Themenreihe Logistik

Verbundzustellung bei der Deutschen Post: Zwischen Effizienz und Konkurrenz

Veröffentlicht: 24.04.2023 | Geschrieben von: Hanna Behn | Letzte Aktualisierung: 08.05.2023
Zustellerin der Deutschen Post vor Zustellfahrzeug

Jedes Jahr werden von der Deutschen Post immer weniger Briefe zugestellt, etwa zwei bis drei Prozent weniger seien es, was unter anderem an der zunehmenden Digitalisierung in zahlreichen Kommunikationsbereichen liegt. Im Gegenzug gibt es immer mehr Paketsendungen, nicht zuletzt dank der zunehmenden Bestellungen im Online-Handel. „Kamen im Jahr 2010 in Deutschland noch 21 Briefe auf ein Paket, so werden es im Jahr 2025 voraussichtlich nur noch 5 Briefe auf ein Paket sein“, erläutert ein Unternehmenssprecher der Post auf Nachfrage. Die Corona-Pandemie hatte diese Entwicklung noch beschleunigt

Vor diesem Hintergrund will der Bonner Logistikkonzern die sogenannte Verbundzustellung sukzessive ausweiten, wie seit etwa gut einem Jahr bekannt ist. Die Zustellung im Verbund ist kein neuartiges Konzept. Es beinhaltet, dass Briefe und Pakete nicht mehr separat von Briefträger:in oder eben Paketbot:in, sondern von ein und derselben Person ausgeliefert werden – wie es jahrzehntelang und flächendeckend der Fall war. Im ländlichen Raum oder auch in Kleinstädten ist die gemeinsame Zustellung von Briefen, Päckchen und Paketen bereits typisch, vor mehr als 20 Jahren wurde damit begonnen. Doch das Modell wird immer mehr auf städtische Gebiete ausgeweitet. Lag der Anteil 2017 noch bei unter 50 Prozent, soll er bis 2025 auf 70–75 Prozent steigen. Angaben aus dem letzten Frühjahr zufolge gab es rund 65.500 Verbundzustellerinnen und -zusteller, also knapp 60 Prozent.

Während aus Sicht der Post durch die Ausweitung der Verbundzustellung unter anderem Vollarbeitsplätze gesichert und die rückläufigen Briefmengen „kompensiert“ werden könnten, hatten Gewerkschaften in der Vergangenheit Kritik geäußert. Auch die Konkurrenz schaut genau hin. Unterm Strich könnte die Ausweitung des Zustellmodells aber nur einen Teil des Problems der sich verändernden Sendungsmengen lösen.

Verbundzustellung soll Jobs sichern

Angesichts der Entwicklung der Brief- und Paketmengen in der Zustellung braucht es effizientere und wirtschaftliche Konzepte. „Die Zustellung kleinformatiger Pakete und Warensendungen in der Briefzustellung führt dazu, dass der kontinuierliche Rückgang der Briefsendungen ein Stück weit kompensiert wird. Damit wird verhindert, dass die Briefbezirke räumlich immer größer werden und für eine Vollzeitkraft bzgl. der zurückzulegenden Wegstrecken leistbar bleiben“, erläutert die Deutsche Post weiter auf Nachfrage. Der Personaleinsatz würde flexibel an die jeweiligen Sendungsmengen in den Zustellbezirken angepasst werden. „Davon profitieren unsere Kolleginnen und Kollegen in der Zustellung, denn es macht ihre Arbeitsplätze zukunftsfähig“, argumentiert DPDHL weiter. 

„Der klassische Briefträger wird irgendwann Geschichte sein“

Derzeit sind bei der Deutschen Post DHL 116.500 Beschäftigte im Bereich der Zustellung tätig. 95.800 arbeiten in der Brief- und Verbundzustellung, wie das Unternehmen mitteilte. Ein Anteil von etwa 18 Prozent sind somit nur in der Paketzustellung tätig, wie viele aktuell nur in der Briefzustellung arbeiten, bliebt offen.

