Jan Homann im Interview: „Die Bezahlung für Influencer ist sehr willkürlich“

Veröffentlicht: 17.10.2017 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 17.10.2017

Der Stellenwert des Influencer Marketing wächst, doch der Informationsbedarf der Unternehmen ist noch immer groß. OnlinehändlerNews spricht mit Jan Homann (Bildmitte), CEO und Gründer von Blogfoster, über die Wichtigkeit einer professionellen Herangehensweise beim Einsatz von Influencern.

Blogfoster Founder mit Jan Homann

© blogfoster

OnlinehändlerNews: Herr, Homann, warum brauche ich als Unternehmen heute Influencer im Marketing-Mix?

Jan Homann: Der wichtigste Grund ist sicherlich der, dass Influencer gerade in der jungen Zielgruppe Bezugspersonen und Meinungsführer sind. Man kann das vergleichen mit einer früheren Entwicklung: Die heutige junge Generation schaut zu Social Influencern auf, wie früher z.B. zu großen Kino- oder Filmschauspielern aufgeschaut wurde. Deshalb haben werbende Unternehmen ihren Fokus vor Jahrzehnten auf die Leinwände gelenkt und das damals vornehmlich junge, konsumfreudige Publikum angesprochen. Heute folgen Unternehmen dem nächsten großen Trend und sollten deshalb Blogger und Influencer frühzeitig in ihre Marketing-Strategie einbinden. Der zweite Grund ist das enorme Wachstum: Influencer-Marketing ist das am schnellsten wachsende Segment im Online-Marketing und ist gerade in punkto Glaubwürdigkeit, Zielgruppen-Affinität und Return on Investment vielen anderen Marketing-Segmenten überlegen.

Welchen Stellenwert hat Influencer Marketing mittlerweile im Vergleich zu anderen Marketing-Maßnahmen?

Der Stellenwert wächst, das merken wir an den vermehrten Anfragen von Kundenseite. Gleichzeitig herrscht noch viel Informationsbedarf seitens der Unternehmen. Klar ist: Werden Influencer-Marketing-Kampagnen professionell geplant und umgesetzt, liefern sie einen beträchtlichen Gegenwert zum eingesetzten Budget. Dies hat dazu geführt, dass heute bereits zwischen 5 und 7 Prozent der Werbebudgets in einigen Branchen für Influencer-Marketing eingesetzt werden - Tendenz stark steigend: Bis 2020 erwartet die Branche laut einer Studie von A.T. Kearney ein weltweites Volumen von mehr als zehn Mrd. US-Dollar.

Sie geben über 22.000 Influencer in Ihrem Portfolio an. Wie finde ich bei dieser riesigen Konkurrenz – es gibt ja noch tausende mehr, die nicht von Blogfoster betreut werden – als Unternehmen die richtige Persönlichkeit für mein Produkt?

Wichtig ist vor allem eine Strategie! Dabei gilt es, sich als Unternehmen beziehungsweise Marke im Vorfeld zu fragen: Welches Ziel wollen wir durch Influencer Marketing erreichen? Welche Influencer passen zu unserer Marke? Wer sind unsere Zielgruppen und welche Botschaften sollten diese erreichen? Wir bei blogfoster haben insgesamt mehr als 35.000 Blogger (12.000) und Influencer (22.000) angebunden, geclustert in mehr als 20 Kategorien. Wir konzentrieren uns auf Influencer mit einer Reichweite von 7.500 bis zu ca. 1 Million Follower. Wir achten, unabhängig von der Größe von Influencern, auf Qualitätsindikatoren.

Sprich, welche Marken tatsächlich einen hohen Return auf den eingesetzten Euro geben. Auf Basis historischer Daten und unserer Preis-Algorithmik können wir diese vor der Zusammenarbeit mit einem Influencer schätzen. So haben beide Seiten ein solides Erwartungsmanagement. In unsere Beurteilung fließen hierzu softwarebasiert diverse Variablen ein, die geeignet sind, um Glaubwürdigkeit, inhaltliche Qualität sowie die Anzahl der tatsächlich beeinflussten Rezipienten zu bewerten. Eine blinde Auswahl von Influencern auf Basis der puren Reichweite halte ich für fatal, wenngleich genau das heute im Markt noch ständig passiert.

Lässt sich sagen, wie viel mich ein Influencer kostet? Haben sich in diesem doch noch recht neuen Feld bereits „marktübliche“ Gagen/Prämien herauskristallisiert?

Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten, dazu ist Influencer Marketing tatsächlich noch ein zu junges Feld. Hinzu kommt: Die Preise variieren stark von Branche zu Branche. Posts im Segment der Biotechnik etwa unterscheiden sich preislich vom Segment Beauty. Grundsätzlich gilt: Die Bezahlung für Blogger und Influencer ist aktuell zum Teil sehr willkürlich. Wir bei blogfoster möchten das ändern und arbeiten an einer transparenten und fairen Marktpreis-Gestaltung auf technologischer Basis. Dazu fließen bei uns viele Parameter ein, denn das so genannte „Pricing“ ist natürlich ein Kernelement. Will Influencer Marketing ein ernst zu nehmender Teil des strategischen Marketing Mixes sein, braucht es verlässliche und nachvollziehbare Honorare für Influencer und Blogger. blogfoster hat deshalb eine Grundpreisformel entwickelt, die die Reichweite mit einbezieht. Je größer die Reichweite, desto höher der Preis pro Posting. Hinzu kommen dann Sekundärfaktoren wie die durchschnittliche Besuchszeit, die Traffic-Quelle etc. 

