Dennie Trost von InfoSum im Interview

Gamechanger oder bloßer Hype? – Darum geht es bei Retail Media

Veröffentlicht: 28.03.2023 | Geschrieben von: Ricarda Eichler | Letzte Aktualisierung: 28.03.2023
Sinnbild Digitale Möglichkeiten

Marken oder Händler haben 2023 mannigfaltige Optionen in Sachen Werbung. Neben der klassische Anzeigenwerbung oder Influencer-Marketing hat sich dabei das so genannte Retail Media immer mehr durchsetzen können. Der Begriff geistert nunmehr seit ein paar Jahren durch die Advertising Szene. Was genau er bedeutet, welche Arten von Retail Media es gibt und was man hinsichtlich Datenschutz beachten sollte, erklärt Dennie Trost von InfoSum im Interview mit OnlinehändlerNews.

Durch Retail Media können Händler zu Advertisern werden

OnlinehändlerNews: Was genau versteht man unter Retail Media und wie unterscheidet sich das Konzept von klassischer Anzeigenwerbung?

Dennie Trost: Der Trend zum Online-Shopping, befeuert durch die Corona-Pandemie, hat dazu geführt, dass Händler heute über mehr unternehmenseigene Daten verfügen als je zuvor. Sie können diese Daten nutzen, um ihren Kund:innen ein besseres Einkaufserlebnis zu bieten – und genau hier kommt Retail Media ins Spiel. Händlern ist es mit Retail Media möglich, ähnlich wie ein Medienunternehmen zu agieren, das mit verschiedenen Marken zusammenarbeitet, um die Nachfrage nach deren Produkten zu steigern.

Die klassische Anzeige von Werbung innerhalb der Händler-Webseite ist ein Anwendungsfall. Doch Retail Media hat sich längst über dieses einfache Shopper-Marketing hinaus weiterentwickelt. Die Frage lautet jetzt nicht mehr: Wie werde ich zum Inventar-Anbieter für Marken? Vielmehr geht es darum, eine durchgängige, zielgruppenorientierte Medienlösung anzubieten. Dabei gibt es nicht die eine Retail Media-Werbeform, sondern Retail Media ist als eine Art Oberbegriff zu verstehen, für den es verschiedene Anwendungsfälle gibt. 

So können auch Unternehmen mit wenig eigenen Daten auf Retail Media setzen

Welche Arten von Retail Media gibt es?

Dazu zählt unter anderem das gerade angesprochene, klassische Shopper-Marketing, mit dem Retail Media in den meisten Fällen assoziiert wird. Der simpelste Fall, der in der Praxis aber nur selten Anwendung findet, ist dabei die direkte Buchung von Inventar, ohne einen Abgleich von Daten durchzuführen. Wenn Marken ihre unternehmenseigenen Daten mit den Shopping-Daten des jeweiligen Händlers abgleichen, können sie ihre Kund:innen über die verschiedenen Kanäle des Händlers ansprechen – über gesponserte Produkte im Onlinehandel ebenso wie in der App oder über Out-of-Home-Werbung vor Ort. 

Aber auch Marken, die keinen Direktvertrieb anbieten und daher nur wenige unternehmenseigene Daten besitzen, können auf Retail Media setzen, indem sie ihre vorhandenen Daten mit dem Wissen von Händlern, Medienanbietern und Datenanbietern anreichern.

Abseits des Shopper-Marketings arbeiten Marken und Händler eng mit verschiedenen Medienanbietern für sogenannte Off-Site-Aktivierungen zusammen. Das tun sie, um der Zielgruppe näher zu sein, also Kund:innen auch abseits der Kanäle eines Händlers anzusprechen. Für Off-Site-Aktivierungen haben sich Unternehmen bisher vor allem auf die Nutzung von Third-Party-Cookies verlassen.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil von Retail Media ist das Measurement, also die Messung des Erfolgs einer Kampagne. Da Offline- und Online-Shopping häufig noch getrennt betrachtet werden, liegt der Fokus auf einem Closed-Loop-Measurement, das den Kampagnenerfolg ganzheitlich auf Basis der Ergebnisse im Online- und Offline-Handel misst. 

First-Party-Daten bilden die Grundlage 

Auf welche Daten wird für die Personalisierung von Retail Media Anzeigen zugegriffen und wo bekommen Marketer diese her?

Wie bei personalisierter Onlinewerbung im Allgemeinen wird auch im Bereich Retail Media zwischen First-Party-, Second-Party- und Third-Party-Daten unterschieden. 

First-Party-Daten werden beispielsweise von den Händlern erhoben und bilden die Grundlage jeder Retail-Media-Kampagne. Zu diesen unternehmenseigenen Daten zählen beispielsweise das Nutzungs- und Einkaufsverhalten auf Produktebene. First-Party-Daten sind für Advertiser sehr attraktiv, weil sie sich unmittelbar am Verkaufsort ihrer Produkte befinden. Marketer erhalten diese Daten in der Regel nicht, stattdessen findet ein Abgleich zwischen den Daten der Händler und den Daten der Werbetreibenden statt. 

