Kolumne

Oh mein Gott: Die Kirche bildet Influencer aus

Veröffentlicht: 10.05.2019 | Geschrieben von: Markus Gärtner | Letzte Aktualisierung: 10.08.2022
Religiöse Symbole auf Laptop

Es war nicht gerade die Johannes-Offenbarung, aber doch eine Nachricht, die aufhorchen lässt: Das Erzbistum Köln gibt der Digitalisierung ein Like und will künftige Priester dafür fitmachen, damit die Kirche nicht noch mehr junge und ältere Schäfchen verliert. Rund 50 Teilnehmer des Erzbischöflichen Priesterseminars sollten in einem zweitägigen Workshop die Potenziale und Risiken von YouTube, Instagram, Facebook und Co. kennen lernen. Neben Cybermobbing ging es dabei unter anderem auch darum, als Influencer auf Social Media durchzustarten und Nächstenliebe und das Wort Gottes womöglich auch via Hashtag und Tweet zu streuen. Auf der Seite des Workshop-Anbieters heißt das dann so: „Lust auf selbstgedrehte Pranks, Beauty-Tipps und mehr?“, mögliches Ziel: „haufenweise Follower und unzählige Likes“.

Die Kirche und ihr Problem mit der Moderne 

Grundsätzlich ist ja die Offenheit und Lernbereitschaft für moderne gesellschaftliche Trends sehr zu lobpreisen – allerdings liegen die Gedankeninhalte Kirche und Influencer etwa so weit auseinander wie Bethlehem und das Silicon Valley. Die Kirche fiel aber in der Vergangenheit generell eher wenig für ihre liberale und weltoffene Haltung auf. Jüngstes Beispiel: Pater Romano Christen sprach laut WDR in einem Vortrag vor Theologiestudenten unter anderem über Homosexualität als „Folge einer psychologischen (Fehl)Entwicklung“ und „narzisstische Suche“ nach Männlichkeit, die zu einem Geschlechtsminderwertigkeitskomplex führe. Dafür gab es scharfe Kritik – auch von anderen Kirchenvertretern. Der Mann ist übrigens der Leiter der Priesterausbildung im Erzbistum Köln.

Digitale Gehversuche: Segens-Roboter und Andachts-App

In Sachen digitale Kirche gibt es Versuche mit mehr oder minder Erfolg: Der Roboter „Bless U-2“ des Medienkünstler Alexander Wiedekind-Klein, der einen Segen aussprechen kann und auch schon bei der kirchlichen Messe zum Einsatz kam, fand wenig Zuspruch; auch eine Andachts-App scheint noch nicht ausgereift. Hoffnung macht die Berliner Pfarrerin Theresa Brückner, die den YouTube-Kanal theresaliebt betreibt. Sie ist aber erst seit wenigen Monaten im Amt, Followerzahl: 528. Noch keine Influencerin.

Auch Jesus hatte Follower

Sich einen Diener Gottes im Stil von BibisBeautyPalace und Co. vorzustellen – da gehört dann schon sehr viel Glaube und Fantasie dazu. „Die benutzen Codewörter, die ich nicht verstehe“, gibt ein Teilnehmer des Priesterseminars auch zu. Warum springt die Kirche also auf den Influencer-Hype an – der aufgrund der Debatte um Schleichwerbung und die vermeintliche Authentizität eh in der Kritik steht? Gut, immerhin hat die influencerhafte Verehrung durch ihre Follower auch eine gewisse kirchliche Tradition: #Apostel, #JudasEpicFail. 

Sehen wir also bald ein für den Instagram-Post fancy hergerichtetes Abendmahl? Gibt's auf YouTube noch mal ein Tutorial über die Top Ten der Gebote? Immerhin bietet die Religion sowohl für das konkrete Digital-Projekt als auch die nötige Öffnung der Kirche für eine der Zukunft zugewandten Gesellschaft schon mal klassische Tools: Hoffen und Beten. 

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