Gewerkschaften hatten Anfang des letzten Jahres im Zuge der Ausweitung des Zustellkonzepts auch vor einem möglichen Personalabbau gewarnt. „Der klassische Briefträger wird irgendwann Geschichte sein. Nicht jeder Briefzusteller kann mal eben in die Verbundzustellung wechseln“, sagte die DPVKOM-Bundesvorsitzende Christina Dahlhaus damals der Welt am Sonntag. Ein Konzernsprecher der Post hatte dem Blatt wiederum erklärt, dass sich durch die Verbundausweitung die Anzahl der Beschäftigten nicht stark verändern würde. Verglichen mit den Zahlen aus dem März 2022, als mit fast 118.600 Personen etwa 2.100 mehr in der Zustellung beschäftigt waren, gingen die Beschäftigtenzahlen etwas zurück. Doch hier sollte man wohl nicht zu viel Gewicht hineinlegen, die Ursache dafür können auch saisonale Schwankungen sein. 

Höhere Arbeitslast für die Angestellten? 

Wenn Briefträger:innen mehr Pakete tragen müssten, führe dies zu einer höheren Belastung, so eine weitere Position der Gewerkschaft DPVKOM. Im Arbeitsalltag scheinen Angestellte eine solche Zusatzbelastung auch durchaus wahrzunehmen. So habe sich das Arbeitspensum in den letzten Jahren aufgrund der immer höheren Paketmengen bereits verändert. Zu merken sei das – zumindest subjektiv – vor allem an der Zeit, die nun für die Zustellung aufzubringen sei. Je mehr Pakete es gibt, desto länger dauere auch die Zustellung im Verbund, wie eine Angestellte, die seit mehreren Jahren in der Verbundzustellung tätig ist, berichtet: „Hat man nur Briefpost, geht die Zustellung schneller. In meinem Bezirk merke ich es sofort, wenn ich weniger Pakete habe.“ Vor allem seit der Pandemie habe die Anzahl der Pakete noch einmal merklich zugenommen. „Selbst wenn es teilweise nur 20 Pakete mehr als früher sind, ist das natürlich zu merken“, erklärt die Zustellerin. Die Deutsche Post erklärte, dass generell der höhere Zeitbedarf für die Zustellung eines kleinformatigen Pakets im Vergleich zu einem Brief in der Größe der Zustellbezirke berücksichtigt werde. Berichte aus der Praxis lassen vermuten, dass diese Rechnung nicht überall aufgehe.

Die Gewerkschaft Verdi erklärte, dass man steigenden Belastungen für die Beschäftigten adäquat begegnen müsse. Der Arbeitgeber sei „aufgefordert, entsprechende Hilfsmittel bereitzustellen“. Aber auch da zeigen sich Hürden in der Praxis: „Wir haben beispielsweise eine spezielle Sackkarre, extra für Treppen. Die wird aber äußerst selten genutzt, weil sie zu schwer ist und viel Platz im Auto wegnimmt“, erklärt die Insiderin.

Immerhin: Schwere Pakete seien nicht die Regel, wie aktuell auch der Bundesverband für Paket & Expresslogistik (BIEK) im Zuge des Vorschlags von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Einführung einer Gewichtsobergrenze für Pakete mitteilte. Im Schnitt hätten Paketsendungen demnach ein Gewicht von fünf Kilogramm. 

