auch die Zusammenarbeit mit Rivian im Fokus.

Im Frühjahr 2019 wurde bekannt, dass Investoren 700 Millionen US-Dollar in Rivian gesteckt haben. Amazon habe dabei den größten Anteil beigesteuert. Bereits kurze Zeit später, im Herbst 2019, gab Amazon bekannt, satte 100.000 elektrische Lieferwagen bei Rivian bestellt zu haben, die zwischen 2021 und 2030 geliefert werden sollen.

Dass der Einsatz solcher elektrobetriebenen Lieferfahrzeuge keine Zukunftsmusik ist, die zudem nur in den USA gespielt wird, zeigt nicht zuletzt der Einsatz von Rivian-Lieferfahrzeugen in Essen: Dort ließ Amazon nämlich schon im Sommer vergangenen Jahres seine bisher größte E-Van-Flotte in Europa losrollen. Mehr als 150 solcher Vans bringen seither Pakete zu den Kunden. Allerdings betonte der Konzern auch, dass es neben den Rivian-Fahrzeugen auch andere Anstrengungen gebe, die letzte Meile umweltfreundlich zu gestalten: „Zusätzlich zu den 100.000 Elektrolieferfahrzeugen, die wir bereits beim US-Hersteller Rivian bestellt haben, nutzen wir auch lokale Partnerschaften, um weitere emissionsfreie Fahrzeuge schneller auf die Straße zu bringen“, kommentierte Robert Viegers, Direktor von Amazon Logistics in Deutschland, damals die Entwicklungen.

Kritik am Lieferprogramm Flex  

Obwohl Amazon die Zustellung der Pakete zunehmend selbst übernimmt, geht es ganz ohne externe Hilfe bisher aber doch noch nicht. Neben der Nutzung von DHL & Co. setzt Amazon dabei beispielsweise auch auf private Paketboten. Das entsprechende Programm dazu nennt sich „Amazon Flex“ und wurde von Amazon im Herbst 2015 ausgerollt. Zwei Jahre später, Ende 2017, fiel dann auch der Startschuss in Deutschland. Hier ist der Dienst mittlerweile in mehr als 50 Städten vertreten. Die Grundidee hinter dem Angebot ist, dass quasi jeder zum Paketboten werden kann: „Seien Sie Ihr eigener Chef und arbeiten Sie nach Ihrem Zeitplan, um mehr Zeit zu haben, Ihre Ziele und Träume zu verwirklichen“, wirbt Amazon für seinen Dienst.

Um als Flex-Bote arbeiten zu können, benötigen volljährige Nutzer laut Amazon lediglich ein Auto mit mindestens vier Türen, einen gültigen Führerschein, eine Verfügbarkeit zwischen zwei und acht Stunden pro gewähltem Tag sowie ein Handy mit entsprechender Flex-App.

Ganz unkritisch wird das Angebot von jeher allerdings nicht betrachtet. 2018 meldete sich die Linkspartei zu Wort und stellte die vermeintlich „miserablen“ Arbeitsbedingungen für Paketzusteller an den Pranger. Vom zunächst wohlklingenden Stundenlohn bliebe den Fahrern am Ende nicht viel, da hiervon beispielsweise noch Kosten für Sprit, KfZ-Versicherung oder Reparaturen abgingen. „Amazon verdrängt mit seinem neuen Geschäftsmodell nicht nur reguläre Beschäftigung, sondern verschiebt das unternehmerische Risiko vollständig auf die privaten Kurierfahrer“, sagte damals Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Partei. So haften die privaten Zusteller etwa im Falle eines Schadens oder beim Verlust einer Sendung selbst. Auch die Gewerkschaft Verdi verwies auf Gefahren.

Neben dem Risiko für die Flex-Boten brannte zudem erst kürzlich eine Debatte um den Umgang Amazons mit den Fahrern auf: In den USA hatte Amazon Logistics ihnen in den FAQ Trinkgelder versprochen. Allerdings soll Amazon die Trinkgelder der Kunden bis 2019 selbst einbehalten und damit etwa den zuvor gesenkten Garantie-Stundenlohn ausgeglichen haben. Auch von Verschleierung dieser Strategie war die Rede. Nachdem Hunderte Beschwerden eingegangen sind und die US-Verbraucherschutzbehörde FTC (Federal Trade Commission) Klage eingereicht hatte, lenkte Amazon schließlich ein. Im Rahmen eines Vergleichs einigte sich Amazon darauf, knapp 62 Millionen US-Dollar (mehr als 51 Millionen Euro) an seine Flex-Fahrer zurückzuzahlen.

Wenn die Drohne das Paket bringt

Von Flugzeugen und Robotern in Amazons Logistik wurde bereits berichtet. Doch auch mit einer Mischung aus beidem kann Amazon dienen: 2013 war das Jahr, in dem Amazon mit seiner Idee von Drohnen weltweit für Schlagzeilen sorgte. Damals stellte das Unternehmen kleine Drohnen namens „Octocopter“ vor – Geräte mit acht integrierten Motoren, die nach damaligen Angaben bis zu 16 Kilometer weit fliegen können und dabei Pakete zu den Kunden transportieren sollten. Die Amazon-Drohnen haben sich im Laufe der vergangenen Jahre immer weiter entwickelt, auch die nötige Zulassung durch die US-amerikanische Bundesluftfahrtbehörde FAA dürften Anpassungen nötig gemacht haben.