Welche Kanäle haben die höchste Relevanz? Man denkt erst einmal an Instagram und Youtube, aber gibt es weitere, bei denen es sich lohnen kann?

Um diese Frage zu beantworten, ist eine Vorbemerkung nötig: Will man als Unternehmen Influencer-Marketing richtig angehen, sollte dieses Marketing-Instrument als ein Kanal begriffen werden, der crossmedial bespielt wird – da gibt es pauschal kein richtig oder falsch bei der Kanal-Auswahl. Die Auswahl der Kanäle ist abhängig von Produkt, Zielgruppe und Botschaft. Nach Analyse dieser Leitfragen ergibt sich in der Praxis dann ganz automatisch eine Gewichtung der einzelnen Kanäle. Dies ist wichtig, denn die unterschiedlichen Social-Media-Kanäle bieten ganz eigene Besonderheiten: Über Instagram oder Twitter können zum Beispiel optimal kurze Momentaufnahmen mit den Followern des Influencers geteilt werden – dies eignet sich z.B. für Markteinführungen oder zur Begleitung spezieller Events. Die sehr kurze Verweildauer der User von nur wenigen Sekunden pro Bild bzw. Tweet bedeutet, dass die Kernbotschaft visuell oder sprachlich knackig und prägnant erkennbar sein muss. Möchte man seiner Zielgruppe ein Thema ausführlicher vorstellen, bietet sich ein Blogpost oder ein Video an – beide sind auch noch nach Jahren hinweg auffindbar und laden die User zum längeren Verweilen ein.

Wie kann man den Erfolg einer Kampagne messen? Zählen an dieser Stelle nur die Conversions oder gibt es hier auch „weichere“ Faktoren – etwa Image-Gewinn – auf die die Unternehmen hoffen?

Das kommt sehr auf die Ausgestaltung der Kampagne an: Wir haben Kunden, die Image-Aufwertung erzielen möchten, während andere Unternehmen reine Abverkaufs-Kampagnen starten. Egal welches Ziel verfolgt wird, am Wichtigsten ist am Ende die Erfolgskontrolle der Kooperation. Die Erfolge, sprich die Kennzahlen, sind bei einer Pilotkampagne schon deutlich sichtbar, aber vor allem bei der monatlich angelegten Laufzeitkampagne kann ein stetiger Erfolg nachgewiesen werden: Zum Beispiel werden Cost per Reader, Klicks auf Links, Verweildauer auf dem jeweiligen Beitrag permanent aufgezeichnet und durchgehend optimiert. Klare Messbarkeit der Performance innerhalb der Themenumfelder, klare Erkenntnis darüber, wie viele Menschen die Postings wirklich gelesen haben, lassen einen deutlichen Return on Investment quantifizieren. Dieser ist bei Influencer-Kampagnen übrigens im Durchschnitt elfmal höher als bei Banner-Kampagnen.

Herr Homann, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Im aktuellen Onlinehändler Magazin widmen wir dem Influencer Marketing einen ausführlichen Artikel, fragen etwa bei Brands4friends nach, wie sie Influencer einsetzen und klären ausführlich über die rechtlichen Unwegbarkeiten des Marketing-Feldes auf.

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Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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Kommentare  

#1 Thoralf 2017-10-18 09:41
"Eine blinde Auswahl von Influencern auf Basis der puren Reichweite halte ich für fatal, wenngleich genau das heute im Markt noch ständig passiert."

Gleichzeitig: "blogfoster hat deshalb eine Grundpreisforme l entwickelt, die die Reichweite mit einbezieht. Je größer die Reichweite, desto höher der Preis pro Posting."

Also: Etwas, was ich selber blöd finde (und auch jene, die sich halbwegs auskennen) erhebe ich zum (indirekten) Richtwert für andere, die keine Ahnung haben? Erinnert an ähnliche Projekte in anderen Bereichen, wo durch die "Expertise" branchenfremder Vermittler die KPIs völlig verzerrt wurden, damit Tonnen miserabler Content in den Markt geschaufelt wurde, später Agenturen mit "Leuten aus der Szene" das ganze auf ein neues Level heben wollten... und mit den gleichen KPIs konfrontiert wurden - und somit den gleichen Käse in etwas besser fabrizierten. ;)

Letztendlich geht es um die Conversion - und die ist eben reichweitenunab hängig. Hier würde ich mir als Auftraggeber deutlich mehr eine Auswahl an demographischen Kriterien wünschen. Einfach weil ich weiß, bei welcher Kundengruppe mein Produkt garantiert nicht konvertieren wird, egal wie gut der Influencer ist. Einfach gesagt: Männer kaufen keine Tampons.

Dazu kommt mein Misstrauen gegenüber sämtlichen automatischen Auswahlkriterie n. Oder sagen wir es mal anders: Meine "Agenturaccount s" (bzw. bots) bekommen auch laufend Anfragen rein von Agenten, die sie unbedingt in ihrer Kartei haben wollen...
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