Bilanzskandal

Insolvenzverwalter rechnet mit Wirecard-Zerschlagung [Update]

Veröffentlicht: 01.07.2020 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 01.07.2020
Wirecard-Logo

Der insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard wird wohl in Einzelteilen verkauft. Damit rechnet zumindest der bestellte Insolvenzverwalter Michael Jaffé. „Es haben sich bereits eine Vielzahl von Investoren aus aller Welt gemeldet, die Interesse am Erwerb des Kerngeschäfts beziehungsweise der davon unabhängigen und eigenständig erfolgreich am Markt agierenden Geschäftsbereiche haben“, zitiert die FAZ den Insolvenzverwalter. 

Insidern zufolge soll es sich bei den Interessenten unter anderem auch um Finanzinvestoren und Rivalen, wie etwa das französischen Unternehmen Worldline, handeln. Wie Jaffé weiter ausgeführt habe, haben die Gläubiger auch die Mandatierung von spezialisierten Investmentbanken bewilligt, die sich um den Verkauf der einzelnen Firmenteile kümmern sollen.

Auszahlungen laufen „ohne Einschränkungen“ weiter

Die US-amerikanische Tochter Wirecard North America steht bereits seit Dienstag zum Verkauf. Die Verkaufserlöse dürften der FAZ zufolge den Gläubigern der Wirecard AG zugute kommen, da Tochterfirmen der Wirecard AG bisher kaum insolvenz sind. Auch die deutsche Wirecard Bank ist bisher nicht von der Insolvenz der Muttergesellschaft betroffen – Auszahlungen an Händler und Kunden werden weiterhin „ohne Einschränkungen“ durchgeführt, betonte auch Jaffé.

Seine Priorität ist nun die Stabilisierung des Geschäftsbetriebs der Konzerngesellschaften. Vor allem die Abwicklung von Kreditkartenzahlungen steht hier im Fokus. „Dazu werden intensive Gespräche mit Kunden, Handelspartnern und den Kreditkartenorganisationen geführt“, so der Insolvenzverwalter. Weitere Insolvenzanträge seien zum jetzigen Zeitpunkt aber eben auch nicht auszuschließen.

Markus Braun wurde endgültig entlassen

Unterdessen hat sich Wirecard endgültig von seinem ehemaligen Vorstandschef Markus Braun getrennt: Der Aufsichtsrat des Unternehmens habe den Anstellungsvertrag außerordentlich gekündigt, berichtet das Manager Magazin. Braun war wegen des Bilanzskandals zurückgetreten und wenige Tage später wegen des Verdachts der Marktmanipulation festgenommen worden. Derzeit ist er gegen Kaution in Höhe von fünf Millionen Euro und mit Meldeauflagen auf freiem Fuß.

Braun und der ehemalige COO Jan Marsalek wurden laut Spiegel nun auch in Österreich wegen des Verdachts der Marktmanipulation und des schweren Betrugs angezeigt. Die Strafanzeige habe der Wiener Anwalt Jörg Zarbl eingebracht. Er sehe vor allem den Aktienkauf von Markus Braun im Mai problematisch: Der ehemalige CEO hatte mit dem Erwerb von Wirecard-Aktien für 2,5 Millionen Euro für einen Kurssprung gesorgt.

Etwa zeitgleich habe Braun einen Kredit über 120 Millionen aufgenommen und zwei österreichische Immobilien belehnt. „Aus meiner Sicht wäre hier zu prüfen, ob man nicht mit Absicht positive Signale an den Markt setzen wollte“, so Zarbl. Auch die Bafin untersuche den Aktienkauf wegen eines möglichen Verstoßes gegen Insiderhandelsvorschriften.

Kritik an der Bafin

Die Bafin war selbst im Wirecard-Fall unter Beschuss geraten. Felix Hufeld, Chef der Finanzaufsicht, muss sich am Mittwoch den Abgeordneten im Bundestag-Finanzausschuss stellen. Dabei wird es wohl auch um die Vorwürfe gehen, dass die Bafin bei der Kontrolle des Zahlungsdienstleisters offenbar Unstimmigkeiten übersehen hatte – und damit Mitschuld an dem milliardenschweren Bilanzskandal trägt.

Update: Durchsuchungen bei Wirecard

Die Staatsanwaltschaft München I durchsucht nach Informationen der Süddeutschen Zeitung die Geschäftsräume von Wirecard seit Mittwochmorgen. Insgesamt durchsuchen 12 Staatsanwälte, 33 Polizeibeamte und zahlreiche IT-Fachleute drei Gebäude in München sowie zwei weitere Gebäude in Österreich. Die Staatsanwaltschaft habe nach eigenen Angaben „(ehemalige) Verantwotliche bei Wirecard“ ins Visier genommen. Konkret gehe es um den Vorwurf der Marktmanipulation und mögliche falsche Angaben.

Auch das Privathaus des inzwischen entlassenen Ex-CEO Markus Braun werde durchsucht. Braun lebt mit seiner Familie in Wien und kooperiere seinem Anwalt zufolge weiter mit den Behörden. Der ehemalige Vorstandschef von Wirecard halte sich derzeit in München auf und werde sich heute gemäß seinen Auflagen bei der Polizei melden.

Über den Autor

Michael Pohlgeers
Michael Pohlgeers Experte für: Marktplätze

Micha gehört zu den „alten Hasen“ in der Redaktion und ist seit 2013 Teil der E-Commerce-Welt. Als stellvertretender Chefredakteur hat er die Themenauswahl mit auf dem Tisch, schreibt aber auch selbst mit Vorliebe zu zahlreichen neuen Entwicklungen in der Branche. Zudem gehört er zu den Stammgästen in unseren Multimedia-Formaten, dem OHN Podcast und unseren YouTube-Videos.

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