Briefzustellung in jetziger Form steht auf der Kippe

Nach Abschluss der Tarifverhandlungen im März, durch die Zusteller:innen künftig höhere Löhne erhalten, muss es sich für den Konzern noch einmal mehr lohnen, auch trotz abnehmender Briefmengen die Postzustellung zu bewerkstelligen. Dass es mehr Verbundzustellung geben wird, löst aber wohl nur einen Teil der Schwierigkeiten. Denn generell sind die Kosten für die Briefzustellung hoch. Um dies abzufangen, wurde Anfang 2022 das Briefporto erhöht, aber auch mehr Zeit für die Zustellung oder, ebenfalls in diesem Zusammenhang, etwa auch ein Aus für die Briefflieger gefordert. Die Flugzeuge seien im Einsatz, um sicherzustellen, dass die gesetzlich vorgeschriebenen 80 Prozent der Briefe am Tag nach dem Einwurf ausgeliefert werden. Diese letztgenannte gesetzliche Regelung sei aus Kostensicht ohnehin problematisch. „Das Anspruchsniveau an unsere Dienstleistung führt zu enorm hohen Kosten“, erklärte Post-Chef Frank Appel dazu im November des vergangenen Jahres. Seitens der DPVKOM führe diese in Gewerkschaftskreisen „Zwei-Klassen-Zustellung“ genannte Veränderung der Brieflaufzeiten nicht unbedingt zur Entlastung der Arbeitnehmer:innen. „Nur die Zeitpunkte, zu denen Sendungen zugestellt werden müssen, ändern sich“, so DPVKOM-Bundesvorsitzende Christina Dahlhaus kürzlich bei ServusTV. Das führe eher zu einer weiteren Arbeitsverdichtung: „So ist ein gewisser Druck vorhanden, die anfallenden Sendungsmengen an bestimmten Tagen auszuteilen.“

Vorgaben und Prozesse in der Briefzustellung scheinen bei Personalengpässen hin und wieder zu Problemen zu führen, wie sich etwa im Herbst des vergangenen Jahres zeigte. Damals hagelte es für die Post überdurchschnittlich viele Beschwerden über die Briefzustellung. Grund war nach Angaben des Konzerns u. a. ein krankheitsbedingter Personalausfall. Währenddessen wurden beispielsweise Paketsendungen priorisiert, da diese aus logistischen Gründen nicht zurückgehalten werden können – aber auch, weil die Prozesse im Paketbereich eben nicht so komplex wie im Briefgeschäft seien, hieß es damals von Thomas Schneider, Bereichsvorstand Betrieb bei Post & Paket Deutschland. 

Im jüngsten Tarifstreit mit den Gewerkschaften hatte die Deutsche Post auch damit gedroht, das Briefgeschäft auszugliedern, sollte man nicht von den hohen Forderungen abweichen. Für den Fall, dass kein Unternehmen die Briefversorgung wirtschaftlich durchführen kann, gebe es aber das Postgesetz. „Solche Ankündigungen spielen mit den Ängsten der Menschen, sind aber völlig unbegründet“, erläutert der Paketverband BIEK zu dem Sachverhalt. „Wenn der Markt nicht funktioniert, dann kann die Bundesnetzagentur ein Unternehmen beauftragen – auch die Deutsche Post –, das die Versorgung dann übernehmen muss und die Kosten dafür ausgeglichen bekommt.“ 

Verbundzustellung: Ist die Post im Wettbewerbsvorteil?

Der BIEK, der Kurier-, Express- und Paketdienstleister wie Hermes, DPD oder GLS vertritt, hat indes andere Kritikpunkte an dem Zustellmodell – nämlich in Hinblick auf einen fairen Wettbewerb. Die Paketsparte DHL nimmt für die Verbundzustellung die Infrastruktur der Briefsparte der Deutschen Post in Anspruch. Die Verbundzustellung sei grundsätzlich „ökonomisch vernünftig, da mit dieser Praxis Effizienz- und Nachhaltigkeitsaspekte einhergehen“, erläutert der Verband auf Nachfrage. „Weil aber im Paketmarkt intensiver Wettbewerb zu anderen Marktteilnehmern besteht, ist es erforderlich, dass die Inanspruchnahme der Briefinfrastruktur zu Marktpreisen erfolgt. Alles andere wäre wettbewerbsverzerrend, denn die Briefinfrastruktur wird durch staatlich genehmigte Briefporti finanziert. Wenn sie von der Paketsparte unentgeltlich mitbenutzt wird, entsteht ein ungerechtfertigter Kostenvorteil gegenüber den Wettbewerbern“, gibt der Verband zu bedenken. Die Post könne ihre Kosten im „wettbewerbsintensiven“ Paketmarkt über das Briefporto refinanzieren und Preise anbieten, die nicht alle entstehenden Kosten decken würden – etwas, dass der Konkurrenz nicht möglich sei. „Die Verbundzustellung eröffnet der Deutschen Post also Quersubventionierungsmöglichkeiten“, so der BIEK. Diese müssten beseitigt werden, so die Forderung. 