2019 wurde schließlich Amazons neueste Drohne vorgestellt, an der man mehr als fünf Jahre gefeilt hatte: Das autonome Fluggerät kann Pakete von bis zu 2,3 Kilo tragen und eine Strecke von bis zu 25 Kilometern zurücklegen. Sie soll in Zukunft eingesetzt werden, um leichtere Bestellungen innerhalb von 30 Minuten zu den Kunden zu bringen. Ende 2020 nahm das Projekt rund um die Flugkörper dann noch einmal an Fahrt auf, als die FAA die notwendige Zertifizierung erteilte und Amazon somit Testflüge erlaubte. Wann der Online-Händler genau mit dem Start kommerzieller Drohnen-Lieferungen beginnen kann, steht allerdings noch weiter in den Sternen.

Übrigens hat sich Amazon in den vergangenen Jahren nicht nur Drohnen, sondern auch viel drumherum ausgedacht. So belegen Dokumente, die der Konzern beim US-amerikanischen Patentamt eingereicht hat, beispielsweise auch, dass sich Amazon Drohnentürme, Drohnen-Zeppeline, sprechende Drohnen oder etwa einen Drohnen-Überwachungsservice vorstellen kann. Ob es diese Ideen allerdings tatsächlich bis zur Marktreife schaffen, bleibt abzuwarten.

Ein Lieferroboter in Schrittgeschwindigkeit

Nicht in der Luft, aber dafür ebenso autonom wie die Drohnen, soll sich Amazons hauseigener „Scout“ bewegen: Das Gefährt auf sechs Rädern wurde Anfang 2019 vorgestellt, ist elektrisch betrieben, kann Schrittgeschwindigkeit fahren und soll mithilfe von Sensoren sogar Hindernissen und Gefahren ausweichen können. Schon beim Blick auf die Geschwindigkeit des Lieferroboters wird deutlich, dass der Scout nicht darauf ausgelegt ist, weite Strecken allein zurückzulegen. Allerdings könnte ein Einsatz in größeren Gebäuden, etwa in Universitäten, Bürokomplexen oder Krankenhäusern durchaus Potenzial bieten.

„Amazon Key“ – Zwischen Revolution und Aprilscherz

Spätestens das Projekt „Amazon Key“ zeigt, dass Amazon die Zustellung von Paketen revolutionieren und Kunden damit den größtmöglichen Service bieten will. Hinter Key steht ein Projekt des Online-Riesen, das 2017 vorgestellt wurde, und bei dem Dienstleister wie Paketboten, Blumenlieferanten oder Reinigungskräfte mithilfe eines smarten Türschlosses Zugang in die Wohnung der Kunden erhalten sollen.

„Nicht zu Hause? Kein Problem. Als Prime-Mitglied erhalten Sie Ihre Amazon-Pakete sicher in Ihr Zuhause. Darüber hinaus gewähren Sie auch Personen Zugang, denen Sie vertrauen, zum Beispiel Ihrer Familie, Ihren Freunden, Ihrem Hundesitter oder Ihrer Haushaltskraft.“ Über die entsprechende App können Nutzer den Dienstleistern erlauben, das intelligente Türschloss zu öffnen. Für mehr Sicherheit wird ein weiterer Sicherheitsfaktor angepriesen: eine Videokamera, die automatisch aufnimmt, wenn sich die Tür öffnet – auf diesem Weg sollen die Paketboten überwacht und eine sichere Lieferung garantiert werden.

Zwar sorgte Amazon bei der Vorstellung des neuen Dienstes für viel Aufmerksamkeit, allerdings dürfte sich der Konzern die Resonanz etwas anders vorgestellt haben. Denn gleich darauf flammte in den sozialen Medien viel Spott und Hohn auf. Manche glaubten gar an einen Aprilscherz (im Herbst). Dass die intelligente Türlösung nicht frei von Fehlern ist, zeigten später auch Meldungen über gehackte Systeme. Auch eine Studie des Marktforschungsunternehmens InsuranceQuotes aus dem Frühjahr 2018 belegte eine gewisse Skepsis der Kunden: Von den mehr als 1.000 befragten US-amerikanischen Verbrauchern gaben mehr als zwei Drittel (69 Prozent) damals an, den Service nicht nutzen zu wollen. Rund 80 Prozent gaben dabei beispielsweise Sorgen an, dass die Paketboten etwas stehlen könnten.

Dennoch hielt Amazon an seinem Service fest und startete 2019 seinen Service „Key for Garage“, bei dem die Boten die Pakete speziell nicht in den Häusern, sondern eben in den Garagen der Nutzer ablegen sollen. Auf seiner Website verweist Amazon nicht nur darauf, dass es sich bei der Liefer-Erlaubnis um eine einmalige Zugangsberechtigung handelt, sondern spricht auch von Background-Checks, also einer genauen Überprüfung der Lieferanten, um die Sicherheit zu gewährleisten. 

Amazon-Logistik: Kein Rasten, kein Ruhen

An der Vielzahl und den unterschiedlichen Arten von Amazons Logistik-Komponenten wird deutlich, dass Amazon keine Mittel und Wege unversucht lässt, um die Abwicklung, den Transport sowie die Zustellung der Pakete so effizient und kundenfreundlich wie möglich zu gestalten. Dass dabei selbst solche Projekte ausprobiert werden, die zunächst vielleicht ein wenig absurd erscheinen, spricht für den Innovationswillen des Konzerns in Sachen Logistik. Nicht alle anvisierten Projekte dürften dabei auch langfristig Erfolg haben, schließlich ist es beispielsweise gerade die letzte Meile, die sehr teuer und ressourcen-fressend ist. Nichtsdestoweniger zeigt Amazons unermüdliche Logistikexpansion, dass dieser Bereich einen recht hohen Stellenwert auf der Agenda innehat.

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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