First-Party-Daten sind aber nicht nur für Händler und Marketer sehr wertvoll, sondern vor allem für die Kund:innen, die ihnen die Daten vertrauensvoll zur Verfügung gestellt haben. Händler sollten diese Daten daher nicht aus der Hand geben, sondern müssen sicherstellen, dass der Datenabgleich in einer sicheren und geschützten Umgebung stattfindet. 

In Zeiten einer immer komplexer werdenden Customer Journey sind die unternehmenseigenen Daten von Marketern jedoch häufig nicht ausreichend. Sie benötigen zusätzliche Daten, weshalb sie ihre Datensätze anreichern. Dabei greifen sie unter anderem auf extern erhobene Eigen- oder Partnerdaten zurück. Diese Second-Party-Daten sind damit die First-Party-Daten anderer Organisationen und stammen aus strategischen Partnerschaften oder aus Kampagnendaten. 

Sie geben Aufschluss über Verhaltensweisen, Umfelder, technische Rahmenbedingungen oder die Anzahl und Dauer des Werbekonsums. Häufig greifen Werbetreibende zudem auf Third-Party-Daten zurück, die von Datenanbietern zur Verfügung gestellt werden.

Die Zukunft gehört sicheren Retail-Media-Netzwerken

Für Kollaborationen dieser Art müssen die Daten in der Regel geteilt oder zentralisiert werden. Wenn Händler das jedoch tun, besteht die Möglichkeit, dass Daten kopiert oder mit anderen Datensätzen vermischt werden. Dies erhöht nicht nur das Risiko von Datenmissbrauch und Datenschutzverletzungen, sondern kann auch das Vertrauen der Verbraucher negativ beeinflussen. 

Händler und Marken werden aber auch in Zukunft nicht auf Kollaborationen verzichten können, um verschiedene Akteure einzubinden und ein effizientes Retail-Media-Marketing zu ermöglichen. Die Zukunft gehört daher sicheren Retail-Media-Netzwerken, in denen sich die verschiedenen Akteure zusammenfinden und Erkenntnisse aus First-Party-Daten gewinnen können, ohne dass diese Daten geteilt werden müssen.

 

Retail-Media-Netzwerke können helfen die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern 

Für welche Marken und Unternehmen eignet sich Retail Media am ehesten? 

Retail Media eignet sich für alle Händler, die als datengetriebenes Unternehmen ihre vorhandenen Daten für Marken und Medienunternehmen zugänglich machen möchten, um so von personalisierter Werbung zu profitieren. Händler, die sich entscheiden, ein Retail-Media-Netzwerk aufzubauen oder einem solchen Netzwerk beizutreten, schaffen damit neue Möglichkeiten, ihre Daten zu monetarisieren. Auch miteinander konkurrierende Händler können in einem Retail-Media-Netzwerk zusammenarbeiten, um gegenüber größeren Händlern wettbewerbsfähiger zu werden.

Gleichzeitig lohnt es sich für alle Marken, die ihre Produkte über Einzelhändler vertreiben, einem Retail-Media-Netzwerk beizutreten. Denn egal ob Konsumgüter- oder Sportartikelmarke, mit Retail Media eröffnet sich diesen Marken die Möglichkeit, relevante Zielgruppen mit der richtigen Botschaft zum richtigen Zeitpunkt anzusprechen und die Wirkung der Kampagne genau nachzuvollziehen. 

Auch Publisher und Datenanbieter profitieren von der Teilnahme an Retail-Media-Netzwerken, indem sie durch den Aufbau von Geschäftsbeziehungen mit Händlern und Marken neue Umsatzpotenziale erschließen. Datenanbieter können mit Retail-Media-Netzwerken außerdem die Lücke im Wissen über Kund:innen schließen, die mit dem Ende der Third-Party-Cookies entstanden ist. 

Alle Akteure tragen zur Erfolgsmessung bei

Welche Tools zum Tracken der Conversions gibt es?

In einem Retail-Media-Netzwerk trägt jeder Akteur seinen Teil zur Erfolgsmessung der Retail-Media-Kampagne bei. Marken geben Aufschluss darüber, wer ein Produkt wie oft gekauft hat, Händler liefern Shopper-Marketing-Daten aus ihren Online- und Offline-Shops, und die Daten von Publishern helfen zu ermitteln, wer von der Kampagne erreicht wurde und wer nicht. 

Durch die kollaborative Analyse dieser Datensätze ist es möglich, schnell und einfach ein inkrementelles Measurement durchzuführen, das den Anstieg eines gewünschten Ergebnisses nach der Durchführung der Kampagne berechnet. Beispielsweise kann eine Marke für Unterhaltungselektronik die Schnittmenge zwischen den Personen messen, die ein Produkt entweder bei ihr oder bei einem Einzelhändler gekauft haben, und den Personen, an die sich die Retail-Media-Werbung richtete. 

Der Schutz von Kundendaten sollte immer im Fokus sehen

Gibt es rechtliche Stolperfallen, die Händler und Marketer bei der Anzeigenplanung beachten müssen? 

