Kommentar

Natürliche Brüste? Eine Zumutung!

Veröffentlicht: 16.05.2022 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 16.05.2022
Brüste in verschiedenen Formen und Größen

Liebe Leserinnen und Leser, wir müssen reden. Über Brüste. Ja, Sie haben richtig gelesen: Brüste. Über Scham und mediale Erziehung, vor allem aber über Brüste. Wer sich beim Betrachten nackter weiblicher Brüste unwohl fühlt, dabei Scham verspürt oder aber die öffentliche Konfrontation mit diesen Körperteilen als heikel oder obszön empfindet, kann nun gern einen anderen, „zugeknöpfteren“ Beitrag lesen. Denn im Folgenden geht es um das Zurschaustellen nackter weiblicher Brüste in der Werbung – und um Menschen, die sich bei deren Betrachtung genieren. 

Brüste ohne Fehl und Tadel

In der Werbung werden wir mit vollkommen abstrusen Frauenbildern überschüttet. Frauen ohne Falten, ohne Dellen auf den Oberschenkeln, ohne Speckröllchen an den Hüften, ohne Haare an den Beinen und natürlich stets mit perfekten Brüsten. Wunderschöne, wohlgeformte, gleichmäßige Brüste aus dem Bilderbuch oder wahlweise aus dem Photoshop-Programm. Brüste, die – Gott bewahre – niemals zu klein oder von lebensverändernden Umständen wie Geburten oder Krebserkrankungen gezeichnet sind. 

Es sind Bilder solch vermeintlich makelloser Brüste, die der Gesellschaft derart ins Gehirn gemeißelt werden, dass dadurch große Probleme entstehen. Viele Frauen hadern etwa aufgrund perfekter Bilder ein Leben lang mit der Erscheinung ihrer eigenen Brust – zu klein, zu wenig Spannkraft, mit kleinen Härchen oder zu großen Brustwarzenhöfen im Vergleich zum Ach-so-perfekten Werbebusen.

Brüste – mit Falten und vermeintlichen Makeln

Nun stellen Sie sich vor, es kommt ein Unternehmen wie Adidas und fängt auf einmal an, in einer Werbung nicht die gewohnten Hochglanz-Brüste zur Schau zu stellen, sondern stattdessen mit echten, ich meine WASCHECHTEN, natürlichen Brüsten zu werben. Mit solchen Brüsten, die Falten haben und „knitterich“ sind, die unterschiedliche Größen haben, die Haut- bzw. Leberflecken aufweisen, hängen und vielleicht sogar operationsbedingte Narben verzeichnen. Ja, malen Sie sich aus, dass diese Brüste einfach so gezeigt werden, wie sie tatsächlich bei Frauen jeglichen Alters und jeglicher Herkunft vorkommen. Ein Skandal! Nicht auszudenken, was das bei den Zusehenden für Traumata auslösen könnte!

Doch genau das hat Adidas im Rahmen einer Werbekampagne getan. In Form einer Collage sind Bilder von weiblichen Oberkörpern zu sehen, ohne Köpfe – lediglich die Brüste, in all ihrer natürlichen Schönheit. Oder vielleicht auch in all ihrer natürlichen Unvollkommenheit, je nachdem, wie sehr sich das perfektionsgerichtete Marketing-Bild in den Köpfen der Betrachter eingebrannt hat.

Ziel der Kampagne war es, einen neuen Sport-BH zu bewerben, den Adidas in sage und schreibe 43 unterschiedlichen Varianten herausgebracht hat – um der Diversität weiblicher Körper gerecht zu werden. „Wir glauben, dass weibliche Brüste in allen Formen und Größen Halt und Komfort verdienen“, wird das Unternehmen von W&V zitiert.

Denkt doch mal einer an die Kinder!?!

Da es sich um eine absolute Seltenheit handelt, dass solche realitätsnahen und photoshop-fernen Brust-Exemplare das Licht der Marketing-Welt erblicken, gab es in den sozialen Netzwerken viel Lob und Anerkennung für die Kampagne. Zumindest von jenen Leuten, die Echtheit/Ehrlichkeit in der Werbung zu schätzen wissen. Es gab aber auch jene, die sich von der Werbeaktion abgestoßen fühlten. 24 Beschwerden hat die sogenannte Advertising Standards Authority (ASA) erhalten, eine britische Institution, die innerhalb der Werbeindustrie als brancheneigene Aufsicht gilt.

Als eine der Begründungen, die mit den Beschwerden einhergingen, wurde etwa genannt, dass auch Kinder die Plakate sehen könnten. Die Werbeaufsicht habe im Adidas-Fall schließlich entschieden, „dass die Bilder zwar nicht als pornografisch einzustufen seien oder Frauen zu Objekten herabstuften, aber wahrscheinlich als ,explizite Nacktheit‘ wahrgenommen würden“ und dass man bei der Verbreitung der Kampagne besondere Vorsicht bzw. Sorgfalt walten lassen müsse, „um zu vermeiden, dass bei den Menschen, die sie sehen, ein Ärgernis hervorgerufen wird“, heißt es weiter.

Nun. Was lässt sich darauf sagen? 

Das wirkliche Ärgernis

Ich halte es für mehr als ein reines Ärgernis, wenn Kindern, jungen Menschen und auch Erwachsenen künstlich kreierte Rollenbilder eingebläut werden. Ja, es ist sogar gefährlich, 

  • wenn diese Klischeevorstellungen dann wiederum Scham und im schlimmsten Fall sogar Abscheu vor sich selbst auslösen... 
  • wenn Konsumierende stets und ständig gezwungen sind, sich mit präsentierten Körperidealen zu vergleichen, die mit Bearbeitungsprogrammen „verschönert“ bzw. verzerrt wurden ... 
  • wenn ihnen vermeintlich erstrebenswerte Körperziele dargereicht werden, denen sie ihr ganzes Leben lang hinterherrennen und die sie ohne fragwürdige Eingriffe gar nicht erreichen können.

Die Frage ist eher: Warum wird es so verteufelt, Menschen einen natürlichen Umgang mit der weiblichen Brust näherzubringen. Es sind eben jene Brüste, die sie (in vielen Fällen) nährten und die ein essenzieller Teil des Lebens und des postnatalen Überlebens sind. Solange natürliche Brüste ein „Ärgernis hervorrufen“ und die Scheu vor echten Brüsten größer ist als vor utopischen Nachbildungen, haben die Werbebranche und die Welt noch immer viel zu tun. In diesem Sinne auch weiterhin: Bitte weniger absurde Körper-Klischees und mehr Echtheit. Danke!

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Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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