Die Deutsche Post widerspricht dieser Auffassung. „Der Vorwurf der Quersubventionierung ist so alt wie falsch“, führt ein Unternehmenssprecher aus. „Nicht nur die reale Ergebnisentwicklung im Segment Post & Paket Deutschland widerspricht dieser. Auch die Bundesnetzagentur hat bei der Entgeltgenehmigung wiederholt die Kostenzuordnungen der einzelnen Segmente bei der Deutschen Post im Detail überprüft und noch nie eine Quersubventionierung festgestellt.“ Es stehe den Wettbewerbern im Paketbereich frei, neben Paketen auch Briefe im ländlichen und stadtnahen Raum zuzustellen, ergänzt der Konzern. 

 

Jüngst erntete das Zustellkonzept wegen eines neuen Vorstoßes der Deutschen Post erneut Skepsis in Hinblick auf den Wettbewerb. So sprach sich der Logistiker für eine einheitliche CO₂-Kennzeichnung für Pakete aus. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben vertrat etwa die Auffassung, dass die Post durch die Verbundzustellung gegenüber reinen Paketdiensten im Vorteil sei. Der Paketverband, der regelmäßige Berichte über den CO₂-Fußabdruck begrüßt, hält die Idee der Post, einen Durchschnittswert als Grundlage für ein CO₂-Label festzulegen, für ungeeignet. „Da Durchschnittswerte kaum etwas aussagen, sind sie intransparent. Zudem muss bei einer CO2-Kennzeichnung klar sein, was gekennzeichnet wird. Eine CO₂-Kennzeichnung, wie sie von der Deutschen Post vorgeschlagen wird, beinhaltet auch Briefe statt nur Pakete. Es werden also Äpfel mit Birnen verglichen. Das E-Fahrzeug der Deutschen Post, der Streetscooter, wurde z. B. von vornherein für die Verbundzustellung von Brief und Paket eingesetzt. Demgegenüber transportieren die Wettbewerber nur Pakete.“ 

Nach dem Bekanntwerden der Pläne der Deutschen Post im vergangenen Jahr war die Verbundzustellung „ein Dauerthema“ auf der Aktionärsversammlung der Deutschen Post im Mai 2022, schrieb damals etwa Heise. Die nächste ordentliche Sitzung ist am 4. Mai 2023 – und man darf insofern gespannt sein, wie sich das Thema weiter entwickeln wird. 

 

Über die Autorin

Hanna Behn
Hanna Behn Expertin für: Usability

Hanna fand Anfang 2019 ins Team der OnlinehändlerNews. Sie war mehrere Jahre journalistisch im Bereich Versicherungen unterwegs, dann entdeckte sie als Redakteurin für Ratgeber- und Produkttexte die E-Commerce-Branche für sich. Als Design-Liebhaberin und Germanistin hat sie nutzerfreundlich gestaltete Online-Shops mit gutem Content besonders gern.

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Kommentare  

#2 Sylvio 2023-04-28 19:20
Die Aussage mit denn schweren Paketen .....was soll ich dazu sagen .....auf dem Land bestellt fast jeder Tiernahrung ein Paket zwei Säcke a 20 Kilo deklariert mit 31.5 kg .....dann sperrgut was zwei Mann fahren müsste , fährt eine oder einer allein .....mittlerwei le fahren wir alles von Möbel angefangen bis .....damals gab es Speditionen heute macht es die Post oder die anderen Paketdienste
Es wird auf den Knochen der Zusteller ausgetragen ,Hauptsache die Kohle stimmt
Und im Verbund geht es auch nicht nur um Briefe und Pakete ,es ist auch die ganze Werbung von Haus zu Haus ,so das am manchen Tag die Arbeit nicht geschafft wird ......und das Ende vom Lied ....Krankheit ,neue Kräfte springen ab .....
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#1 gunnar 2023-04-25 08:32
die gewinnbringende n briefsendungen ( warenpost und warenpost international ) wurden ja auch einfach schnell zu dhl überschrieben.
sonst würden nicht weniger briefe in der post sein.
es ist alles nur der absichtliche weg, weg mit der briefpost.
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