Ja, denn wir befinden uns im Zeitalter des Datenschutzes, in dem mit der zunehmenden Zahl von Datenschutzbestimmungen auch die Kosten steigen, die mit Verstößen verbunden sind. Retail-Media-Netzwerke sollten daher nur mithilfe einer Technologie aufgebaut werden, die speziell für datenschutzsichere Datenkollaborationen entwickelt wurde und den Schutz der Daten sicherstellt.

Data Clean Rooms bieten eine geschützte Umgebung, in der mehrere Unternehmen auf der Grundlage ihrer First-Party-Daten zusammenarbeiten können. Doch Data Clean Room ist nicht gleich Data Clean Room. Verschiedene Lösungen mit unterschiedlichen Ansätzen haben sich seit dem Aufkommen der Technologie vor einigen Jahren etabliert. 

Echte Data Clean Rooms ermöglichen durch sichere Datenkollaborationen die Nutzung von Datensätzen zur Analyse, Anreicherung, Segmentierung und Aktivierung relevanter Kundenerlebnisse für Zielgruppen. Indem sie sicherstellen, dass Daten zu keinem Zeitpunkt geteilt werden, behalten Unternehmen die Hoheit über ihre Daten. 

Echte Data Clean Rooms helfen somit bei der Verwaltung und Aufrechterhaltung von Data-Governance-Praktiken, sowohl innerhalb einer Organisation als auch bei externen Geschäftspartnerschaften. Sie bieten die Kontrolle, Tools und Technologien, um eine  datenschutzsichere Data Collaboration zu gewährleisten und den Schutz und die Integrität der Kundendaten in den Fokus stellen.

Prognosen: Retail Media wird bis 2026 TV-Werbung überholen

Wie ist ihre Einschätzung als Daten-Profi: handelt es sich um einen Trend, der bleibt oder eine bloße Hype-Erscheinung?

Retail Media ist definitiv gekommen, um zu bleiben. Laut Prognosen des internationalen Wirtschaftsverbands der Onlinewerbebranche IAB wird Retail Media in Europa im Jahr 2026 in Bezug auf die Werbeausgaben ein 25 Milliarden Euro großer Markt sein. Wenn diese Prognose zutrifft, dann hat Retail Media bis dahin die TV-Werbung überholt.

Diese hohen Investitionen sind nachvollziehbar, denn von Retail-Media-Netzwerken, die auf echten Data-Clean-Room-Lösungen basieren, profitieren alle Beteiligten. Händler behalten die Hoheit über ihre Daten und können diese durch Kollaborationen vollständig monetarisieren. Marken erreichen die für sie relevanten Personen direkt am Point of Sale.

Publisher erschließen neue Wachstumschancen durch den Aufbau von neuen Beziehungen zu Händlern und Marken. Auch Datenanbieter generieren neue Umsatzpotenziale, indem sie anderen Akteuren die sichere Nutzung ihrer Daten zur Anreicherung ermöglichen. Das macht deutlich: Retail Media ist jetzt im Mainstream angekommen. Es ist höchste Zeit, dass sich Händler für die nächste Phase der Onlinewerbung aufstellen.

Vielen Dank für das Gespräch!


Dennie Trost / InfoSum

Über Dennie Trost

Dennie-Alexander Trost ist Director Sales CE bei InfoSum und verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in den Bereichen Sales, Business Development und Account Management. In den letzten zwei Jahren baute er ein eigenes Unternehmen auf und kehrte 2022 mit InfoSum zurück in den Technologiesektor. Zuvor war Trost als Market Lead DACH bei Facebook für das Audience Network verantwortlich und in leitender Position bei Xandr (damals AppNexus).

Über InfoSum

InfoSum ist die weltweit führende Data Collaboration Platform und die einzige sichere Data-Clean-Room-Infrastruktur, mit der Unternehmen weltweit ihre First-Party-Daten in großem Umfang sicher nutzen können, um bessere Kundenerlebnisse zu schaffen. InfoSum ist die einzige Lösung, die echte Multi-Party-Berechnungen und -Analysen über eine unbegrenzte Anzahl von Datensätzen hinweg ermöglicht. So können Unternehmen das volle Potenzial von Kundendaten ohne das Risiko von Datenlecks oder -missbrauch erschließen. 

Der patentierte Safe Audience Transfer von InfoSum stellt sicher, dass Daten zu keiner Zeit bewegt werden. So schafft InfoSum das am besten geschützte, am besten vernetzte und am besten zugängliche Data Collaboration Network. Das Unternehmen wurde 2016 in Basingstoke, Großbritannien, von Nicholas Halstead gegründet und ist außerdem in Nordamerika, Europa sowie Australien und Neuseeland vertreten.

Über die Autorin

Ricarda Eichler
Ricarda Eichler Expertin für: Nachhaltigkeit

Ricarda ist im Juli 2021 als Redakteurin zum OHN-Team gestoßen. Zuvor war sie im Bereich Marketing und Promotion für den Einzelhandel tätig. Das Schreiben hat sie schon immer fasziniert und so fand sie über Film- und Serienrezensionen schließlich den Einstieg in die Redaktionswelt.

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